Viele Unternehmen haben in der Vergangenheit in CRM-Systeme investiert, um ihre Kundenbindung zu steigern und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Wie aber deren Nutzen zu messen ist, darüber herrschen unklare Vorstellungen. Die Wirtschaftlichkeit der CRM-Investitionen stand im Mittelpunkt der Erhebungen, die Cambridge Technology Partners in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik der Universität Erlangen in Versicherungsunternehmen durchgeführt hat. Die Ergebnisse liefern ein uneinheitliches Bild. Auch wenn einige Unternehmen mit dem Erreichten generell zufrieden sind, stellen andere nach der Einführung von CRM-Lösungen rückblickend fest, dass
- im CRM-Bereich keine Kennzahlen definiert wurden, anhand derer überhaupt die Zielerreichung zu messen wäre
- ein unklares Bild über den tatsächlich erreichten Nutzen durch die CRM-Anwendung im Unternehmen herrscht
- die Mitarbeiter mit der Anwendung nicht richtig umzugehen verstehen und somit die wirtschaftlichen Effekte unbefriedigend bleiben
- die entwickelte Individualsoftware hohe Folgekosten verursacht
- weitere Investitionen notwendig sind, um die Ziele zu erreichen
Ziel Nummer eins: Kundenbindung steigern

Die in der Studie untersuchten Versicherungsunternehmen beabsichtigten mit ihren CRM-Investitionen vorrangig, die Kundenbindung zu steigern und das bestehende Kundengeschäft zu erhöhen. Weiter gaben sie als Ziele an, Kosten im Service zu senken sowie die Qualität der Kunden- und Partnerdaten zu verbessern. Die Schwerpunkte dieser CRM-Projekte lagen auf den Bereichen Service-Center, Internet/ E-Commerce und Kundenselektion. Andere CRM-Themen, zum Beispiel Beschwerdemanagement oder Außendienstsysteme, wurden zwar als wichtig eingestuft, jedoch nur mit geringerer Priorität vorangetrieben.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Unternehmen den Nutzen von CRM häufig gar nicht oder nur teilweise messen. Damit verspielen sie nicht nur die Chance, den tatsächlichen Wert der CRM-Investition zu erkennen, sondern auch die Möglichkeit, Schwachstellen zu identifizieren und zu beheben. Darüber hinaus bleibt der Nutzengewinn aufgrund technischer Versäumnisse aus. Denn obwohl viele Unternehmen bereits umfangreich in technische Komponenten investiert haben, unterlassen sie es meist, die CRM-Lösungen in ihre bestehende Systemlandschaft zu integrieren. Zudem zeigt sich, dass die Mitarbeiter die Systeme nicht oder nur teilweise akzeptieren.
Bei den durchgeführten Projekten im Bereich Service-Center hatten alle befragten Unternehmen vorrangig das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit und die Kundenbindung zu steigern. Diese Erwartung hat sich aber nicht erfüllt: Kein Unternehmen bestätigt nach Projektabschluss, dass eine solche Steigerung durch die eingeführten Kundendienst-Center erreicht werden konnte. Trotzdem planen alle befragten Versicherungen weiterhin Investitionen in CRM. Wurden in der Vergangenheit in vielen CRM-Bereichen, insbesondere im Bereich Service-Center, Individualentwicklungen bevorzugt, so geht der Trend auf diesem Gebiet nun zur Standardsoftware.
Veraltete Kennzahlen

Auf Grund der Ergebnisse empfiehlt die Studie, neue Modelle zur Berechnung des Return on Investment (ROI) bei CRM-Systemen aufzustellen. Die Voraussetzung für die richtige Nutzenmessung ist zunächst, die Wirkungszusammenhänge zu verstehen. Erfolgsfaktoren für eine Nutzenmessung und eine Balanced Scorecard können dabei den Ausgangspunkt bilden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Akzeptanz der Mitarbeiter. Es genügt nicht, das System in einigen Schulungen zu erklären. Bereits in der Konzeptionsphase sollten Mitarbeiter einbezogen werden. Ein professionelles Change Management hilft, die Einführung von CRM in einem Unternehmen aktiv zu gestalten und erfolgreich umzusetzen.
Gebräuchliche finanzmathematische Berechnungen des ROI erweisen sich als zu ungenau. Die in diesem Zusammenhang angewandten Kennzahlen der Investitionsrechnung stammen aus dem Industriezeitalter. Sie beziehen sich auf die Bewertung von Produktionsanlagen und errechnen den Wertzuwachs über die in einer Anlage gefertigten Produktionsmengen. Es gelten bis heute fast ausschließlich Kriterien, die sich an Kosten orientieren; Methoden und Instrumente zur Quantifizierung des wirklichen Nutzens sind dagegen so gut wie nicht vorhanden.
Lernrate und Kundenwert einbeziehen
Die Studie empfiehlt, in den Nutzenmessungen die Lernrate einzubeziehen und den so genannten Kundenwert (Customer Lifetime Value – CLTV) zu erheben. Das Ergebnis ist ein ROI-Berechnungsmodell, das, auf die Erfordernisse von Versicherungen zugeschnitten, eine Grundlage für eine branchenbezogene Bewertung von CRM-Investitionen bildet. Als wesentlicher Faktor wird dabei eine so genannte Lernrate beziehungsweise Erfahrungskurve einbezogen. Sie zeigt auf, wie sich der Lernerfolg auf die Erledigung der Arbeitsprozesse auswirkt. Empirische Studien weisen in der Regel Lernraten zwischen 15 und 30 Prozent nach. Die Mitarbeiter erledigen also nach Ablauf der Lernphase ihre Aufgaben am System um den entsprechenden Prozentsatz schneller als zu Beginn, als sie noch nicht mit der Software vertraut waren.
Anhand eines Kalkulationsmodells werden bisher nicht in die Nutzenmessung einbezogene Kriterien aufgezeigt und deren Einfluss auf die Berechnung des ROI verdeutlicht. Das Modell geht – der Einfachheit halber – von folgenden Annahmen aus:
- Die Umsätze steigen im Zeitablauf.
- Die Kosten sinken zunächst stärker, später mit abnehmender Tendenz.
- Das Kapital für die Investition wird einmalig aufgebracht.
- Die Lernrate beträgt 20 Prozent.
Berechnungsmodell zeigt Einsparungen
Soll zum Beispiel der Nutzen eines CRM-Systems im Verhältnis zur erzielten Umsatzsteigerung gemessen werden, so empfiehlt es sich, die Kriterien Kundenselektion, Kundenbindung und Kundengewinnung einzubeziehen. Die Kundenselektion wirkt sich als durchschnittliche Einnahmeerhöhung je Bestandskunde aus. Die Kundenbindung zeigt sich an Mehreinnahmen je Kunde und Vertrag und die Kundengewinnung an den in einer Periode geworbenen Neukunden.
In der modellhaften Auswertung lässt sich nachweisen, dass in der ersten Jahresperiode nach Produktivsetzung des CRM-Systems noch kein Gewinn durch Umsatzsteigerung zu erzielen war. Die Auswirkungen des CRM-Systems zeigen sich noch nicht, zumal am Anfang auftretende innerbetriebliche Integrationsprobleme den Nutzen schmälern. Ab der zweiten Periode ist ein wachsender Gewinn durch Umsatzsteigerung zu verzeichnen. Er wird anfangs vor allem durch Neukundengewinnung erzielt, hat später aber seine Ursache in hohen Kundenbindungs- und Kundenselektionseffekten.

Die Analyse der Effekte macht deutlich: In den ersten Perioden nach CRM-Einführung sind vor allem Kosteneinsparungen durch Umgestaltung der Unternehmensprozesse zu verzeichnen; Umsatzsteigerungen treten langfristig ein. Der Gewinn durch Kostensenkung übertrifft also zunächst den durch Umsatzszuwachs erzielten Gewinn, erst in Periode fünf wechseln die Positionen.

Spielräume für Kostensenkungen ergeben sich vor allem in den Phasen Kontaktaufnahme und Service. Durch ein CRM-System können hier die Prozesse extrem verschlankt werden. So lassen sich beispielsweise Akquisitionskosten verringern, wenn das CRM-System die Personen mit starkem Interesse an Versicherungsprodukten aus der Kundendatei ausfiltert. Die anfänglich hohen Kosteneinsparungen gehen langfristig zurück. Weitere Einsparpotenziale ergeben sich durch Lernkurveneffekte.
Für die Kosteneinsparungen pro Periode wurde angenommen, dass die Lernkurve im Zeitablauf degressiv fällt. In den ersten Perioden sind hohe Einspareffekte möglich, da die Mitarbeiter ihre Arbeitsgeschwindigkeit stark verbessern können. So ist bei erstmaliger Anwendung von Datenselektionsmasken, um Kunden oder Interessenten automatisch vom System suchen zu lassen, im Gegensatz zu vorheriger manueller Selektion viel Zeit zu sparen. Je öfter ein Mitarbeiter mit dem System umgeht, desto besser kommt er damit zurecht, und der Nutzen durch Lernen ist weiterhin hoch. In der letzten Erhebungsperiode wird angenommen, dass der Mitarbeiter das System optimal nutzt und der Nutzen nur noch gering zu steigern ist.
Positive Nutzeneffekte von Anfang an
Um das Rechenmodell zu vereinfachen, wurde das investierte Kapital im Zeitablauf als konstant angesetzt. Es fließt in die Berechnungen also nur eine einmalige Anfangsinvestition ein. Diese Vereinfachung bringt zum Ausdruck, welche Kostenkategorien stärker ins Gewicht fallen als andere. So sind die Implementierungskosten eigentlich bei allen CRM-Einführungen sehr hoch, da die Integration in die ERP-Systeme erfolgen muss und Mitarbeiterschulungen durchzuführen sind. Aber auch die indirekten Kosten, hier besonders die Kosten für die Endanwender (End-User-Operations), können hoch ausfallen. Ist das System beispielsweise sehr komplex, wird es für die Mitarbeiter unumgänglich, während des Arbeitens am System noch zu lernen. Dadurch ist es ihnen nicht möglich, ihre Arbeitszeit vollständig für ihre Aufgaben im Sinne der Kundenpflege zu verwenden.

Setzt man nun den Gewinn durch das CRM-System – bestehend aus Gewinn durch Umsatzsteigerung, Kostensenkung in den Prozessen und mittels Lernkurveneffekten – in Beziehung zum investierten Kapital, erhält man den Return on Investment der CRM-Investition. Die Modellrechnungen im Zeitverlauf weisen anfangs nur eine geringe, dann eine zunehmend stärkere Steigerung nach, um schließlich ab einem Umkehrpunkt wieder leicht zu sinken.

An bisherigen Wirtschaftlichkeitsberechnungen von CRM-Projekten ist zu bemängeln, dass sie in den ersten Jahren keinen Return on Investment ausweisen, obwohl positive Nutzeneffekte eingetreten sind. Die Beispielrechnung zeigt dagegen auf, wie bereits in der ersten Periode ein Gewinn erzielt wird. Der ROI liegt hier jedoch noch im negativen Bereich. In Periode vier übersteigen die kumulierten Gewinne das investierte Kapital, und es wird ein positiver ROI erreicht, so dass sich bereits hier die CRM-Investition – gemessen in Umsatzsteigerung und Kostensenkung – gelohnt hat. Der Nutzen von CRM-Systemen bestätigt sich schon relativ früh, wenn Faktoren wie Kundenbindungseffekte und Lernkurven der Mitarbeiter in die Berechnungen einbezogen werden.
