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„Der Zwang mittelständischer Unternehmen, ihre Informationstechnologie über kurz oder lang zu modernisieren, liegt im Wesentlichen in immer kürzeren Technologiezyklen begründet“, stellt Matthias Zacher, Berater bei der META Group, fest. Dabei ist Enterprise Resource Planning (ERP) einer der vier wichtigsten IT-Wachstumstreiber, wie die META-Group-Studie „IT für den Mittelstand“ ermittelte. Auch Marktforscher von Forrester Research, wie Analyst Charles Homs, führen ihre positiven Wachstumsprognosen bei den IT-Ausgaben für 2004 unter anderem auf die steigenden Investitionen der Firmen in ERP-Software zurück.

Paradigmen haben gewechselt

Dies ist eine erstaunliche Entwicklung, galt Enterprise Resource Planning (ERP) doch noch vor wenigen Jahren als veralteter Begriff, der mit starren, funktional eingeschränkten Architekturen und Funktionalitäten gleichgesetzt wurde. Das Bild hat sich inzwischen grundlegend gewandelt – ERP ist wieder hoffähig geworden. Der vom US-Marktforschungsunternehmen Gartner Group geprägte Begriff „ERP II“ beschreibt den Paradigmenwechsel, den Geschäftssoftware seit den frühen 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts durchlaufen hat. Dieser ist auf zwei Ebenen zu sehen:
Unternehmenslösungen müssen heute zum einen den Anforderungen des E-Business genügen und neben dem Austausch von Daten auch unternehmensübergreifende Transaktionen unterstützen. Zum anderen machen steigender Kostendruck, kürzere Produktlebenszyklen und neue Formen der Zusammenarbeit mit Zulieferern, Partnern und Kunden detaillierte Analysen sowie eine Neustrukturierung und Beschleunigung von Geschäftsprozessen notwendig. Informationen über die „Betriebsparameter“ (zum Beispiel Geschäfts- und Kundendaten und betriebswirtschaftliche Auswertungen) sowie zu Kunden oder Lagerbeständen, die per Mausklick abrufbar sind, verkürzen die Reaktionszeiten und steigern die Flexibilität. Ressourcen zielorientiert einzusetzen ist für SMBs, die im internationalen Wettbewerb stehen, zwingend erforderlich.
Noch in einem anderen Punkt ist ein Paradigmenwechsel zu beobachten. Das Anwendungsfeld von ERP-Systemen erweitert sich über die traditionelle Nutzergruppe der für einen Geschäftsbereich Verantwortlichen hinaus. Die neuen Anwender lassen sich grob in folgende drei Gruppen unterteilen:

  1. Multi-Enterprise-User: Geschäftsprozesse gehen heute über Einzelunternehmen hinaus und bedingen eine unternehmensübergreifende Zusammenarbeit nicht nur von Systemen, sondern auch von Anwendern.
  2. Self-Service-User: Laut IDC-Analyst Dennis Byron wird die Zahl der Anwender, die innerhalb der Unternehmen eine ERP-Software nutzen, etwa um Urlaubs- oder Fehlzeiten einzutragen, bis zum Jahr 2008 von derzeit durchschnittlich 20 auf 75 Prozent steigen.
  3. Mobile User: Außendienstmitarbeiter müssen wichtige Kundendaten zunehmend auch von unterwegs abrufen können. Speziell für SMBs haben Mittelstandspartner der SAP, wie Teufel Software oder Unirez beispielsweise, entsprechende mobile Zusatzlösungen zu SAP Business One entwickelt.

Aufbruch zu neuen Ufern

„Generell prägen neue Herausforderungen den Markt der Unternehmenssoftware“, erläutert Olaf Deininger, Geschäftsführer des Hamburger Beratungsunternehmens und auf Business-Software spezialisierten Redaktionsbüros mediaone, die augenblickliche Entwicklung. Die steigende Vernetzung der Unternehmen nach innen und außen, das Verschwinden der Unternehmensgrenzen, neue Anforderungen durch E-Business sowie zunehmender Kosten- und Wettbewerbsdruck sorgen für neue Produktphilosophien, bilanziert mediaone in der Studie „ERP-Marktübersicht 2004“. Folge: „Die ERP-Anbieter“, so Deininger, „brechen zu neuen Ufern auf.“
Für Christian Glas, Berater bei Pierre Audoin Consultants (PAC), haben die neuen Ufer bereits Konturen angenommen. „Moderne Unternehmenslösungen“, konstatiert der PAC-Berater, „sollen sich an den Bedürfnissen der Anwenderunternehmen orientieren, die Kosten für Implementierung, Integration und Anpassung müssen sinken.“ Möglich ist dies mittels serviceorientierter Architekturen (SOA), die den „Aufwand für Implementierung und Wartung künftig verringern“, so Glas. Vor allem mittelständische Firmen benötigen daher modulare Systeme mit offenen Schnittstellen, fordert Professor Walter Dettling, Leiter des Instituts für angewandte Betriebsökonomie (IAB) an der Fachhochschule beider Basel (FHBB), in einem Strategiepapier. Damit werden branchenspezifische Standards, etwa für den Maschinenbau, die Kunststoff- oder die Fleischindustrie, schnell und flexibel eingebunden und Erweiterungen wie Customer Relationship Management (CRM), Product Lifecycle Management (PLM) oder Supply Chain Management (SCM) vereinfacht.
Das verlangt von den ERP-Anbietern einen Spagat, denn der mittelständische Markt ist laut Rüdiger Spies, Vice President bei der META Group, „nach wie vor fragmentiert“. Einerseits fordern die Unternehmen Lösungen, die möglichst genau auf ihre jeweiligen Belange zugeschnitten sind. Andererseits ist der Mittelstand nicht bereit (und in der Lage), langwierige unternehmensspezifische Anpassungen finanziell zu tragen. Vor diesem Hintergrund bevorzugen mittelständische Firmen spezielle Branchenlösungen oder eine Standardsoftware mit funktionalen Erweiterungen. Diese spezifischen Bedürfnisse und weil auch Supportanforderungen lokal adressiert werden müssen, „werden dazu führen, dass die ERP-Anbieter für dieses Marktsegment eine entsprechende Partnerstrategie aufstellen“, schreibt Rüdiger Spies in einer Marktanalyse.
SAP adressiert mit SAP Business One – und den von SAP Business Partnern entwickelten funktionalen Zusatzlösungen (Add-Ons) – mittelständische Unternehmen und Tochtergesellschaften von Konzernen mit einfacheren Prozessen. Unterschiedliche Branchen, wie Fertigungs-, Kunststoff-, fleischverarbeitende Industrie oder die Energiewirtschaft, bedienen SAP und die Business Partner mit voreingestellten mySAP-All-in-One-Lösungen, welche die branchenspezifischen Prozesse abbilden.

Prozesse verändern, Chancen nutzen

Eine ERP-Lösung im Unternehmen einzuführen zieht immer auch Veränderungen und Anpassungen bestehender Prozesse nach sich. Firmen müssen fähig sein, „innerhalb kürzester Zeit die eigenen Prozesse und Systeme an die der Partnerunternehmen anzupassen“, wie Detecon-Berater Michael Wettklo und Marc-Andreas Schultze die Konsequenzen einer über Einzelunternehmen hinausgehenden Zusammenarbeit (collaborative business) beschreiben. Daher müssen SMBs ihre ERP-Einführungsprojekte konsequent mit der eigenen Geschäftsstrategie verknüpfen, um die damit erwarteten Kostenvorteile (beispielsweise niedrigere Prozess- und Betriebskosten, höhere Transparenz) auch optimal zu nutzen. Zudem sollten die späteren Anwender eines neuen Systems sich von Beginn an mit diesem „anfreunden“. Mitarbeiterschulungen oder Informationen über veränderte Prozesse und neue Rollen steigern die Akzeptanz der Nutzer. „Der Mittelstand legt überdies großen Wert auf kurze Projektlaufzeiten und eine akzeptable Preisgestaltung“, fügt Rainer Rathgeber, Geschäftsführer des SAP Partners Cubis Solutions, einen weiteren wichtigen Aspekt hinzu.
SMBs, die sich ein ERP-System anschaffen wollen, sollten aber behutsam vorgehen, bestimmte Auswahlkriterien beachten und sich gut vorbereiten. Wichtige Anforderungen an eine moderne Geschäftssoftware sind eine flexible Architektur und ein modularer Aufbau, die Unterstützung gängiger Standards, interne wie externe Schnittstellen und Skalierbarkeit. Hinzu kommen einfache Konfiguration und schnelle Implementierung sowie Benutzerfreundlichkeit. „Wenn SMBs diese Aspekte bei der Auswahl berücksichtigen und ein Einführungsprojekt systematisch angehen, dann ist ein neues ERP-System auch der Motor für den geschäftlichen Erfolg“, resümiert PAC-Berater Christian Glas.

Weitere Informationen:

Allgemein: www.c-s.de (Cubis Solutions), www.detecon.com (White Paper „ERP-Strategien im collaborative business“), www.fhbb.ch, www.gartner.com (zum Begriff ERP II)
Studien: www.forrester.com, www.idc.com, www.metagroup.de, www.mediaone-research.de, www.pac-online.de
SAP: www.sap.com/solutions/erp und www.sap.com/solutions/smb

Dr. Andreas Schaffry
Dr. Andreas Schaffry