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Naturmedizinhersteller Pascoe produziert und kontrolliert mit SAP-Branchenlösung

Feature

Die Gesundheit des Menschen ist das Anliegen von Pascoe – und zwar mit rein pflanzlichen Präparaten als Alternative zu herkömmlichen, chemisch-synthetisch erzeugten Medikamenten. Pascoe gehört als Naturmedizinhersteller zu den pharmazeutischen Betrieben und unterliegt daher den entsprechenden Branchenvorschriften wie dem Arzneimittelgesetz und den Richtlinien zur Validierung computergestützter Systeme. Das bedeutet, dass das Unternehmen die Naturarzneimittel nach strengen Vorgaben produziert und kontrolliert. Die EDV spielt dabei eine grundlegende Rolle: Zum einen, um sämtliche Dokumente – sei es aus der Produktion, aus der Qualitätssicherung oder aus dem betriebswirtschaftlichen Bereich – elektronisch aus dem System heraus zu erzeugen, zum anderen, um sie elektronisch zu verwalten und bei Bedarf jederzeit griffbereit zu haben. Sprich: Transparenz in den Geschäftsprozessen ist notwendig.
Dass hier Handlungsbedarf bestand, zu diesem Schluss kam das Beratungsunternehmen, das Pascoe Mitte 2001 ins Haus holte: Die EDV sei überaltert und vielen zukünftigen Anforderungen nicht mehr gewachsen, so das Urteil der Berater.

Wirkstoffgehalt steuert Rezeptur

Die Entscheidung fiel für ein komplett neues EDV-System – und zwar auf die mySAP-All-in-One-Lösung der command ag. „Die Präsentation der SAP-Branchenlösung Pharmasprint war überzeugend – alle unsere Anforderungen konnten bereits im Standard abgedeckt werden“, so Burkhard Runtsch, Leiter der IT bei Pascoe.
Wichtig war dabei unter anderem die Wirkstoffabwicklung im Pharmabereich. Diese ist in der Regel recht aufwändig: Entscheidend für eine heilende Wirkung ist der Wirkstoff, der in exakt der ausgewiesenen Menge in einer Arznei enthalten sein muss. Die pflanzlichen Ausgangsmaterialien unterliegen aber natürlichen Schwankungen im Wirkstoffgehalt. Über den im Extrakt enthaltenen Wirkstoff steuert das System jetzt automatisch die Menge, die an neutraler Ausgleichskomponente zugesetzt werden muss, das heißt, der tatsächliche Wirkstoffgehalt des Rohstoffs wird der jeweiligen Rezeptur zu Grunde gelegt. „Das bedeutet eine große Zeitersparnis. Früher mussten die Produktionsleiter hier jedes Mal den Taschenrechner zücken“, erinnert sich Ralph Guschel, Leiter Controlling/Materialwirtschaft bei Pascoe.

Projektbegleitend validiert

Nicht unerheblich für die Software-Entscheidung war eine weitere Besonderheit der Branche: Die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Validierung der von der Software unterstützten Prozesse konnte command gleich mit abdecken – ohne externe Partner. Burkhard Runtsch: „Dank des command-Konzepts der projektbegleitenden Validierung gab es hier überhaupt keine Probleme. command hat den Leitfaden geliefert und uns gesagt, was wir beachten müssen. Daraufhin konnten wir die erforderlichen Dokumente entsprechend bereitstellen.“ Somit war die Validierungs-Dokumentation bereits zum Echtstart vollständig vorhanden – und sie bleibt ständig auf dem Laufenden: Das so genannte Change Management protokolliert jede Änderung im System, sowie von wem und wann sie durchgeführt wurde. Alle Änderungen sind also jederzeit nachvollziehbar. „Für diesen Herbst hat sich schon ein Auditor des Regierungspräsidiums für eine Prüfung angekündigt. Wir sehen da mit Pharmasprint keinerlei Probleme“, so Burkhard Runtsch. Schließlich wird SAP grundsätzlich bereits als validierbare Lösung anerkannt: Dazu trägt das Drei-Stufen-System mit separatem Entwicklungs-, Qualitätssicherungs- und Produktivsystem sowie dem integrierten Änderungswesen bei.
Aufgrund des Branchen-Know-hows von command konnte das Projektteam die erste Stufe der Einführung in nur knapp neun Monaten abwickeln. Dabei lag der Fokus auf den Basisfunktionen Finanzwesen/Controlling, Materialwirtschaft, Vertrieb, Produktionsplanung und Qualitätsmanagement. Echtstart war hier im November 2002.

Produktion und Qualitätssicherung gehen Hand in Hand

Mit der integrierten Lösung funktioniert die EDV-technische Kommunikation zwischen den einzelnen Abteilungen reibungslos. Zum Beispiel das Freigabeprozedere zwischen Produktion und Qualitätssicherung: Beim Eingang neuer Ware erzeugt Pharmasprint im Qualitätsmanagement-System automatisch ein Prüflos. Die Qualitätssicherung nimmt daraufhin eine Probe, und die Rohstoffe kommen ins Qualitätssicherungslager. Sobald die Freigabe erfolgt ist, kommt die Ware in den frei verwendbaren Bestand und kann für die Produktion verwendet werden.
Die fertig produzierten Arzneimittel sind ebenfalls so lange gesperrt, bis der Kontrollleiter sie geprüft und zum Versand freigegeben hat. Nach der Freigabe im System werden die Arzneimittel mit Barcode-Etiketten versehen, die Informationen zu Artikel, Charge, Produktionsdatum etc. enthalten, auf Lkws verladen und direkt in das Lager des Vertriebspartners von Pascoe nach Hannover gebracht. In der Software wird der Warentransport über eine Umlagerungsbestellung verbucht. Daraufhin erhält die Spedition ein Lieferavis. Der Logistikdienstleister ist direkt an SAP angebunden: Über eine Schnittstelle übergibt das System zunächst die Lieferauftragsdaten nach Hannover. Beim Eintreffen der Lieferung scannt der Lagerarbeiter die Etiketten an den Paletten ein und verbucht damit die Ware als Lagereingang. Umgekehrt werden die an den Großhandel ausgelieferten Chargen an Pharmasprint rückgemeldet und entsprechend aus dem Bestand ausgebucht.

Gut geplant ist halb produziert

Bis die Ware produziert, von der Qualitätskontrolle freigegeben, nach Hannover transportiert, kommissioniert ist und damit an den Besteller versendet werden kann, vergehen drei bis vier Tage. Eine entsprechende Vorlaufzeit muss also in der Produktionsplanung berücksichtigt werden. Heute wird die Grobplanung über das ganze Jahr wie auch die Feinplanung für die Produktion im System erstellt. Bei der Jahresplanung liegt eine bestandsbezogene Fertigung zugrunde, die saisonale Spitzen berücksichtigt. Beispielsweise kommen Mittel gegen Allergien verstärkt im Frühjahr und Erkältungsmittel im Herbst zum Einsatz. Der Produktmanager hinterlegt die Planung im Controlling-Modul von SAP. Diese wird dann heruntergebrochen auf jeweils einen Monat. Die Produktionsfeinplanung bezieht den Lagerbestand mit ein: Die Dispositionslisten weisen Mengenreichweiten aus, das heißt, das System ermittelt, bis wann noch ausreichend Fertigprodukte vorhanden sind. Anschließend wird zu dem entsprechenden Datum ein Produktionsauftrag hinterlegt. Der Herstellungsleiter legt anhand der Produktionsvorschläge des Systems den täglichen Produktionsplan fest. Die anschließenden Auswertungen beziehen sich auf die tatsächlich verbrauchten Mengen und ermöglichen daher eine exakte Produktkalkulation und eine genaue strategische Planung.

Prozessoptimierung inklusive

Da Pascoe bei der Einführung von Pharmasprint auch die Prozesse optimiert hat, entstand eine neue Abteilung Materialwirtschaft. Diese kümmert sich jetzt sowohl um die Stammdatenpflege als auch um den zentralen Einkauf sämtlichen Materials. Daraus ergeben sich gleich mehrere Vorteile: Die Leiter der einzelnen Abteilungen sind von der Beschaffung entlastet, da die Mitarbeiter der Materialwirtschaft die Bestellungen für sämtliche Bereiche zentral abwickeln. Darüber hinaus wacht das System jetzt über einen Mindestbestand, der, falls unterschritten, mittels einer automatischen Bestellanforderung wieder aufgefüllt wird. Durch die Umstrukturierung und die Bündelung der Einkaufsaktivitäten konnte so auch Zeit eingespart werden. Außerdem ist eine größere Transparenz entstanden: Der Produktmanager weiß beispielsweise auf Knopfdruck, wie viel Stück eines Produktinformationsfolders tatsächlich noch auf Lager sind und kann für eine Aktion entsprechend disponieren – der Gang ins Lager und ein Nachzählen entfällt. Damit bleibt den einzelnen Mitarbeitern mehr Zeit für ihre Kernaufgaben.
Zudem besteht heute ein ganz anderer Verhandlungsspielraum, da der Sachbearbeiter je Material nur einen Einkaufspreis für alle Abteilungen aushandeln kann. „Insgesamt haben wir im Zuge der SAP-Einführung somit eine größere Klarheit in unsere Abläufe und die Organisationsstruktur bekommen“, bemerkt Ralph Guschel.
Stichwort Transparenz: Bei Lieferantengesprächen kommt bereits ein im System geführtes Einkaufs-Infoblatt zum Einsatz, auf dem sämtliche Daten zu einem Lieferanten wie gelieferte Produkte, Einhaltung von Terminen und Preisentwicklung festgehalten sind und per Knopfdruck zur Verfügung stehen. Das zeitaufwändige Auswerten aller Lieferscheine entfällt. Weitere Projekte sind geplant, um alle Prozesse durchgängig transparent zu machen: Etwa das komplett elektronische Herstellprotokoll, mit Waagenanbindung, Freigabe per elektronischer Unterschrift und anschließender Archivierung.

Karin Wiemer
Karin Wiemer