Der Mittelstand ist Basis und Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft: Über 3,2 Millionen Betriebe beschäftigen mehr als 20 Mio. Arbeitnehmer. Das sind rund 70 Prozent aller Arbeitsplätze in Deutschland. Dr. Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände, machte in seiner Eröffnungsansprache klar, dass ein Grossteil der Innovationen in mittelständischen Betrieben erfolge, doch gesetzliche und finanzielle Rahmenbedingungen die Kräfte des Mittelstandes zunehmend fesseln würden.
Auch Michael Kleinemeier, Geschäftsführer der SAP Deutschland AG &Co. KG, ging in seiner Keynote auf die Herausforderungen für mittelständische Unternehmen ein. 99 Prozent der Betriebe in Deutschland seien mittelständische Unternehmen, die sich mit der zunehmenden Beschleunigung von Produktentwicklung und Time-to-Market auseinandersetzen müssten. Gleichzeitig würden die Nachfrageschwankungen größer. Zur Optimierung dieser Prozesse würden deshalb effiziente ERP-Lösungen für mittelständische Unternehmen immer wichtiger. Doch vor der Einführung müsse sich der Betrieb im Klaren sein, welche Ziele erreicht werden sollen. Auch die Investitionssicherheit spiele eine immer größere Rolle. Kleinemeier zitierte eine Studie des Konradin-Verlages, wonach die SAP im Mittelstand einen Anteil von über 35 Prozent habe und damit auch in diesem Segment der marktführende Anbieter sei.
„Die ersten sechs Monate waren das beste erste Halbjahr seit Langem und wir liegen voll im Plan“, berichtete Martin Boll, Geschäftsführer der SAP-Tochter Steeb Anwendungssysteme GmbH. Das IT-Geschäft im Mittelstand ziehe wieder spürbar an. „Neben dem klassischen ERP, das noch immer das zentrale Thema ist, verspüren wir eine wachsende Nachfrage nach Business Intelligence, CRM und Portalen.“
Steeb, bisher überwiegend auf die verarbeitende Industrie ausgerichtet, erweitert seinen Branchenfokus: Auf Basis der Mittelstandslösung SAP Business One hat die SAP-Tochter eine Lösung für den Groß- und Einzelhandel entwickelt: Retail One. Günther Pache, Geschäftsleitung bei Steeb: „Retail One wird im nächsten Jahr auf den Markt kommen. Für unsere Lösung sehen wir großes Marktpotenzial.“
Bereits seit Frühjahr dieses Jahres vertreibt Steeb SAP Business One und konnte bisher über 30 Kunden gewinnen. Martin Boll: „Das System ist vor allem für kleinere Unternehmen oder Niederlassungen sehr gut geeignet.“ Das bestätigte sich auch im Praxisvortrag über das Projekt beim Textilhandelsunternehmen Weinmann GmbH, das SAP Business One mit Unterstützung von Steeb innerhalb von vier Tagen eingeführt hat. Grundlage für die schnelle Einführung war eine stringente Planung und vorbereitende Maßnahmen. So hatte Weinmann im Vorfeld sämtliche Geschäftsprozesse definiert. Durch die permanente Lagerbestandsstatistik, so Geschäftsführer Weinmann, könne das Unternehmen nun jederzeit abrufen, wie die Bestandssituation sei. Im nächsten Schritt plant das Unternehmen die direkte Anbindung der Kunden an das System.
Dr. Gerd Sieger von der Unternehmerberatung Boehm-Bezing, Sieger und Cie., berichtete in seiner Abschluss-Keynote über Erfahrungen mit der Einführung von SAP-Lösungen in der Unternehmenskrise. 45.000 Insolvenzen innerhalb eines Jahres würden zeigen, dass Unternehmenskrise ein aktuelles Thema sei. Zwar sei eine SAP-Lösung nicht die preiswerteste, aber die sicherste Lösung, so Dr. Gerd Sieger. Das System schaffe Ordnung im Unternehmen und setze Rationalisierungspotenziale frei. Ein weiteres Argument für SAP liege in der Kommunikation mit den Banken, so seine Erfahrung. Denn Banken würden SAP kennen, und Finanzzahlen aus SAP würden bei den Banken Vertrauen bilden. Zudem, so Dr. Sieger, unterstütze SAP den ganzheitlichen Handlungsansatz, der gerade mittelständische Unternehmen auszeichne.
Interview Martin Boll, Geschäftsführer Steeb Anwendungssysteme
Herr Boll, wie positioniert sich Steeb im ERP-Markt?
Wir haben uns auf bestimmte Branchensegmente fokussiert, das sind die Bereiche produzierendes Gewerbe, Handel und Dienstleistungen. Dort decken wir den Umsatzbereich von etwa 30 Mio. bis 130 Mio. Euro Umsatz ab.
Wo sehen Sie die Stärken von Steeb?
Wir haben zurzeit über 200 Mitarbeiter, die teilweise seit Jahren feste Ansprechpartner für unsere Kundschaft sind. Wir denken, dass wir gerade auf dem Wege über die Bestandskunden, die häufig auch als Referenzkunden fungieren, schneller Fuß fassen als andere.
Welche speziellen Anforderungen werden aus mittelständischen Unternehmen an Sie herangetragen?
Die Unternehmen wollen Investitionssicherheit und ein System mit umfassender Funktionalität. Zudem bieten SAP-Lösungen die Sicherheit, dass Anforderungen, die in ein, zwei Jahren aufkommen, mit abgedeckt sind.
Ist es für mittelständische Unternehmen von Bedeutung, dass sie in Steeb einen Partner auf Augenhöhe haben?
Das ist ganz wichtig. Mittelständische Unternehmen wollen einen Partner auf Augenhöhe haben. Größe allein ist in diesem Fall nicht unbedingt von Vorteil.
Wie gestaltet sich Ihre Rolle im SAP-Umfeld?
Wie bereits gesagt, konzentrieren wir uns auf Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis 130 Mio. Euro. Für SAP haben wir im Mittelstand eine gewisse Vorreiterrolle. Bei Neuentwicklungen dienen wir beispielsweise als Input-Geber.
Wie zum Beispiel bei der Branchenlösung Retail One?
Wir sind gemeinsam mit einem Auftraggeber, einer Einzelhandels-Organisation, auf die Idee gekommen, aus der Mittelstandslösung SAP Business One eine spezielle Branchenlösung zu entwickeln. SAP selbst wäre an einen solchen Kunden wahrscheinlich nicht heran gekommen.
Die Lösung fokussiert sich auf den filialisierten Einzelhandel?
Das ist eine komplette Neuentwicklung für die Warenwirtschaft eines Retailers. Da gibt es spezielle Abläufe, die sich vom Großhandel unterscheiden, egal ob das die Warenbewirtschaftung, die Anbindung an das Kassensystem, Variantenthematik oder eine saisonale Schwankung ist. Die riesige Anzahl an variantenreichen Artikeln bedingt, dass die Daten in der Konzernzentrale verwaltet werden. Das kann der Händler vor Ort nicht.
Wie läuft dieses Zusammenspiel ab?
Die Einzelhandels-Organisation zum Beispiel hat SAP R/3 als Backbone im Einsatz. Von dort werden die Stammdaten mit Preisen direkt an den Händler übermittelt. Der Warenverkehr in beide Richtungen wird vom zentralen R/3 System mit Hilfe einer Portallösung und des dezentralen Retail-Systems gesteuert.
Wie ist die Nachfrage nach der Mittelstandslösung Business One bei Steeb?
Im Vergleich zum ERP-Markt, wo wir selber die Kunden ansprechen, agieren wir bei Business One selbst eher passiv, haben aber dennoch bereits über 30 Kunden gewonnen. Wenn unser Partnernetzwerk entsprechend aufgestellt ist, rechnen wir mit sehr starker Nachfrage.
Wie schätzen Sie die Entwicklung im ERP Markt ein?
Für uns positiv. Das starke Interesse auch an unserem Forum zeigt, dass die Nachfrage steigt. Wir haben wachsende Umsätze zu verzeichnen und spüren verstärkt, dass neue Themen wie CRM, Business Warehouse oder Portale für den Mittelstand interessant werden. Ich bin sehr optimistisch für die nähere Zukunft.
