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Einem gestiegenen Sicherheitsbewusstsein müssen nun Taten folgen

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Joachim von Gottberg
Joachim von Gottberg

Herr von Gottberg, wer braucht die DsiN?

Gottberg: Jeder, denn Sicherheitslücken können uns alle betreffen. Das Internet nimmt eine hohe gesellschaftliche Bedeutung ein – man denke nur an Online-Banking oder den Online-Handel. Aber es ist auch ein sehr offenes und recht anonymes System und somit anfällig für Angriffe. Dadurch können Unternehmen, aber auch dem einzelnen Nutzer große Schäden entstehen. Einige im Netz angebotene Inhalte überschreiten auch gesellschaftliche Tabus und gefährden damit Kinder oder Jugendliche. Auch dagegen hat sich die DsiN entwas einfallen lassen.

Wie will DsiN Anwender dazu bringen, bewusster mit Sicherheitsfragen umzugehen?

Gottberg: Merkwürdigerweise hakt es oft nicht am mangelnden Bewusstsein für Sicherheitsrisiken, sondern eher daran, auch tatsächlich entsprechend zu handeln: Auf diesem Gebiet sind die Anwender in Deutschland, gemessen am internationalen Durchschnitt, leichtsinnig. Nur sechs Prozent der deutschen Nutzer haben auf ihrem Rechner einen optimalen Schutz installiert, international sind es immerhin 19 Prozent. Jeder kennt das ja selbst: Wenn einem über längere Zeit nichts passiert ist, wird man träge. Erst wenn man einmal Opfer war, wird man vorsichtig.

Wir von der DsiN wollen durch Aktionen, aber auch durch Öffentlichkeitsarbeit diese Risiken immer wieder ins Bewusstsein zurückrufen. Gleichzeitig setzen die an DsiN beteiligten Partner alles daran, Sicherheitsrisiken immer wieder neu zu definieren und auch für neu aufgetretene Risiken rasch optimale Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Letztes Jahr haben wir beispielsweise einen Sicherheits-Truck in verschiedene große deutsche Städte geschickt. Dort konnten Anwender ihren Computer auf seinen Sicherheitsstandard checken lassen. Diese Aktion sorgte dafür, dass über 300.000 Menschen ihren Computer checken und ihn anschließend optimal schützen ließen. Die entsprechende Sicherheitssoftware lässt sich übrigens jederzeit unter www.sicher-im-netz.de kostenlos herunterladen. So hoffen wir darauf, dass weitere zigtausend Anwender ihren Computer besser sichern. An dieser Aktion haben wir sehen können, dass es nicht genügt, das technisch Machbare herzustellen und anzubieten, sondern vor allem auch die Menschen dazu zu bringen, das Verfügbare zu nutzen. Und das geht eigentlich nur mit öffentlicher Aufmerksamkeit.

Gibt es bereits messbare “Erfolge”?

Gottberg: Im Gegensatz zu vielen vergleichbaren Initiativen handelt es sich bei DsiN nicht um einen unverbindlichen Debattierclub. Vielmehr beteiligen sich alle Partner an zumindest einem der acht Handlungsversprechen, zu deren Einlösung sie sich bis zu einem festgelegten Zeitpunkt verpflichtet haben:

  1. Medienkompetenz für Kinder- und Jugendliche
  2. Ein für Alle verfügbarer Sicherheitscheck
  3. Lernpaket für den sicheren Online-Handel
  4. IT-Sicherheitspaket Mittelstand
  5. Sicherheitstipps für Softwareentwickler und Studenten
  6. Einrichtung von Online-Anwendungszentren sowie kostenlose PKI-Zertifikate für bis zu 10.000 kleine und mittelständische Unternehmen
  7. Entwicklung eines Sicherheitsbarometers für Bedrohungen im Internet, die ein unmittelbares Handeln des einzelnen Internetnutzers erforderlich machen
  8. Einrichtung einer Beschwerdestelle zu illegalen und schädigenden Internetinhalten (www.internet-beschwerdestelle.de).

Außer dem Sicherheitsbarometer, das wir bis Ende 2006 hoffen, live schalten zu können, haben wir bereits 2005 alle anderen Handlungsverpflichtungen erfüllen könnnen. Der Resonanz der einzelnen Handlungsversprechen beim Nutzer ist unterschiedlich, was in der Natur der Sache liegt. Beispielsweise die Schulung von Softwareentwicklern ist sehr wichtig, aber der Nutzer wird davon unbemerkt profitieren, wenn seine zukünftigen Programme störungsfreier arbeiten.

Welche Aktionen führt die DsiN 2006 durch?

Gottberg: Zunächst werden wird am 25. April unseren ersten Bilanzgipfel durchführen und Resümee ziehen: Waren die Handlungsversprechen sinnvoll? Wie sind sie angenommen worden? Welche Lücken müssen noch geschlossen werden? Die Initiative war zunächst für ein Jahr angelegt, aber aufgrund der sehr positiven Resonanz wird derzeit darüber nachgedacht, wie man sie etablieren kann. Weitere Handlungsversprechen werden folgen, welche und wie viele es sein werden, werden wir nach einer Analyse der gegenwärtigen Sicherheitslücken entscheiden.

Was war “Ihr” spezielles Versprechen?

Gottberg: Das erste Handlungsversprechen betraf mich als Vertreter des Deutschen Kinderhilfswerks persönlich: Kinder sollten für Sicherheitsrisiken sensibilisiert werden. Das Kinderhilfswerk hat daraufhin das Portal “Internauten” für Kinder ins Leben gerufen. Dort zeigen Trickfiguren, eine Art Internetdetektive, den Kindern Bereiche des Netzes, die für sie riskant sind. Das macht Spaß, und gleichzeitig lernen die Kinder, sich sicher im Netz zu bewegen, zum Beispiel, keine Daten von sich preis zu geben und sich in Chats vorsichtig zu verhalten. Auch hier ist die Botschaft, die wir generell vermitteln wollen: ‘Seid skeptisch!’ Als der Sicherheitstruck unterwegs war, konnten die Kinder dort auch Internauten probieren. Sie nahmen es begeistert auf. Im Dezember 2005 haben wir mit der Ausgabe eines Koffers mit medienpädagogischem Begleitmaterial begonnen, der inzwischen in Rheinland -Pfalz als erstem Bundesland an alle Schulen verteilt wurde. Nach und nach soll er auch in allen anderen Bundesländern ausgegeben werden.

Woran will sich DsiN messen lassen?

Gottberg: Eigentlich an unserem eigenen Namen. Der Slogan “Deutschland sicher im Netz” ist bereits unser langfristiges, natürlich nie ganz erreichbares Ziel. Komplexe Systeme sind nun mal nicht frei von Störungen. Es geht uns auch nicht um absolute, sondern um optimale Sicherheit, und daran wollen wir uns messen lassen.

Wie klappt die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Körperschaften in DsiN?

Gottberg: Letztlich profitieren ja alle von einer Zusammenarbeit. Vielleicht funktioniert diese deshalb so ausgezeichnet. Immerhin haben wir sehr unterschiedliche Aspekte – vom Kampf gegen Viren bis zum Kinderschutz – erfolgreich in Angriff genommen. Im Grunde sind alle, die sich um Sicherheitsaspekte im Netz kümmern, erst einmal unsere natürlichen Verbündeten. Bisher kann ich daher auch außerhalb von DsiN keine konkurrierenden Initiativen erkennen. Jeder, der etwas Gutes anzubieten hat, kann sich unserer Initiative anschließen. In der Anfangsphase musste man sich erst etwas beschnuppern, vor allem herrschte bei den wirtschaftlich weniger bedeutenden Partnern eine gewisse Befürchtung, die Stärkeren würden das Projekt dominieren. Diese hat sich inzwischen gelegt.

Welche (wirtschaftlichen) Vorteile erwarten die beteiligten Unternehmen von der Initiative?

Gottberg: Zunächst kostet jeder Ausfall von Servern aufgrund von Viren viel Geld, und niemand weiß, wen es als nächstes trifft. Es liegt daher im Interesse der Unternehmen, die das Internet wirtschaftlich nutzen, alles zu tun, um so viel Sicherheit wie möglich herzustellen.

Wäre eine internationale Initiative für Internetsicherheit nicht wirkungsvoller?

Gottberg: Eins nach dem andern. DsiN arbeitet jetzt gerade einmal seit einem Jahr. Dabei wurde viel erreicht, wir haben viele Erfahrungen gemacht. Wenn das in Deutschland weiterhin gut funktioniert und nachweislich Erfolge bringt, könnte ich mir vorstellen, dass sich in anderen Ländern ähnliche Initiativen entwickeln, die dann auch zusammenarbeiten.

Wird man in zehn Jahren noch über IT-Sicherheit reden müssen?

Gottberg: Oh ja. Wahrscheinlich sind die Attacken dann völlig andere, aber ein verzweigtes und umfassendes Kommunikationssystem wird wohl immer für Angreifer interessant sein.

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