Über kurz oder lang gerät fast jedes Unternehmen in diese Notlage: Um ein funktionales Defizit zu beseitigen, wird ein Projekt angesetzt und eine Lösung – meist in Form einer einzuführenden Software – vorgeschlagen. Wie immer drängt die Zeit. Das Budget ist knapp. Aufwände werden unterschätzt. Die Integration in bestehende Anwendungen erweist sich als problematischer als angenommen. Das sprengt den Zeitrahmen und fordert einen kräftigen Nachschlag bei den Kosten. Ist schließlich das Ergebnis da, mäkelt die Fachabteilung daran herum. Und die Folgekosten bleiben erheblich, da wieder einmal eine Insellösung die Systemlandschaft ziert.
An der Geschäftsstrategie ausgerichtet
Dies ist kein Einzelfall. Darum führen Unternehmen, um eine bessere, vorausschauende Planung zu ermöglichen, das Konzept der Enterprise Architecture (EA) ein. Als deren bekanntester Vertreter gilt John A. Zachman. Vor zwei Jahrzehnten stellte er das Konzept der Enterprise Architecture vor, das seitdem stetig verfeinert wurde. Zachman entwickelte ein Beschreibungsmodell (Framework for Enterprise Architecture), durch das ein Unternehmen strukturiert und in logische Bereiche untergliedert werden kann. EA leitet Ziele und Vorgehensweisen aus dem ‘Business’ ab. Die Geschäftsentwicklung, nicht die Werkzeuge oder bestimmte Softwareanwendungen, stehen im Mittelpunkt. EA fördert geplantes und zeitgesteuertes Vorgehen und vermeidet unkoordinierte Einzelmaßnahmen, die jeweils nur auf auftretende Missstände reagieren.

In Unternehmen und insbesondere in der Sportartikelbranche ist Enterprise Architecture noch nicht weit verbreitet. Um EA unternehmensweit zu etablieren, richtete adidas-Salomon AG im Jahr 2000 eine Architekturabteilung ein. Sie hat die Aufgabe, die Unternehmensstrategien, bestehend aus Geschäfts-, Informations-, Applikations- und Technologiestrategie, umfassend und unternehmensweit darzustellen, die IT-Landschaft zu entwickeln und zu unterstützen. EA definiert kurz-, mittel- und langfristige Ziele. Alle Aufgaben und Ziele richten sich nach der durch die adidas-Salomon-Geschäftsleitung vorgegebenen Strategie und Unternehmensmission (Strategy and mission statement).
Der Wert von EA für das Unternehmen
Auf Basis dieser strategischen Leitlinien hat adidas-Salomon ein Enterprise Architecture Model entwickelt, welches den operativen Bereichen eine entsprechende Struktur innerhalb der Architekturabteilung entgegenstellt, gegliedert nach “Kunde” (Customer Relationship Management – CRM), “Produkt” (Product Lifecycle Management – PLM) und “Operations” (Supply Chain Management – SCM). Gemäß dieser Aufteilung werden Organisation, Daten und Prozesse abgebildet und zum Beispiel Geschäftsmodelle, Ausbaupläne (Roadmaps) oder Verbesserungsvorhaben, entwickelt. Alle drei Bereiche sind miteinander vernetzt und ergeben eine Vielzahl übergreifender Prozesse. Die verantwortlichen Mitarbeiter der Architekturabteilung, Enterprise-Architekten genannt, stellen dabei eine Durchgängigkeit der Prozesse (end-to-end) sicher, indem sie die Einzelprozesse den Aktivitäten in der Wertschöpfungskette zuordnen.
Ausgehend vom Enterprise Architecture Model begann adidas-Salomon vor drei Jahren, ein Enterprise Architecture Blueprint (EAB) aufzustellen. Darin sind die Geschäftsprozesse von adidas-Salomon hinterlegt. Die bereits im Rahmen des EA-Prozesses entwickelten Kategorien wurden dabei bis zu einem für die jeweilige Aktivität notwendigen Grad verfeinert und mit Detailprozessen ergänzt. EAB selbst lebt als ein ständig anzupassendes Gebilde, an dem immer wieder Erweiterungen und Änderungen vorzunehmen sind.
Die Arbeitsergebnisse dokumentiert adidas-Salomon mit Hilfe des ARIS-Toolsets, einem Werkzeug zu Design, Implementierung und Controlling von Geschäftsprozessen. Eine gewissenhafte Dokumentation ist die Voraussetzung, um ein so globales Unternehmen wie adidas-Salomon zu beschreiben, die Geschäftsprozesse zu synchronisieren und zu optimieren sowie die Applikationen zu konsolidieren.
Die systematische Vorgehensweise der Enterprise Architecture wird gegenwärtig auf Programme übertragen, die weltweit in den Unternehmenseinheiten von adidas-Salomon angewendet werden. Dazu zählt die Verwaltung der Stammdaten (Data Management), für die innerhalb von adidas-Salomon eine Vielzahl von Anwendungen existieren. Deshalb ist ein anwendungsübergreifender Abgleich und eine Konsolidierung der Daten nur mit Mühe möglich. Der Zustand führt zu Mehrfacheingaben, verlangt zusätzliche manuelle Aktivitäten und erzeugt Inkonsistenzen. Die dadurch begründeten Zusatzkosten belaufen sich auf mehr als fünf Millionen Euro pro Jahr.

Am Beispiel der Lieferantendaten lässt sich der unzureichende Zustand verdeutlichen. Stammdaten werden hier für jeden Geschäftsbereich separat in unterschiedlichen Anwendungen vorgehalten und gepflegt. Und auch innerhalb der einzelnen Geschäftsbereiche müssen gleiche Daten mehrfach gepflegt werden, je nach dem, ob es sich um ein System zur Produktentwicklung, Bestellabwicklung oder zur Lieferantenkommunikation handelt. Die heterogene Anwendungslandschaft ist durch das starke Unternehmenswachstum der letzten Jahre entstanden. Die Globalisierung von adidas-Salomon forderte ihren Tribut und hinterließ inkompatible Lösungen.
Gemeinsam mit den Geschäftsbereichen und den weltweit verteilten Applikationseignern hat die Architekturabteilung einen Sollzustand definiert, einen Ausbauplan (Roadmap) für den Übergang festgelegt und ein globales Datenmodell für die Bereiche “Produkt”, “Kunde” und “Lieferant” entwickelt. Das Datenmodell ist ein Teil des Data Management Frameworks, welches auch die Prozesse und die organisatorischen Fragestellungen umfasst, wie etwa: Wem gehören welche Daten? Wer pflegt sie ein? Wie werden sie gepflegt? Mit dieser Vorgehensweise erreicht adidas-Salomon langfristig:
- Konsistenz von Dateninhalten und Strukturen
- Reduzierte Datenredundanz und -pflege
- Klare Aussagen über Dateneigner, Verantwortlichkeiten und Prozesse
- Konsolidierung der Systeme
Change Management und Governance

Bis die Enterprise Architecture innerhalb von adidas-Salomon etabliert war, hat es einiger Anstöße und großer Überwindungsarbeit bedurft. Letztendlich ist die Einführung der EA im Unternehmen nicht ohne ein eindeutiges Bekenntnis des Top-Managements möglich gewesen. Inzwischen ist EA in allen wesentlichen Projekten mit Projektarchitekten vertreten und treibt globale Programme und Veränderungen entscheidend voran. Beispiele dazu sind die Einführung der Prozessdokumentation in mehr als einhundert Prozessen, die Festlegung der Prozess- und Dateneigner sowie ein Wechsel von der Funktions- zur Prozessdenkweise.
In globalen Bereichen arbeitet die Architekturabteilung mit den Fachbereichen eng zusammen, um beispielsweise Roadmaps für die wertschöpfenden Bereiche Product Lifecycle Management, Customer Relationship Management (speziell für Asien) oder eine neue, globale Supply-Chain-Strategie zu erarbeiten. Die Architekturabteilung ist darüber hinaus für Prinzipien und Standards verantwortlich, beispielsweise in Bezug auf Datenmanagement, Prozessdokumentation, Best Practices, Namenskonventionen, technische Standards, Festlegung der verwendeten Methodiken und Meta-Daten. Der Einsatz von Enterprise Architecture im Unternehmen leitet also den Übergang vom reaktiven, projektgetriebenen zum proaktiven, geplanten Unternehmen ein.
Enterprise Architecture und SAP NetWeaver
Mit SAP NetWeaver steht eine übergreifende, prozessintegrierende Plattform zur Verfügung, die einer langfristig geplanten Enterprise Architecture entgegen kommt. Es ist auf eine durchgängige (end-to-end) Prozessintegration über die Unternehmensgrenzen hinweg ausgerichtet. SAP NetWeaver unterstützt die unternehmensweite IT-Sichtweise, indem es einen technologischen Unterbau bereitstellt, der eine flexible Erweiterung sowie die Integration unterschiedlicher Systeme gestattet. Diese Flexibilisierung ist sowohl in funktionaler wie auch in technologischer Sicht wünschenswert
In einem ersten Schritt nutzt adidas-Salomon SAP NetWeaver zum Aufbau einer durchgängigen Lösung zum Enterprise Business Intelligence (EBI) auf Basis von SAP Strategic Enterprise Management (SAP SEM) und SAP Business Information Warehouse (SAP BW). Dazu wurden zunächst europaweit die Reportinganforderungen konsolidiert, basierend auf einer gemeinsamen Definition von Kenngrößen und Merkmalen. Die auf diesem ‚BI-Foundations’ genannten Projekt aufbauende Lösung integriert auch Länder in Europa, die nicht auf SAP-Anwendungen aufsetzen. Nach erfolgreicher Einführung in Europa soll die Lösung weltweit ausgerollt werden. Als letzte Aufbaustufe steht die Integration der weiteren Konzernmarken (Salomon, Taylormade, Bonfire und andere) an.
Komplexe Prozesse und Organisationen innerhalb eines weltweit operierenden Unternehmens erfordern einen proaktiven Ansatz, um die sich ändernden Geschäftsanforderungen mit IT-Lösungen zu unterstützen. Enterprise Architecture beschreibt die unternehmensweiten Prozesse und Anforderungen. SAP NetWeaver stellt das dafür notwendige IT-Fundament bereit.

