“Basel II ist insbesondere für den Mittelstand eine Herausforderung, die schwerer wiegt als die Währungsreform”, analysierte Thomas Struzek, Leiter des Geschäftsbereiches Business Intelligence bei SAP Systems Integration AG, im Jahr 2001 die Situation. Andere Experten vergleichen den Umfang der mit Basel II verbundenen Aufwände und Investitionen mit der Jahr-2000-Umstellung. In der Tat: Basel II greift einerseits tief in die Finanzvorsorge der Geldinstitute ein, und hat andererseits massive Auswirkungen auf die Kreditnehmer.
Fit for Rating?
Die „Neue Basler Eigenkapitalvereinbarung“, kurz Basel II, will dabei „Solidität und Sicherheit des Finanzsystems sowie Risiken umfassender und adäquater“ berücksichtigen. Damit wird die bisher gültige pauschale Risikogewichtung bei der Kreditvergabe durch einen differenzierten Prozess abgelöst. In die Unternehmensbewertung von SMBs – das so genannte Rating – fließen künftig nicht nur messbare Größen wie Cashflow sowie Kennzahlen für Rentabilität und Verschuldung ein, sondern ebenso Standortfaktoren, Unternehmensprozesse, Managementqualität, Mitarbeiterführung sowie Controlling und Risikomanagement. Banken müssen derzeit acht Prozent der Kreditsumme vorhalten, unabhängig von der Bonität des Kreditnehmers. Mit Basel II kann dieser Satz, je nach Bewertung des Kreditnehmers, höher oder niedriger liegen. SMBs, die nach den neuen Richtlinien bewertet werden, sind verunsichert, ob sie die Aufnahme von Krediten künftig teuer zu stehen kommt oder nicht.
Der Studie „Basel II und Sparkassen“ der Unternehmensberatung Kienbaum zufolge wollen beispielsweise 71 Prozent der Sparkassen ein Unternehmen mit guter Bonität begünstigen. Generell wollten rund 81 Prozent der Sparkassen das Kreditgeschäft mit dem Klein- und Mittelstand weiter vorantreiben. Eigenkapitalschwache SMBs werden dagegen künftig ihre Ausfallrisiken durch höhere Zinsen ausgleichen müssen. Allerdings haben laut „Mittelstandsmonitor 2003“ besonders deutsche Mittelständler „aus historischen Gründen eine relativ niedrige Eigenkapitalquote“. Im Zuge des Strukturwandels auf den Finanzmärkten und im Bankensektor muss deshalb der Mittelstand künftig seine Finanzierungsstrukturen grundlegend ändern. „Er wird um eine Verbesserung seiner Eigenkapitalausstattung nicht umhin kommen“, schlussfolgern die Autoren der Studie.
Das fordern auch die Managementberater von Haarmann Hemmelrath Management Consultants GmbH (HHMC) in einer Basel II-Studie über den bayerischen Mittelstand. SMBs müssten Basel II „proaktiv“ begegnen, indem sie sich einerseits transparenter gegenüber den Kreditgebern und Ratingagenturen darstellen und indem sie andererseits ihre Wirtschaftlichkeit und Eigenkapitalkraft stärken“, heißt es dort. Wirtschaftsprüfer von Pricewaterhouse Coopers (PwC) tadeln zudem das passive Verhalten der SMBs, von denen nur etwa 30 Prozent in den nächsten zwölf Monaten ein mögliches Rating aktiv angehen wollen. Dabei begreift PwC-Vorstandsmitglied Professor Norbert Winkeljohann die Bewertung als Chance für SMBs, ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand zu stellen, um so die Unternehmensführung zu verbessern.
Transparente Daten sichern Kredite
Ebenso wichtig für die Unternehmens-Bewertung sind transparente und aussagekräftige Daten über Auftragslage, Produkte, Produktplanungen sowie Auslastungen. Basel II-Experte Norbert Winkeljohann rät mittelständischen Firmen deshalb zu einem Bilanzabschluss nach den Internationalen Accounting Standards (IAS). So entstehe ein realistischeres Bild der Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage, weil auch Patente, Marken oder Entwicklungskosten in die Bilanzsumme mit einfließen. Je transparenter SMBs ihre Prozesse dabei mit Hilfe moderner Informationstechnologien, wie etwa Planungs- und Steuerungswerkzeugen oder Management Informationssystemen (MIS), abbilden, desto effizienter können sie über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg gestaltet beziehungsweise verbessert werden.
“Software kann den Ratingprozess unterstützen“, bestätigt Jan Offerhaus vom Beratungsunternehmen Haarmann Hemmelrath Management Consultants. „Allerdings müssen SMBs bei der Einführung eines Management Informationssystems (MIS) Kosten und Nutzen gegeneinander abwägen.“ Dies hänge unter anderem von der Größe und der Komplexität des jeweiligen Geschäftes ab, so Offerhaus weiter. Kleine und mittelständische Unternehmen haben einer CGEY-Studie („Mittelständler achten zu wenig auf Liquidität“) zufolge bereits positive Erfahrungen mit entsprechenden Systemen. Die meisten der von den CGEY-Beratern befragten mittelständischen Firmen verwenden ein MIS entweder als integralen Bestandteil der genutzten betrieblichen Standardsoftware oder als Zusatzmodul. 60 Prozent der Anwender waren zudem mit den Auswertungen und der Präsentation sehr zufrieden.
„Integrierte Software liefert fundierte Grundlagen für Managemententscheidungen und steigert die Effizienz der Prozessabläufe“, pflichtet Gerhard Schoch, Geschäftsführer des SAP Business Partners ORGA GmbH, bei. Dies senke ebenso Kosten wie der Betrieb der Systeme und Anwendungen durch einen IT-Dienstleister, so Schoch weiter, denn „beide Faktoren vermindern das Kostenrisiko und führen zu besseren Kreditkonditionen.“
Software minimiert Risiken
Den Firmen obliegt es künftig, Unternehmenskennzahlen transparent vorzuhalten und darzustellen, sowie ihre Daten jederzeit verfügbar zu archivieren, zu verwalten und zur Weiterverarbeitung nutzbar zu machen. Somit ist der komplexe Prozess der Unternehmensplanung und Optimierung der Prozesse auf eine effektive Softwareunterstützung angewiesen.
„Eine Investition in ein MIS wird sich nur dann rechnen, wenn es klar strukturiert aufgesetzt wird“, ist Berater Offerhaus überzeugt. „Dazu gehört auch, dass die Integration in die bereits bestehende IT-Landschaft klappt.” Laut CGEY-Studie planen daher 63 Prozent der Unternehmen, mittelfristig weitere Funktionen in das MIS einzubinden. Bereits für Firmen ab etwa 20 Mitarbeitern empfiehlt sich der Einsatz von leistungsstarken ERP-Lösungen wie SAP Business One. Laut ORGA-Geschäftsführer Schoch bietet die Lösung „ein breites Spektrum von integrierten betriebswirtschaftlichen Anwendungen. Sie kann schnell eingeführt werden und überdies kostengünstig als ASP-Lösung betrieben werden. Zudem sollten SMBs mit geschäftskritischen IT-Prozessen diese überprüfen und frühzeitig ein IT-Risikomanagement aufbauen, um sich Klarheit über mögliche individuelle Bedrohungsszenarien zu verschaffen. Frank Hendricks, Berater im Mittelstand und Leiter der CGEY-Studie, billigt zwar SMBs zu, “große Fortschritte im Berichtswesen“ zu machen. „Aber ein fehlendes Liquiditätsmanagement“, so gibt er zu bedenken, „kann in der aktuellen wirtschaftlichen Situation tödlich sein.“
Auch wenn die Einführung von Basel II erst Ende 2006 geplant ist, so können SMBs bereits heute die Grundsteine für ein positives Rating legen. Je eher mittelständische Firmen, ob Kreditinstitute oder Kreditnehmer, ihre IT-Infrastrukturen und ihre Software-Anwendungen mit den neuen Richtlinien in Gleichklang bringen, umso größer die Vorteile danach.
Weitere Informationen:
Allgemein: www.basel-ii.info, www.bundesbank.de/bank/bank_basel.php und www.bis.org, www.sap-si.com/de/company/look_at_sapsi/archive/3_2001/4_3_2001.doc
Messe: www.ebif.com/de (= European Banking & Insurance Fair; früher European Banking Technology Fair [= EBTF])
Studien: www.de.cgey.com, www.hhmc.de, www.kienbaum.de,
www.pwc.com/de
SAP: www.sap.com/germany/solutions/industry/banking/factsheets.asp und www.sap.com/germany/solutions/mittelstand/businessone/index.asp
