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Was genau ist unter Web Services zu verstehen?

Web Services ist der Oberbegriff für eine Gruppe neuer technologischer Protokollstandards, die webbasierten Datenaustausch und die Integration von Anwendungen im Web erheblich erleichtern. Einfach formuliert sind Web Services Funktionen, die über das Web abrufbar sind, um darüber Anwendungen zu verbinden. Technisch formuliert sind Web Services Standards, die das W3C-Konsortium seit einigen Jahren propagiert. Inzwischen haben sich im Wesentlichen drei Prototypen etabliert. Dazu gehören SOAP (Simple Object Access Protocol), ein Format für den Nachrichtenaustausch, und WSDL (Web Service Definition Language), das zur Beschreibung von Schnittstellen auf Basis von XML dient. Darüber hinaus wird UDDI (Universal Description, Discovery and Integration) verwendet, ein Verzeichnis, in dem Web Services quasi wie auf Gelben Seiten registriert und gesucht werden können. Web Services werden deshalb nicht zu Unrecht als die Zukunft des E-Business oder als „Internet-Esperanto“ beschrieben.

Eine Studie von Forrester aus dem Jahr 2002 besagt, dass Anwender die fehlende Sicherheit als größtes Hindernis für Web Services erachten. Welche Fortschritte sind seitdem zu verzeichnen?

Sicherheit ist ja ein grundsätzliches Thema in der Informationstechnologie. Die allgemeinen Grundsätze wie Vertraulichkeit, Autorisierung, Integrität und Authentizität gelten auch für Web Services. Geht man davon aus, dass ein Unternehmen über Web Services mit Kunden und Lieferanten kommuniziert, so müssen diese Kriterien, schon im eigenen Interesse des Unternehmens, erfüllt sein. Allerdings haben wir in der aktuellen META-Group-Studie „Web Services Deployment Trends“ festgestellt, dass das Thema Sicherheit – neben fehlendem Budget – immer noch das größte Hindernis bei der Einführung von Web Services ist.

Konsortien wie WS-I (Web Services Interoperability Organization) und OASIS (Organization for the Advancement of Structured Information Standards) arbeiten kontinuierlich an Sicherheitsstandards und Sicherheitsrichtlinien. Doch trotz aller Anstrengungen, die in puncto Web-Services-Sicherheit unternommen werden, gibt es keine 100-prozentige Garantie.

Wie können SMBs durch den Einsatz von Web Services ihre Prozesse optimieren?

Hier sind die Softwareanbieter gefragt. Da größere mittelständische Unternehmen zwar in der Regel ein ERP-System haben, doch wegen fehlender personeller und finanzieller Ressourcen keine großen Integrationsprojekte durchführen werden, ist die Öffnung von ERP-Systemen im Hinblick auf Web Services erforderlich. So hat die SAP in mySAP ERP alle Schnittstellen als Web Services beschrieben. Zugleich wurden große Programmblöcke in kleinere und damit flexible Module aufgeteilt. Voraussetzung hierfür ist auch ein entsprechendes Infrastruktur-Angebot, welches die SAP mit den SAP-NetWeaver-Komponenten bereitstellt. So entsteht eine umfassende, Service orientierte Architektur, die hohe Einsparpotenziale bei B2B-Geschäftsprozessen verspricht, denn unterschiedliche Applikationen können über Standards problemlos Daten austauschen.

Wird beispielsweise der Lagerbestand als Web Service bereitgestellt, so können Zulieferer, Großhändler und Kunden diese Informationen in ihre Systeme eingliedern. Dadurch lassen sich Prozesse wie der Versand von neuen Materialien, die Bestellung von weiteren Produkten bei erhöhter Nachfrage oder einfache Nachbestellungen automatisieren. Beide Aspekte reduzieren den Kommunikationsaufwand und beschleunigen Geschäftsprozesse.

Stichwort Service orientierte Architekturen (SOA). Was ist darunter zu verstehen, und welche Bedeutung werden SOAs künftig für Mittelständler haben?

Eine Service orientierte Architektur ist unabdingbare Voraussetzung, um Web Services einzusetzen. Nur eine Architektur, die nicht länger Daten, sondern Dienste in den Mittelpunkt stellt, kann Anwendungen in Komponenten und damit in Dienste auflösen. Diese lassen sich dann über ein Netzwerk bereitstellen. Eine solche Architektur kann auch die nötige Skalierbarkeit bieten, um künftig neue Systeme und Anwendungen einzubinden und mit dem Wachstum des Unternehmens Schritt zu halten.

Die größte Herausforderung, um eine Service orientierte Architektur aufzubauen, ist dabei nicht einmal die Technologie, welche solche Services zur Verfügung stellt, sondern die Verbindung dieser Services mit den unternehmensspezifischen Strukturen und Prozessen. Die Architektur definiert, welche Services wo angesiedelt sind. So kann beispielsweise ein User gleichzeitig mehrere unterschiedliche Systeme (SCM, ERP, CRM, E-Procurement) nutzen, weil Berechtigungskonzepte über einzelne Anwendungen hinweg als Services wiederverwendet und zur Verfügung gestellt werden. Für ein Unternehmen kann dies heißen, dass es seine Strukturen und Prozesse überdenken und gegebenenfalls anpassen muss.

Wie sollten SMBs vorgehen, um künftig entsprechende Anwendungen erfolgreich zu nutzen?

In jedem Fall brauchen Mittelständler eine klare Strategie, um Web Services erfolgreich, das heißt betriebswirtschaftlich sinnvoll zu nutzen. Einen Königsweg gibt es in diesem Fall nicht, zumal der Mittelstand selbst stark fragmentiert ist und sich in einzelnen Branchen wie Automobil, Finanzdienstleistungen oder High Tech unterschiedliche Einsatzszenarien von Web Services anbieten. Grundsätzlich müssen Web Services im Rahmen eines Projekts eingeführt werden, das die Rollen und Verantwortlichkeiten der Beteiligten klar festlegt.

Generell empfiehlt sich für Mittelständler, bei der Einführung von Web Services schrittweise vorzugehen. Vorab müssen in jedem Fall Fragen der Sicherheit und Interoperabilität beim Datenaustausch geklärt werden. Eine „Roadmap“ könnte so aussehen, dass Web Services zunächst in Pilotanwendungen getestet werden. Dort beschränkt sich der Einsatz von Web-Services-Technologien auf relativ einfache Anwendungsfelder mit Schwerpunkt auf unternehmensinterner Integration. Im zweiten Schritt werden dann Web-Services-Integrationsprojekte mit Geschäftspartnern oder Zulieferern in Angriff genommen. Allerdings sollte deren Komplexität überschaubar sein und nicht gleich alle Geschäftspartner oder Zulieferer mit einbeziehen, sondern dies nach und nach tun.

Können SMBs signifikant Kosten senken, wenn sie Web-Services-Technologien einsetzen?

In der Tat schlummern in Web Services interessante Einsparpotenziale für Mittelständler. Zu relativ geringen Kosten können nicht nur verschiedene Geschäftsprozesse über Unternehmensgrenzen hinweg verbunden, sondern auch interne Integrationsszenarien verwirklicht werden, da Daten über Applikationen und Schnittstellen hinweg ausgetauscht werden können. Im Gegensatz beispielsweise zum Application Service Providing (ASP) wird dabei ja nicht eine komplette Software über das Netz bereitgestellt, sondern die Daten als Web Service übertragen. Das ist für den Mittelstand insofern ein interessantes Modell, als damit beispielsweise Legacy-Systeme relativ kostengünstig modernisiert und in neue Lösungen wie Supply Chain Management (SCM) oder Customer Relationship Management (CRM) eingebunden werden.

Mittelständler, die Web Services einsetzen, reduzieren in jedem Fall Medienbrüche sowie die manuellen Prozesse. Auch können vorhandene Systeme zur Bewältigung neuer Aufgaben, also beispielsweise die Kopplung an Lieferanten und Kunden, herangezogen werden, wodurch bestehende Investitionen geschützt werden. In beiden Fällen sorgen Web Services dafür, dass sich Prozesse beschleunigen und verbessern und Unternehmen gleichzeitig flexibler und agiler werden, was auch für SMBs ein zentraler Wettbewerbsfaktor ist.

Dr. Andreas Schaffry
Dr. Andreas Schaffry