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Wenn von Südafrika die Rede ist, geraten viele ins Schwärmen: Sie erzählen von ihrem letzten Urlaub, von Safaris, Golfplatz und Tafelberg, traumhaften Stränden und schmackhaftem Rotwein. Es gibt aber auch ein anderes Südafrika – eines mit tiefgreifenden Problemen. Probleme, die oftmals auf die noch junge Vergangenheit unter dem Apartheid-Regime zurückgehen. Ein solches Problem ist der Mangel an gut ausgebildeten Lehrern und als unmittelbare Folge davon ein Mangel an guten Absolventen, die in Südafrikas Wirtschaft dringend gebraucht werden. Im gerade veröffentlichten „Global Information Technology Report“ wurde Südafrika bei der Kompetenz der Mathematik- und Naturwissenschaftslehrer Platz 96 von 104 evaluierten Ländern bescheinigt. Das ist sozusagen eine Note 6. Die derzeit aktiven Lehrer bekommen nicht zuletzt wegen der restriktiven Bildungspolitik, unter der sie während der Apartheid zu leiden hatten, schlechte Noten. Damals wurde der schwarzen und farbigen Bevölkerung eine gute Ausbildung verwehrt. Hinzu kommt die AIDS-Pandemie, die viele Arbeitskräfte im leistungsfähigen Alter zwischen 20 und 40 dahinrafft.
Als Reaktion wurde das Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Africa Drive Project“ (ADP) geboren. Im Rahmen einer „Public-Private-Partnership“ arbeitet SAP Research zusammen mit internationalen Partnern daran, die Ausbildung der Lehrer zu verbessern. Neben dem Kultus- und Finanzministerium der Provinz Nordwest, der North-West University und anderen ist auch die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) beteiligt, welche die Entwicklungshilfe der deutschen Bundesregierung verwaltet. Die Entwicklungspolitik fördert bewusst Partner aus der Privatwirtschaft, sobald diese Wissen oder Produkte bieten, die die Entwicklung eines Landes vorantreiben. Entsprechend wurde das Projekt von den Partnern kofinanziert.
Das Projekt entwickelt, testet und implementiert innovative Lernmodelle, die sich moderner Methoden und Werkzeuge bedienen – Modelle, die Politik und Gesellschaft über die Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) in der Weiterbildung informieren und letztendlich den digitalen Graben zwischen Erster und Dritter Welt zu überbrücken helfen. Neben Fachwissen in Mathematik und Naturwissenschaften werden didaktische Methodik, sprachliche Fähigkeiten und Computerkenntnisse vermittelt. Das Lernprogramm trägt ebenso der gesellschaftlichen Rolle des Lehrers in der Provinz Rechnung, indem es Gesundheitsthemen (HIV, Tuberkulose), Umwelt und Menschenrechte in den Vordergrund rückt. Die Lehrer lernen den Umgang mit IKT als integrativem Bestandteil des täglichen Unterrichts. Ziel des Projekts ist das Roll-Out lokal relevanter Lern-, Technik-, Geschäfts- und Transformationskonzepte in der gesamten Nordwestprovinz Südafrikas.

Die Augen für Neues öffnen

Nach einer Projektvorbereitungs- und Implementierungsphase von zweieinhalb Jahren ging das Africa-Drive-Projekt im Oktober 2004 live. Etwa 260 Lehrer sind seither für das berufsbegleitende ACE-Programm (Advanced Certificate in Education) registriert und auf acht Lernzentren in ländlichen Gegenden der Nordwestprovinz verteilt. Für viele der Teilnehmer ist das die erste Begegnung mit Informationstechnik. Die Lehrer kommen aus entlegenen Dörfern, ihre Schulen sind miserabel ausgestattet. Viele leben in Townships unter schwierigen Umständen. Dies lässt verstehen, warum die Teilnehmer hoch motiviert sind. Sie sind bereit, oft hunderte von Kilometern zurückzulegen und ihre Freizeit der beruflichen Fortbildung zu widmen. Philip Zimane, einer der Teilnehmer stellt fest: „Ich lerne Dinge, die vorher undenkbar waren. Für mich ist das ein echtes Erlebnis.“
Das Programm ist straff organisiert. Zweiwöchentlich finden so genannte „Face-to-Face-Treffen“ statt, bei denen die Teilnehmer eine Einführung in die anstehenden Lerninhalte erhalten. Diese werden in Gruppenarbeit, webgestützten Lektionen und Aufgaben eigenständig durchgenommen. „Wir glauben an eine Mixtur verschiedener Methoden der Wissensvermittlung, die begleitet wird durch Moderatoren“, erläutert Projektleiter Danie Kok die Philosophie. Diesen Moderatoren fällt eine Schlüsselrolle zu, da sie den Lerner dabei unterstützen, mit der Veränderung klarzukommen. Dabei ist Kok wichtig, dass „Lernen die Technik bestimmt und nicht umgekehrt“. Technik steht nicht im Vordergrund bei diesem Projekt, sondern der Mensch. Das ADP versucht ein Umdenken zu erreichen und „Technophobien“ zu vermeiden, damit innovative Lehrmethoden in den Klassenräumen angewandt werden können.

Einfachheit ist Trumpf

Als Lernplattform dient die SAP Learning Solution, die an den lokalen Bedarf angepasst wurde. Insbesondere das Lernportal wurde stark vereinfacht, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass viele keine Computerkenntnisse besitzen. Denn der Schlüssel zum Erfolg beim E-Learning liegt in der Einfachheit und Nutzerfreundlichkeit der Software. Dennoch werden fortschrittliche systemtechnische Methoden genutzt, beispielsweise elektronische Testverfahren und die elektronische Kontrolle des Lernfortschritts.
Caching von Lerninhalten und Datenkompression werden erprobt, um dem notorischen Bandbreitenproblem zu begegnen. Noch immer ist der Telekommunikationsmarkt nicht liberalisiert, weshalb Breitbandtechnik wenig verbreitet und sündhaft teuer ist. Zudem sind Probleme an der Tagesordnung, die für europäische Verhältnisse schwer nachvollziehbar sind: Stromausfälle sind keine Seltenheit, bei Regen bricht schon mal der öffentliche Nahverkehr zusammen, und die Teilnehmerzahl schwindet entsprechend.
Trotz solcher Unzulänglichkeiten an der Infrastruktur zieht die Moderatorin des Lernzentrums in Mmabatho, Tumisang Tselang, eine positive Zwischenbilanz: „Der Weg vor uns ist nicht leicht. Wir können nicht alle Probleme mit dem Computer lösen, aber wir haben schon viel erreicht.“ Die derzeitige Pilotphase dient dazu, zu lernen und die optimale Lösung schrittweise für das Rollout zu entwickeln. „Best Practices“ und Konzepte aus Industrienationen greifen nur bedingt, eine lokal angepasste Lösung ist zwingend erforderlich. Die Pilotphase dauert noch bis Ende 2006. Das Rollout ist für 2007 geplant.
Bis dahin will SAP Research noch weitere Projekte in Südafrika implementieren. Das Fokusteam „Socio-economic Development“ möchte ganzheitliche Lösungen schaffen, die Entwicklungsländer in deren sozioökonomischer Entwicklung nachhaltig unterstützen. Projekte zum Ausbau des Gesundheits- und Bildungswesens, sowie Lösungen für private Organisationen sind bereits im Gang.

Christian Merz