
Herr Schindewolf, womit beschäftigt sich die Arbeitsgruppe Linux der DSAG?
Schindewolf: Wir beschäftigen uns in unseren Treffen, zuletzt im Mai 2005, mit aktuellen Themen aus der Linux-Welt wie MaxDB und „Unbreakable Java“, der nächsten Generation des SAP Web Application Server Java Stacks. Schwerpunktthema war zuletzt der Einstieg in die 64-Bit-Welt mit Linux.
Welche Linie vertritt SAP bei den Java Stacks?
Schindewolf: SAP hat zugesagt, fast alle Funktionalitäten, die die Kunden aus der ABAP-Welt kennen, in den Java Stack zu übernehmen. Auch gewohnte Tools aus der ABAP-Welt wie Traces für die Fehlersuche lassen sich bald auch für die Analyse des Java-Stacks heranziehen.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit der AG Linux der DSAG mit anderen Gremien wie SAP LinuxLab?
Schindewolf: Sehr produktiv. Die Mitglieder der DSAG-Arbeitsgruppe verfügen über ein ausgesprochen gutes Know-how und sind sehr experimentierfreudig. Wir tauschen Informationen und Tipps über Mailinglisten und persönliche Kontakte aus. Von diesem Dialog profitieren die Anwender – und die SAP.
Welche Erfahrungen haben Sie mit Linux bei Infraserv gemacht?
Schindewolf: Ich habe drei Jahre bei Infraserv im Systembetrieb gearbeitet und beispielsweise in Projekten Systemlandschaften aufgebaut und betreut. Dabei war ich immer wieder vom einfachen Management, den nützlichen Tools und der Performance unter Linux beeindruckt. Der SAP-Systembetrieb mit Linux macht den Administratoren regelrecht Spaß, da Linux im Vergleich zu Windows flexibler und robuster ist. Mit der neuen 64-Bit-Technologie für Linux können SAP-Anwender die Systemleistung weiter steigern und gleichzeitig die Kosten senken.
Mittlerweile sind fast alle SAP-Produkte für Linux verfügbar. Linux ist dabei zunächst nur eine weitere Plattform, die von SAP unterstützt wird. Die Plattform bietet die Vorteile eines Unix-Systems auf vergleichsweise günstiger Hardware.
Welche Rolle spielen Linux-Plattformen für die SAP-Strategie?
Schindewolf: Wir setzen überall dort Linux ein, wo es aus Sicht des Systembetriebes sinnvoll ist. Bereits heute betreiben wir bei Infraserv die Lösungen mySAP Customer Relationship Management (mySAP CRM) und SAP NetWeaver – SAP Web Application Server auf Linux. Gerade haben wir unseren SAP Enterprise Buyer (SAP EB) von Windows nach Linux migriert, das Kundenportal soll bald folgen. Das Drucken aus SAP erledigen wir mit einer skalierbaren und ausfallsicheren Lösung auf mehreren Linux-Servern. Lediglich unser SAP R/3 und das SAP Business Information Warehouse (SAP BW) sind noch auf HP-Unix-Basis. Hier bestehen sehr hohe Anforderungen an die Skalierbarkeit und die Performance, die der bisherige Linux-Standard mit 32 Bit nicht erfüllt.
Wie kommt die Kombination von SAP-Lösungen und Linux bei den Kunden an?
Schindewolf: Die SAP-Kunden, die auf Linux als strategische Plattform setzen, sind insgesamt zufrieden. Leider muss für manche Produkte immer noch eine Microsoft Plattform installiert sein – beispielsweise bei der Integration einiger SAP-Produkte mit Microsoft-Produkten wie Exchange. Nach meinen Informationen gibt es heute weltweit mehrere tausend Linux-Installationen auf Zentral- und Applikationsservern. Und das Interesse an den Erfahrungen von SAP-Anwendern über Migrationserfahrungen in unserer Arbeitsgruppe ist weiterhin hoch. In der DSAG geben die SAP-Anwender ihre Erfahrungen und ihr Know-how gerne an potenzielle Linux-Umsteiger weiter.
SAP hat mit dem Linux-Anbieter Suse eng zusammen gearbeitet, indem dessen Linux Enterprise Server für SAP-Lösungen zertifiziert wurde. Hat sich durch die Übernahme von Suse durch Novell etwas daran geändert?
Schindewolf: Bislang wirkt sich das positiv auf die Kunden aus: So hat Novell die Linux-Enterprise-Server von Suse mit Hilfe eigener Lösungen verbessert, beispielsweise mit Suse Linux Enterprise Server 9.
SAP kooperiert auch mit Microsoft enger. Sehen Sie darin eine Bedrohung für die Weiterentwicklung von SAP-Linux-Lösungen?
Schindewolf: Nein. Auf dem Softwaremarkt sind die führenden Hersteller nun mal gleichzeitig Wettbewerber und Partner. Kein Hersteller kann seinen Kunden gute Produkte bieten, ohne sich kooperativ zu verhalten. Für Linux gelten sowieso andere Gesetze, denn der Markt ist hier viel größer und vielfältiger: Die Open-Source-Gemeinde ist die größte Entwicklergemeinde der Welt und daher für alle kommerziellen Softwarehersteller ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. Ohne die Community wären viele heutige Entwicklungen nicht denkbar; kein Hersteller wird sich dieser gigantischen Ressource freiwillig verschließen.
Wie erklären Sie sich denn den Rückschlag für Linux im Rahmen des Projekts mit der Stadt München? Wie können sich andere Kunden vor nachträglichen Patentklagen schützen?
Schindewolf: Meiner Meinung nach sind reine Softwarepatente nicht akzeptabel. Die Entwicklung von Applikationen ist nicht mit der Entwicklung eines hochwertigen Produkts wie beispielsweise in der Pharmaindustrie vergleichbar und rechtfertigt daher keinen Patentschutz. Die Kunden sollten sich von solchen Diskussionen nicht beeindrucken lassen. Seine Kunden zu verklagen, ist sicher nicht das richtige Mittel, um Umsatz und Gewinn zu steigern. Das wissen auch die Softwarehersteller. Wer Patente als einzigen Ausweg sieht, die Kunden zum Kauf seiner Software zu bewegen, statt auf Open-Source-Produkte zu setzen, sollte sein Geschäftsmodell überdenken. Im Übrigen hat ein Gutachten in München gezeigt, dass freie Software nicht mehr Patentrisiken birgt als kommerzielle.
Begünstigen Entwicklungen wie Web-Services und Java-Anwendungen auch die Beliebtheit von Linux?
Schindewolf: Auf jeden Fall. Sicherheit hat einen hohen Stellwert bei Web-Services und Java-Applikationen, die in offenen Netzen verwendet werden. Da der Linux-Quellcode frei verfügbar ist, ist seine Sicherheit potenziell höher als die von proprietären Systemen wie Windows. Linux ist deshalb die erste Wahl als Plattform für Web-Anwendungen. Das zeigen auch die steigenden Installationszahlen für Webserver mit Linux-Betriebssystem.
Können Linux und SAP gemeinsam eine Art technologische Marktführerschaft erreichen?
Schindewolf: Meines Erachtens ist Linux unter den Betriebssystemen der technologische Marktführer – ob in kleinen Embedded Devices oder in Großrechnern. Insofern ist der Schritt der SAP, sämtliche SAP-Anwendungen auf Linux verfügbar zu machen, nur logisch. Beide Systeme können sich gegenseitig unterstützen.
Wer sind die größten Linux-Fans?
Schindewolf: Vor allem IT-Fachleute, die ihre guten Erfahrungen an IT-Manager weitergeben. Ich habe den Eindruck, dass man in europäischen Unternehmen aufgeschlossener gegenüber Linux ist als beispielsweise in den USA.
Was wünschen Sie sich als Kunde von SAP und Linux?
Schindewolf: Alle SAP-Lösungen sollten auf Linux laufen und keine bestimmten Komponenten der Microsoft-Welt voraussetzen. Soweit sind wir leider noch nicht. Anwendungen wie Open Office, SAP-GUI für Java und Mozilla-Browser werden bald Bestandteil von SAP-Arbeitsumgebungen sein. Stand heute lässt sich statt der üblichen Windowsoberfläche für SAP auch eine Java- basierte und damit plattformunabhängige einsetzen. Die Integration von Open Office soll ins nächste NetWeaver-Release einfließen, lässt sich aber bereits mit einer bei SAP erhältlichen Demo-CD testen. Die DSAG fragt zu diesen Entwicklungen regelmäßig bei SAP nach.