Als Armin von Buttlar im Jahr 2001 die Verantwortung als CFO von Leybold Vakuum übernahm, befand sich das Unternehmen in einer kritischen Lage. Unzuverlässige Lieferzusagen, lange Durchlaufzeiten und die außerplanmäßige Bearbeitung von Aufträgen über Sonderabwicklungen waren an der Tagesordnung – und das, obwohl die Nachfrage konjunkturbedingt schleppend lief. Planung, Sales, Service und die operativen Prozesse der Lieferkette griffen nicht ineinander. Geringe Planungsgüte und mangelnde Übersicht über die noch verfügbaren Kapazitäten machten verlässliche Lieferaussagen unmöglich. Leybold Vakuum hatte somit oft unvorbereitet auf Kundenaufträge zu reagieren – mit dem Ergebnis drastischer Lieferverspätungen und unzufriedener Kunden.
Vorstudie weist auf Schwachstellen
Leybold Vakuum musste die Missstände an der Wurzel packen und setzte im November 2001 das Projekt “Lieferpünktlichkeit” auf. In einer Vorstudie wurde eine Liste mit etwa 80 Schwachstellen erarbeitet. Viele – wie zum Beispiel lange Druchlaufzeiten trotz schlechter Auslastung der Produktion, Mehrkosten, fehlende und trotzdem zu hohe Lagerbestände – deuteten in die gleiche Richtung: Die Schwächen lagen in der Planungskette und in der Form, wie Planungsinformationen verarbeitet wurden. Armin von Buttlar beschreibt die Situation: “Uns war klar, dass aufbau- und ablauforganisatorische Veränderungen erforderlich sein würden. Ein teures IT-Projekt mit ungewissem Ausgang sollte allerdings in jedem Fall vermieden werden. Und wir waren nicht sicher, ob die Anforderungen mit der vorhandenen Kombination aus Kalkulationstabellen und SAP R/3 zu erfüllen waren oder die Lösung mySAP Supply Chain Management (mySAP SCM) angeschafft werden sollte. In der Unternehmensleitung wollten wir daher genau wissen, wie sich Geschäftsverbesserungen erzielen ließen. Brauchen wir ein neues Planungs- und Optimierungstool oder erzielen wir schon mit einer optimierten und disziplinierten Nutzung der vorhandenen Planungswerkzeuge die gleichen Wirkungen?”
Im Januar 2002 übernahm Jürgen Schwarz, Leiter Materialwirtschaft, die Verantwortung, die Geschäftsprozesse bei Leybold Vakuum im Einzelnen zu bewerten. Diese Potenzialanalyse (Business-Assessment) sollte den geschäftsseitigen Nutzen begründen und beziffern, die erforderlichen Umsetzungsschritte planen und Entscheidungen zum weiteren Vorgehen vorbereiten. Jürgen Schwarz betont: “Es war uns wichtig, das Projekt von der Fachseite und nicht als reines IT-Projekt zu steuern. Die Mitarbeiter sollten sehen, dass es vorrangig um eine Organisations- und Verhaltensänderung ging.” Das Business Assessment wurde von einem unabhängigen Managementberater aus der heutigen ae & company unterstützt, der hierzu ein spezielles Verfahren entwickelt und sich auf Optimierungsthemen in Supply Chain, Vertrieb und Service spezialisiert hatte.
Lieferkette in Sekunden optimiert
Die Bewertung machte deutlich, dass nur mit einem ganzheitlichen Planungs- und Optimierungswerkzeug wie mySAP SCM die gesteckten Ziele zu erreichen waren. Insbesondere erwies sich der darin enthaltene LiveCache des Moduls SAP Advanced Planner & Optimizer (SAP APO) als zwingend erforderlich, mit dessen Hilfe die gesamte Supply Chain innerhalb von wenigen Sekunden durchgehend zu optimieren ist.
Acht Monate, von April bis Dezember 2002 dauerte das Umsetzungsprojekt und die Einführung von mySAP SCM. Dabei wurde für die IT-Seite die Leybold-Tochter perfect-IT verpflichtet, unterstützt von der axentiv AG aus Darmstadt. Nach Abschluss der Einführung und der organisatorischen Veränderungen tragen nun die Vorarbeiten Früchte.
Die Analyse machte Wirkungszusammenhänge innerhalb der Geschäftsprozesse von Leybold Vakuum deutlich, nach denen heute, ein Jahr nach der Neuaufstellung der Supply-Chain, die gewonnenen Geschäftsvorteile (Business Benefits) in Kennzahlen nachweisbar sind. Im Vergleich zu früher hat Leybold seine Lieferpünktlichkeit bezogen auf die vom Kunden geäußerten Wunschtermine in 2003 um fast 50 Prozent auf 86 Prozent gesteigert. In praktisch allen Fällen wird zum zugesagten Termin geliefert (Liefertreue 2003 – 95 Prozent, 2002 – 85 Prozent). Zudem treten heute auch bei steigender Nachfrage keine Lieferengpässe mehr auf.
Kennzahlen beweisen Lieferqualität
Aufgrund verlässlicher Parameter in der Kapazitäts- und Produktionsplanung sanken Durchlaufzeiten und stieg die Pünktlichkeit der internen Aufträge um 68 Prozent. Die Durchlaufzeiten ließen sich um 15 Prozent verkürzen. Dies führt zu schnellerem Cash-Flow und verringert die Kapitalbindung. Das Ergebnis wirkt direkt auf die Liquidität, da Kundenaufträge schneller abzuarbeiten und Erlöse zeitnah zu realisieren sind. Es sind liquide Mittel verfügbar, die bisher teilweise fremd finanziert werden mussten. Besser ausgelastete Ressourcen in der Produktion steigern die Effizienz. Leybold Vakuum kann nun bis zu 30 Prozent mehr Aufträge einlasten als früher. Entscheidend ist die schnelle, durchgängige Optimierung der Prozessschritte von der Beschaffung bis zum Endprodukt. Darüber hinaus werden nun Sonderschichten und die daraus entstehenden Zusatzkosten weitgehend vermieden.
Da heute Aufträge End-to-End durchzuplanen und innerhalb der Standardprozesse abzuwickeln sind, sank die Anzahl jener Aufträge, die per Sonder- oder Expressabwicklung durchgeschleust werden müssen. Dadurch wurden Expresslieferkosten um 27 Prozent verringert. Die Lagerbestände sanken insgesamt um drei Prozent. Das Bestandsniveau liegt mit sechs Prozent des Umsatzes noch vergleichsweise hoch, ist aber angesichts der hohen Anzahl an Produktvarianten und Spezialmaterialien vertretbar.
Das Business Assessment zeigte auch im konservativeren Szenario einen Return on Investment (ROI) nach spätestens 1,5 Jahren. Leybold schätzt, dass sich das Projekt aufgrund der gestiegenen Kundenzufriedenheit bereits heute gerechnet hat.
Vier-Mann-Team steuert Planungsprozess
Vor Einführung der SCM-Lösung waren von der Absatzplanung bis zur Produktion über 40 Mitarbeiter an Planungsprozessen beteiligt. Obwohl jeder Wege gefunden hatte, seinen Bereich zu optimieren, blieb der Gesamtprozess fragmentiert und erforderte viele Abstimmungen. Heute bearbeitet ein kleines Team von vier Mitarbeitern die gesamte Planung vom Absatz bis zur Feinterminierung mit vollständig integrierten und jederzeit verfügbaren Planungsinformationen. So entstehen Bedarfs-, Kapazitäts-, Produktions- und Schichtpläne. Die Gruppe trägt die Verantwortung für die ganze Lieferkette und auch für die einzelnen Produktionslinien. Die Koordination der Beschaffung erfolgt ebenfalls direkt aus der zentralen Disposition.
Jürgen Schwarz legt Wert auf die Feststellung: “Nicht die Technologie hat die Veränderungen bewirkt, sondern das Unternehmen Leybold Vakuum selbst mit seinen Mitarbeitern. Jedoch müssen wir zugeben, dass das Modul SAP APO uns zwingt und hilft, unser Geschäft effektiv zu analysieren und zu planen.” Mit Erfolg: Leybold Vakuum erzielt in den Herstellungsprozessen die rechtzeitige Verfügbarkeit der richtigen Materialien und Halbfabrikate, führt eine frühzeitige detaillierte Auftragsterminierung durch und hat ständig die jeweils freien Produktions- oder Montagekapazitäten im Blick. “Wir sehen Probleme und Engpässe bei den Ressourcen genau und können gezielt daran arbeiten. Umgekehrt lassen sich die Auswirkungen geplanter Änderungen in der Beschaffung, Produktion und Distribution über die gesamte Supply Chain sofort abschätzen”.
