Vor kurzem gaben SAP und der schwedische Datenbankspezialist MySQL AB eine Technologiepartnerschaft bekannt, die in der Fachwelt für einiges Aufsehen sorgte: SAP und MySQL werden künftig gemeinsam an einer Open-Source-Datenbank arbeiten. Die Vision: Die Vorteile beider Datenbanktechnologien sollen in eine gemeinsame Datenbank der nächsten Generation fließen. Ein erster Schritt hierzu war, die Open-Source-Datenbank SAP DB in MaxDB umzutaufen und künftig von beiden Partnern vertreiben zu lassen. Während SAP nun MaxDB im Verbund mit NetWeaver und eigenen Lösungen anbietet, stellt MySQL die Datenbank als eigenständiges Produkt zur Verfügung.
In der SAP DB-Community führte diese Ankündigung zu einiger Verunsicherung. Anwender, die das Open-Source-Produkt mit ihren anderen SAP-Lösungen einsetzen, sorgen sich um die Zukunft der Datenbank und gaben diesen Bedenken über Mailing-Listen rege Ausdruck. Viele fragten sich, ob diese Partnerschaft das Ende von SAP DB bedeute, oder ob SAP sich damit aus der Open-Source-Community zurückziehen wolle. Vor allem die Frage, wie es um die weitere Entwicklung der SAP DB bestellt ist, hätte schließlich weit reichende Folgen für alle Anwender: Die Migration von einem Datenbanksystem auf ein anderes ist aufwändig und – vor allem für Open-Source-Benutzer – meist auch mit deutlich steigenden Betriebskosten verbunden. Denn in der Welt quelloffener Datenbank-Software gibt es derzeit kein Produkt, das SAP DB technologisch ersetzen könnte.
SAP DB wird unter neuem Namen weiterentwickelt
Diese Befürchtungen sind jedoch unbegründet, wie Jörg Hoffmeister, Development Manager Platforms & Support der SAP Entwicklung in Berlin, und Patrik Backman, Partner Manager von MySQL, erläutern. Weder werde SAP der Open-Source-Welt den Rücken kehren, noch sei die SAP DB nun am Endpunkt ihrer Entwicklung angelangt. Laut Hoffmeister liegen die Gründe für die Zusammenarbeit mit MySQL in der Natur des Datenbankmarkts: “Relationale Datenbanken sind heute Commodity-Produkte. Als wir vor rund drei Jahren die SAP DB in die Open-Source-Community gaben, war der Markt bereits sehr schwierig. Neben Oracle, IBMs DB/2 und Microsofts SQL Server noch ein weiteres Produkt zu etablieren, wäre kaum möglich gewesen – zumal SAP ja auch kein Datenbankanbieter ist und es auch nicht werden will.” Deswegen habe die SAP DB anfangs auch nur wenig Aufmerksamkeit gefunden, der Bekanntheitsgrad blieb hinter den Erwartungen zurück. “Durch die Entscheidung, unsere Datenbank als Open Source anzubieten, wollten wir vor allem mehr User für unser Produkt begeistern”, erinnert sich der SAP-Manager. Wegen des geringen Bekanntheitsgrads sei es vorher besonders außerhalb Europas schwer gewesen, erfahrenes Support-Personal dafür zu finden – doch gerade bei einem Produkt im Enterprise-Umfeld ist eine kompetente Anwenderunterstützung unerlässlich.
So konnte sich die SAP DB aus ihrem Nischendasein befreien und findet heute eine breite Akzeptanz bei den Anwendern. Rund 1 200 Interessierte haben laut Hoffmeister die Mailingliste zur SAP DB der Website sapdb.org abonniert. Bei etwa 3,5 Prozent – ungefähr 2 500 – aller SAP-Installationen kommt auch diese Datenbank zum Einsatz. “Das ist uns zwar immer noch zu wenig, entspricht aber schon ungefähr der Anzahl der SAP-Installationen, die zum Beispiel mit DB2 auf Unix arbeiten”, sagt Hoffmeister.
Stärkere Verbreitung durch erfahrenen Partner
Nach diesem Anfangserfolg stellte sich für SAP und für die SAP DB-Comunity jedoch die Frage, wie es mit der Entwicklung weitergehen solle. Um hier mehr Dynamik zu erreichen, war aus Hoffmeisters Sicht ein Partner notwendig, der zum einen den Open-Source-Markt gut kennt und sich zum anderen als Datenbankhersteller begreift: “Da lag MySQL nahe: Das Unternehmen kann auf eine sehr breite installierte Basis der MySQL-Datenbank blicken, hat interessante Lizenzmodelle entwickelt und bietet selbst eine ausgezeichnete Technologie an.”
Dabei stehen SAP DB und MySQL nicht in direkter Konkurrenz, beide Datenbanken haben unterschiedliche Stärken und ergänzen sich. Während MySQL vor allem im Umfeld von Web Content Management mit einer großen Anzahl von Lesezugriffen eingesetzt wird, hat SAP DB Eigenschaften, die beim Betrieb von Unternehmens-Lösungen erforderlich sind. Hier zeichnet sich das Benutzungsprofil durch eine große Anzahl von Anwendungen aus, die häufig Änderungen in einen Datenbestand einbringen. Ähnlich beurteilt auch MySQL-Manager Backman die Situation. “Mit der Zusammenarbeit mit SAP wollen wir Kunden ansprechen, die Merkmale benötigen, die in unserer Datenbank nicht implementiert sind.” Speziell habe MySQL dabei das ERP-Umfeld (Enterprise Resource Planning) im Auge. Zurzeit sei MySQL vor allem im Bereich der Internet-Datenbanken beheimatet. “Wir wollen im Enterprise-Geschäft ein Commodity-Produkt anbieten”, erläutert Backman das Ziel. Der MySQL-Datenbank fehlen hier einige Merkmale, die SAP DB mitbringt.
Im ersten Schritt der Partnerschaft gab SAP die Vertriebsrechte für SAP DB an die schwedischen Datenbankspezialisten weiter. In diesem Zusammenhang wurde der Produktname geändert: Alle künftigen Releases heißen nun MaxDB. Doch sonst bleibt technologisch erst einmal alles beim Alten, wie Hoffmeister versichert: “Die aktuelle Version ist SAP DB 7.4. Noch in diesem Jahr wird das neue Release 7.5 erscheinen, das dann eben MaxDB 7.5 heißt. Das ist keine völlig neue Datenbank, sondern die konsequente Weiterentwicklung der SAP DB. Wir haben zum Beispiel einige Sicherheitsmerkmale verbessert. Wer also SAP DB 7.3 oder 7.4 benutzt, macht beim Wechsel auf MaxDB 7.5 ein ganz normales Update.”
Mehr Support durch MySQL
Die wichtigste Neuerung liegt auf ganz anderer Ebene: Wer bislang SAP DB außerhalb der SAP-Anwendungen verwendete, war bei Problemen im Wesentlichen auf die Hilfe der Community angewiesen. Künftig steht durch die Partnerschaft auch hier ein professionelles Support-Angebot bereit. “Wie gehabt ist der Support für alle MaxDB-Installationen innerhalb der SAP-Anwendungen durch die SAP-Wartungverträge abgedeckt”, erläutert Hoffmeister. Backman ergänzt: “Benutzer, die MaxDB alleine einsetzen, finden nun aber ebenso professionelle Dienstleistungen bei MySQL, wie wir sie auch für die MySQL-Datenbank anbieten.” Somit ändert sich für SAP-Kunden durch die Partnerschaft nur der Name der Datenbank, während alle anderen Anwender nun ein breiteres Support-Angebot wahrnehmen können.
Auch bezüglich der weiteren Pläne werden laut den beiden Managern keine Schritte getan, die die SAP- und MaxDB-Anwender zu einer Migration zwingen. “Wir werden die Codebasis wie gewohnt als evolutionäre Entwicklung vorantreiben”, so Hoffmeister. “Das ist nicht nur im Interesse unserer Kunden, sondern auch für SAP selbst wichtig. Schließlich ist SAP DB integraler Bestandteil einiger SAP-Komponenten wie zum Beispiel dem liveCache, dem Content Server oder dem neuen J2EE Server.” Auch im internen Betrieb wird SAP weiter stark auf MaxDB setzen. Backman präzisiert: “Wir haben noch zwei getrennte Entwicklungspfade bei MySQL und bei MaxDB. Der größte Teil der MaxDB-Entwicklung liegt nach wie vor bei SAP.” Für alle Anwender der SAP DB lautet Backmans Rat: “Wer heute SAP DB einsetzt, sollte sich nicht beirren lassen und weiter seiner eigenen Roadmap folgen.”
Langfristige Pläne
Für die zu Beginn der Partnerschaft angekündigte Datenbank der nächsten Generation, die dann als komplett neues Produkt die Vorteile der MySQL- und SAP-Datenbank vereinen soll, sieht Hoffmeister einen Zeitrahmen von mindestens drei bis fünf Jahren. “Das geht nicht über Nacht, eine Datenbank im Enterprise-Bereich ist ein hoch komplexes Produkt.” Zunächst stecken beide Partner ihre Energie vor allem in die bessere Zusammenarbeit zwischen MaxDB und MySQL. “Aktuell arbeiten wir zum Beispiel an einem MySQL-Proxy, mit dem MySQL-Anwendungen auf MaxDB ausgeführt werden können.”
Backman gibt zu bedenken, dass die Kooperation schließlich erst vor kurzem begonnen habe und nun zunächst auf Management-Ebene zusammengearbeitet werde. “Eine gemeinsame Entwicklungs-Abteilung ist nicht geplant. Natürlich soll die Zusammenarbeit immer enger werden, aber wir müssen zunächst viel voneinander lernen.” Jetzt gehe es vor allem darum, Schnittstellen zwischen beiden Datenbankwelten zu schaffen. Wie Hoffmeister setzt auch Backman auf das Zusammenspiel beider Datenbanktechnologien. Neben dem MySQL-Proxy, über den ein MySQL-Client auf MaxDB zugreifen kann, befindet sich laut Backman auch ein Replikationsdienst in der Pipeline, mit dem Replikationen zwischen MySQL und MaxDB möglich sind. Dieser soll im Lauf des nächsten Jahres bereitstehen.
So liegt die Aufgabe von MySQL nun vor allem darin, die Open-Source-Datenbank in die eigene Lizenz- und Support-Struktur zu integrieren. Hier hat MySQL bereits seit Jahren das so genannte “Dual Licencing” eingeführt. Mit diesem Modell stehen die MySQL-Produkte unter zwei verschiedenen Lizenzen zur Verfügung: Wie bei Open-Source üblich, können Code und kompilierte Binaries einfach aus dem Internet heruntergeladen und ohne Lizenzgebühren benutzt werden. Hierbei unterliegt die Software der GNU General Public Licence (GPL), bei der jeder den Code frei ändern darf. An die GNU GPL ist aber die Klausel gebunden, dass jede Entwicklung, die auf einem GNU GPL-Produkt basiert, auch wieder unter dieser Lizenz zur Verfügung stehen muss. Unternehmen, die mit MySQL eigene Anwendungen entwickeln und vertreiben wollen, können deswegen auch eine kommerzielle Lizenz der MySQL-Produkte erwerben. Diese unterliegt nicht der GNU GPL, der Code eigener Entwicklungen muss nicht offen gelegt werden. Beide Lizenzmodelle – sowohl GNU GPL als auch die kommerzielle Lizenz – wird MySQL laut Backman auch für MaxDB beibehalten. Allen MaxDB-Kunden, die ihre Datenbank außerhalb der SAP-Welt einsetzen, bietet MySQL damit auch seine Support-Dienste an.
Von den umfangreicheren Support-Angeboten und den ausdifferenzierten Lizenzmodellen profitieren vor allem die professionellen Anwender. So deutet alles darauf hin, dass durch die Partnerschaft zwischen SAP und MySQL die Welt der Open-Source-Datenbanken gestärkt wird. Und genau diesen Produkten prophezeien die Marktforscher der Giga Information Group eine spannende Zukunft: “Open-Source-Datenbankmanagement-Systeme werden verstärkt angenommen”, lautet eine Aussage des Papiers “IT Trend 2003: Database Management Systems” von Giga.
