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Internationale Grundsätze zur Rechnungslegung nach dem Asset-Liability-Measurement-Ansatz erfordern neue Regeln, um nicht nur Kapitalanlagen (“Assets”), sondern auch versicherungstechnische Forderungen, Verbindlichkeiten und Rückstellungen (“Liabilities”) zu bewerten. In engem fachlichen Zusammenhang dazu steht die Anforderung des Asset-Liability-Managements. Damit lassen sich Versicherungs- und Kapitalanlagebestände hinsichtlich ihrer Risiken und Erfolgsbeiträge bis hinunter auf die Ebene einzelner Teil-Versicherungsbestände einander zuordnen und gemeinsam bewerten.
Die derzeit noch in der Diskussion stehenden Vorschriften der Europäischen Kommission zu Solvency II gehen sogar noch einen Schritt weiter. Neben den Risiken aus den Kapitalanlage- und Versicherungsbeständen müssen künftig auch Marktrisiken, operationale Risiken und Forderungsausfallrisiken differenziert erfasst und mit Risikokapital unterlegt werden. Die Bestimmungen zum Corporate-Governance-Kodex schließlich verlangen eine reibungslos funktionierende Finanzberichterstattung, die in der Lage sein muss, frühzeitig Unternehmenskrisen zu erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen abzuleiten. Nur durch die laufende Analyse geeigneter Kennzahlen zu den Risiken aus den Kapitalanlagen, Versicherungsgeschäften und betrieblichen Prozessen lässt sich das persönliche Haftungsrisiko der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft minimieren.
Neben diesen von außen an die Versicherungsunternehmen gestellten Anforderungen an das Reporting stehen viele Versicherer nach den schlechten Geschäftsergebnissen der letzten Jahre unter erheblichem Druck. Um in diesem Umfeld erfolgreich zu agieren, benötigen die Versicherer ebenfalls aktuelle, umfassende und verlässliche Informationen über die unterschiedlichen Ergebnis- und Risikoquellen ihrer Unternehmen.

Probleme des Berichtswesens

Es gehört zu den Eigenarten des Versicherungsgeschäfts, dass zum Zeitpunkt der Monats-, Quartals- oder Jahresberichterstattung große Teile der notwendigen Informationen noch nicht zur Verfügung stehen. Für eine zeitnahe Berichterstattung müssen daher zentrale Größen wie Beiträge, Schäden oder Provisionen zumindest in Teilen geschätzt werden. Im Bereich des aktiven Rückversicherungsgeschäfts verschärft sich diese Problematik, da hier über die Versicherungsunternehmen hinweg Informationen zu den Beiträgen und Schäden gesammelt, verdichtet und ausgetauscht werden müssen. Das Reporting eines Versicherungsunternehmens muss also in der Lage sein, neben Istdaten auch Schätz- und Plandaten zum Zeitpunkt der Berichterstellung richtig miteinander zu kombinieren.
Die bisher weitgehend isoliert betrachteten Daten zu Versicherungsvertragsbeständen, Kapitalanlagen und betriebstechnischen Verfahren müssen zu diesem Zweck immer enger verknüpft werden und zeitnah gemeinsam auswertbar sein. Darüber hinaus sind externe Daten anderer Versicherer, externer Anbieter oder aus dem Internet in die Berichterstattung mit einzubeziehen, in den benötigten Zusammenhang zu stellen und gemeinsam auszuwerten.
In vielen Versicherungsunternehmen und -konzernen sieht die Realität jedoch noch anders aus. Die reportingrelevanten Daten liegen verteilt und unverknüpft in mehreren Bestands-, Schaden-, Vertriebs-, Zahlungs-, Kapitalanlage- und Buchhaltungssystemen. Die Informationen müssen mit hohem Aufwand gesammelt, präsentabel aufbereitet und an die Empfänger verteilt werden. Die bestehenden Verfahren zur Datenbeschaffung und -aufbereitung sind häufig zu aufwändig und langsam. Der Reportingprozess ist durch Medienbrüche und manuelle Tätigkeiten gekennzeichnet.

Business Content zu Jahresabschlussdaten

Auf Basis von SAP Business Intelligence hat die ConVista Consulting AG zwei inhaltlich zusammenhängende Lösungen speziell für Versicherungsunternehmen geschaffen. Zum einen wurde versicherungsspezifischer Business Content im Bereich der Jahresabschlussanalysedaten deutscher Sach-, Lebens- und Krankenversicherer entwickelt. Dieser Business Content macht die Daten der seit 1975 unter Führung von Professor Dieter Farny erhobenen Jahresabschlussinformationen der deutschen Versicherer im SAP BI verfügbar. Die entwickelte Lösung ermöglicht es, Daten externer Marktanalysen mit vergleichsweise geringem Implementierungsaufwand in das eigene Berichtswesen zu integrieren. Anbieter der Daten ist die KIVI Kölner Institut für Versicherungsinformation GmbH. Die Jahresabschlusskennzahlen werden nach Themenbereichen gruppiert, beispielsweise zu Schäden, Betriebskosten, Ergebnissen aus dem Versicherungsgeschäft, Wachstumsgrößen oder Kapitalanlagestrukturen. Die entwickelten logischen Datenmodelle in Form von InfoCubes mit den Kennzahlen und Merkmalen stehen darüber hinaus für unternehmensindividuelle frei gestaltbare Berichte zur Verfügung, die sich auf einfache Weise in eine Internet-Portallösung integrieren lassen.
Der Wert des Business Content zu den KIVI-Daten beschränkt sich daher nicht nur auf die bereitgestellten Berichte, sondern beinhaltet auch erhebliches Know-how im Bereich der Kennzahlenbildung für Unternehmensanalysen.
Die Verwendung des KIVI-Business-Content erspart Aufwand, der ansonsten regelmäßig für die präsentationsfähige Zusammenstellung von Jahresabschlussdaten anfällt.
Die Entwicklungen wurden in einem eigenen, bei der SAP registrierten Namensraum durchgeführt. Dies erleichtert die Installation und verhindert Kollisionen mit anderen BW-Lösungen eines Versicherers.

Prototyp mit internen Daten

Jahresabschlussinformationen bilden jedoch in der Praxis allenfalls den Ausgangspunkt oder eine wertvolle Ergänzung für die strategische Analysen eines Versicherungsunternehmens. Erst der direkte Durchgriff beziehungsweise die direkte Rückkopplung mit den internen Unternehmensdaten bis auf eine möglichst detaillierte Ebene ermöglicht ein zeitgemäßes Risiko- und Erfolgscontrolling.
Um die Datenintegration zwischen unterschiedlichsten Datenquellen praxisnah darzustellen, wurde zum zweiten der Business Content in einem Prototyp zusätzlich mit internen versicherungstechnischen Daten eines Versicherers – wie Prämien, Schadens- und Provisionsdaten – verknüpft. Die Beschaffung und Verknüpfung der Daten aus den verschiedenen Vorsystemen ist die eigentliche Herausforderung im Aufbau des SAP Business Information Warehouse (SAP BW) eines Versicherungsunternehmens. Mit der Lösung lassen sich im SAP BW die versicherungstechnischen Daten bis auf die Ebene einzelner Vertragsarten, Kundengruppen oder Vertriebswege in der Praxis auffächern.
Die Kombination der internen Daten des Versicherers und externer Daten der KIVI bietet neue Analysemethoden ausgehend vom aggregierten Vergleich mit Konkurrenten auf der Unternehmensebene bis herunter auf einzelne Versicherungsarten oder Kundengruppen des eignen Unternehmens. SAP BW integriert so die vielfältigen jahresabschlussrelevanten Informationen und stellt ein leistungsfähiges Reporting auf einer einheitlichen Oberfläche zur Verfügung.
Mittels des Business Explorers lassen sich in einer einfach zu bedienenden Oberfläche rasch individuelle Berichte in MS Excel erstellen, über HTML im Internet oder im SAP Enterprise Portal (SAP EP) publizieren. Das SAP EP stellt die Daten unternehmensweit zur Verfügung und ermöglicht, zum Beispiel durch Kommentare, Hilfestellung bei der Verwendung und Interpretation der Daten. Durch den direkten Versand von Daten aus dem SAP EP über die Funktion Information Broadcasting oder durch das gemeinsame Arbeiten mehrerer Personen mit SAP EP lassen sich zudem neue Wege der Kommunikation und Teamarbeit im Unternehmen beschreiten.

Integrierter Reportingprozess

Die dargestellte BW-Lösung zu verwirklichen, ist für einen Versicherer durchaus aufwändig. Denn die häufig historisch gewachsenen Datenstrukturen müssen analysiert und verknüpft, die Vorsysteme an SAP BI angebunden und die Daten im SAP BI aufbereitet werden. Es ist daher zu empfehlen, die Lösung in fachlich zusammenhängenden, inhaltlich abgeschlossenen Abschnitten zu implementieren. Mit dem vordefinierten KIVI-Business-Content ist es jedoch rasch möglich, den Nutzen und das Potential der BW-Anwendung unternehmensweit zu präsentieren.
Ist der Aufwand für den Aufbau einer strukturierten SAP-BW-Lösung erst einmal geleistet, erschließen sich erfahrungsgemäß weitere Nutzungsmöglichkeiten. Die Tiefe der abgebildeten Informationen aus den Vorsystemen, der leichte Zugriff und die Möglichkeit ihrer individuellen Ad-hoc-Zusammenstellung machen die SAP-BW-Daten nicht nur als Controlling-, Rechnungswesen- oder Managementinstrument interessant. Je detaillierter die Daten zur Verfügung stehen, um so breiter ist der potentielle Kreis der Anwender. Interessenten sind zum Beispiel die Spartenverantwortlichen, das Marketing oder die Kapitalanleger des Versicherers. Mit der SAP-Financials-Produktpalette stehen leistungsfähige Analyse-, Simulations- und Präsentationstools für die Verarbeitung der Daten zur Verfügung.
In vielen Versicherungsunternehmen müssen noch erhebliche Anstrengungen unternommen werden, um einen derart umfassenden, hoch integrierten Reportingprozess mit laufend aktualisierten Daten aus den Vorsystemen zu schaffen. Die Neugestaltung der Reportingprozesse sollte jedoch zügig aufgenommen werden, damit sich die Daten nicht nur für jetzt bekannte, sondern auch für künftige, jetzt noch nicht genau festliegende Reportinganforderungen verwenden lassen. Unterbleiben diese Anstrengungen, besteht die Gefahr, dass sich die Versicherungsunternehmen noch mehr als bisher in Insellösungen und den dadurch entstehenden Problemen verlieren. Integrität, Aktualität und Qualität der Daten ist in verteilten unverknüpften Datenbeständen langfristig nicht zu gewährleisten.

Klaus Heimes
Klaus Heimes