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Das Ziel des Forums, Effizienz und Effektivität von unternehmensübergreifenden Prozessen zu erkennen und zu verbessern sowie konkrete Lösungsansätze zu entwickeln, war viel versprechend: bis zu 45 Prozent Kostenersparnis stellte der Veranstalter, das Institut für Wirtschaftinformatik der Universität St. Gallen, den 165 Teilnehmern aus dem deutschsprachigen Raum in Aussicht. Diese Potenziale sollen ausgeschöpft werden, indem Prozesse direkt von “Maschine zu Maschine” gesteuert werden, wie Klaus Mühleck, CIO bei der Audi AG, formulierte. “Prozessketten abbilden, lautet unsere große Herausforderung”, griff SAP-Vorstand Peter Zencke das Thema in seinem Vortrag auf. “Reine Routinearbeit wird eliminiert”, so Zencke, “Mitarbeiter greifen nur dann in Prozesse ein, wenn Ausnahmen bearbeitet oder Konflikte gelöst werden müssen”.
Technologisch betrachtet führt Zenckes Sichtweise zu einer Vielzahl von Prozessen, die über eine Enterprise Services Architecture (ESA) auf der Plattform SAP NetWeaver integriert und umgesetzt werden. Sämtliche Personen, Informationen und Systeme innerhalb eines Geschäftsprozesses werden strukturiert zusammengeführt und der Lösungsansatz in Form zu erbringender Services gestaltet. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um interne oder externe Personen und Informationen, SAP- oder nicht-SAP-Systeme handelt. “Das heißt, wir integrieren Personen und bieten Werkzeuge so an, dass beispielsweise ein Betriebswirt einfach und schnell damit arbeiten kann”, resümiert Zencke.
Die neue Softwaregeneration von SAP trennt Business Logic und User Interface. “Weil das die Kosten senkt”, so Zencke. SAP NetWeaver verbindet lösungsübergreifend Standards mit Prozessen auf einem Portal, das den Mitarbeiter einbindet und zu seinem Arbeitsplatz wird. Vier Bereiche, die innerhalb der Wertschöpfungskette zu Mehrwert führen, skizzierte der SAP-Vorstand:

  • Die Produktivität steigt, da Routinearbeiten wegfallen und sich Mitarbeiter auf den Geschäftsprozess konzentrieren.
  • Die Real Time Analytic wird zum Treiber für die Aktivität von Mitarbeitern, da diese rollenspezifisch permanent die Performanz eines Prozesses verfolgen.
  • Die Effizienz von Prozessen steigt, da sich diese auch in heterogenen Systemlandschaften und unternehmensübergreifend steuern lassen.
  • Die Technik gewährleistet Flexibilität, um Prozesse anpassen, ohne dass eine Änderung der Lösung oder ein Releasewechsel notwendig wäre.

Hin zur Netzwerk-Organisation

Ein Beispiel aus dem Alltag von Audi schilderte deren CIO Mühleck. Über das Interaktionsportal des Autobauers wählt sich ein Designer ein, um die Gestaltung eines Scheinwerfers zu überarbeiten. Der externe Spezialist vollzieht den Prozessschritt und schließt direkt im System der Audi Fachabteilung seinen Auftrag ab. “Damit sind wir sehr erfolgreich”, so der CIO. Der Konzern befindet sich im Wandel weg von einer tayloristischen und hin zu einer Netzwerk-Organisation. Mühleck fuhr fort: “Lassen Sie mich eine Empfehlung aussprechen: Nehmen Sie virtuelle Organisationsformen an und nutzen Sie Value Chains. Sie werden erfolgreich sein und Ihre Mitarbeiter schnell mit Erfolgen überzeugen”. 90 Prozent aller Innovationen der Ingolstädter Autoschmiede werden durch die Verwendung von Software erzielt.
Eine weitere technologische Neuentwicklung zum Aufbau unternehmensübergreifender Netzwerke stellte Peter Bauer, Vorstandsmitglied der Infineon Technologies AG vor. Unisono mit seinen Vorrednern machte sich der Vertreter der Halbleiterindustrie für die Prozesssteuerung von “Maschine zu Maschine” stark. RFID kann seiner Ansicht nach erhebliche Potenziale in der Wertschöpfungskette freisetzen. Im Vergleich zu Barcodes werden auf RFID-Etiketten gespeicherte Daten berührungslos und mit der zehnfachen Geschwindigkeit gelesen. Manuelle Eingriffe oder Eingaben sind kaum mehr notwendig. Dies führt im Sinne der Qualitätssicherung zu einem deutlich höheren Niveau. Im internationalen Warenverkehr ist außerdem jederzeit ein Herkunftsnachweis möglich. SAP bildet die Infrastruktur zum Lesen der RFID-Etiketten in SAP NetWeaver ab.
Die aktuellen Trends zur Optimierung der Wertschöpfungskette fasste Dr. Christine Legner vom Institut für Wirtschaftsinformatik an der Universität St. Gallen zusammen. Sie berichtete von einer zunehmenden Bündelung von Leistung und Service einzelner Anbieter. Hintergrund sei die Nachfrage nach einem größeren Leistungsspektrum. Anbieter sollen demzufolge eigene und fremde Waren vermarkten sowie die komplette Abwicklung steuern. Die Verschmelzung von Produkt und Dienstleistung bis hin zur Leasinggestaltung sei erwünscht, um auf Kundenseite die optimale Nutzung zu gewährleisten.

Lösungsansätze aus den Workshops

Der Reihe nach präsentierten am Ende der Veranstaltung die Teilnehmer der Workshops Lösungsansätze aus ihren zweitägigen Beratungen. Ziel des Austausches war, Szenarien für kurzfristige Erfolge zu entwickeln. Den Auftakt bestritt die Arbeitsgruppe mit dem Thema Informationsmanagement. Deren Auswertung bescheinigte dem Produkt SAP NetWeaver, die Bedarfssituation zu treffen. Dieses Ergebnis machte das Team an zwei Schwerpunkten fest: Der Steuerung unternehmensübergreifender Prozesse etwa im Projektmanagement und das Identity Management, um gemeinsame Komponenten auch gemeinsam zu nutzen. Den Mehrwert der neuen SAP-Technologie sah dieses Team bei der schlanken Prozesssteuerung, der Flexibilität in der Einführung und Anwendung sowie der erhöhten Wertschöpfung nach dem Aufbau von Netzwerken.
Teilweise trafen sich die Arbeitsgruppen zum wiederholten Male, teilweise waren sie frisch formiert wie etwa der Kreis aus Automobilindustrie und Zulieferern. Hier hatten sich die Teilnehmer schnell auf die auszuschöpfenden Potenziale in der Wertschöpfungskette verständigt. Prozesskosten sollen gesenkt, die Qualität von Produkt und Leistung erhöht und Prozesszeiten verkürzt werden. Um dies zu erreichen, skizzierten die Teilnehmer einen Stufenplan. Im ersten Schritt gilt es, die Entstehungsprozesse eines Produkts zu durchleuchten, um anschließend die Supply Chain zu optimieren.

Medienbrüche beseitigen

Mit dem nach eigenen Angaben hohen Pflegeaufwand sowie der geringen Planungssicherheit und Prognosefähigkeit befasste sich die Arbeitsgruppe “Defense” mit Teilnehmern aus Industrie und Streitkräften. Kurzfristig zu nutzende Potenziale wurden in der IT-Unterstützung gesehen. Eine Vielzahl von Medienbrüchen, die von diversen Insellösungen und Schnittstellen herrühren, sollen beseitigt werden. Die Bundeswehr etwa schafft derzeit die Basis hierzu mit einer umfassenden SAP-Lösung – mit dem strategischen Ziel, höhere Effizienz in der Supply Chain zu erzielen.
Die Herausforderungen ihrer Branche skizzierte die Arbeitsgruppe “Repairlogistics” mit den Stichworten: Steigerung der Kundenzufriedenheit und Kostenoptimierung auf Seiten der Hersteller. Die Dienstleister für Reparaturen im Garantiefall wollen dem Kostendruck mit schlanken Lösungen entlang der Supply Chain und einem hohen Grad an Vernetzung der einzelnen Partner begegnen. Dabei wurde auch an eine Vollkostenrechnung gedacht, die neben den reinen Reparaturkosten die Aufwendungen bei Grenzübertritt, Verpackung und Mitarbeitern berücksichtigt. Dem Verbraucher soll der hohe Grad an Vernetzung entgegenkommen, da dieser dann jederzeit den Prozessschritt abfragen kann, den sein Produkt gerade durchläuft.
Die Basis für den zukünftigen Erfolg sahen die Teilnehmer des Arbeitskreises “Seamless Customer Service” in der Integration von Kundenbedürfnis sowie Produkt- und Leistungsinformation. Gegenüber dem Verbraucher soll dadurch ein höheres Maß an Transparenz und Qualität hergestellt werden, da er schnell und komfortabel Informationen und Services zu seinem Produkt abrufen sowie seinen Bedarf signalisieren kann. Herstellern soll die stärkere Kundenbindung und die mögliche Kostenreduzierung Mehrwerte sichern.

Skaleneffekte nutzen

In Zahlen formulierte die Arbeitsgruppe “Sourcing in der Finanzindustrie” das von ihnen anvisierte Potenzial der Value Chain. Finanzdienstleister wickeln 80 Prozent aller Prozesse intern ab. Hier, so die Teilnehmer, ließen sich sämtliche Segmente der Wertschöpfungskette nach außen vergeben. Der Kunde selbst müsse jedoch an die Bank gebunden bleiben. Die Herausforderungen sah das Team in der Standardisierung von Prozessen und Produkten. Dies sei allerdings bislang kaum gegeben. Um künftig Skalierungseffekte zu nutzen, deuteten die Banker zwei Szenarien an. Einerseits könnten Großbanken Skalen durch Standardisierung realisieren und diese kleineren Banken anbieten. Andererseits würde die Fusion von Banken zu denselben Effekten führen. In diese Richtung – Konzentration mehrer Institute unter dem Dach einer Großbank – bewege sich derzeit der US-Markt.
Auch die Universität St. Gallen selbst will die Wertschöpfungskette gegenüber ihren Kunden, den Studierenden und der Wirtschaft, optimal gestalten. Um Abschlüsse leichter verständlich und vergleichbar zu machen, setzt die Schweizer Uni auf internationale Standards. “Wir positionieren uns global und hoch stehend. Wirtschaftsinformatik heißt nach unserem Verständnis: Potenziale von Technologien für Unternehmen erkennen und Betrieben Unterstützung bei der Umsetzung anbieten, damit diese den Mehrwert nutzen können. Kurz gesagt, wir wollen Business Engineering greifbar machen”, fasst Prof. Dr. Hubert Österle zusammen. Die Universität finanziert sich zu fast 100 Prozent aus der Wirtschaft. Im Vergleich der Lehrstühle für Wirtschaftsinformatik im deutschsprachigen Raum fällt in St. Gallen der starke Praxisbezug auf. “Wir brauchen die Grundlagenforschung, aber auch die Praktiker. Entscheidend ist die Mischung”, sagt Österle. Er warnt vor einer Amerikanisierung, die nach seiner Auffassung wegführen würde von der praktischen Relevanz in Forschung und Lehre. Das Value Chain Forum soll im nächsten Jahr zum dritten Mal stattfinden.

Franz Waizmann
Franz Waizmann