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Rechnungslegung nach IFRS
Rechnungslegung nach IFRS

Für börsennotierte Unternehmen, ob multinationaler Konzern oder mittelständische Firma, sind laut EU-Vorschrift seit dem Jahr 2005 Konzernabschlüsse nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) bereits verpflichtend. Außerdem gelten die IAS/IFRS-Vorschriften praktisch weltweit für alle internationalen Aktiengesellschaften, denn die großen Börsen schreiben diese Form der Rechnungslegung verpflichtend vor.

Gültigkeit der IFRS
Gültigkeit der IFRS

Kleine und mittlere Unternehmen sind – soweit sie nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen sind – bisher von dieser Verpflichtung freigestellt. “Allerdings werden künftig auch viele nicht am Kapitalmarkt orientierte Mittelständler nicht umhin kommen, nach IFRS zu bilanzieren”, ist Thomas Dräger überzeugt, bei der Prüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) für den Bereich Mittelstand innerhalb der International Reporting Group verantwortlich. Zum einen fordern bereits verschiedene Länder die Rechnungslegung nach IFRS, zum anderen ist es Ziel der EU in ihrem Wirtschaftsraum auch für Mittelständler einheitliche Regelungen und damit vergleichbare Regelungen für Jahresabschlüsse zu schaffen.

IFRS-Umstellung verbessert Wettbewerbsfähigkeit

Darüber hinaus können laut PwC-Experte Dräger vor allem international agierende Mittelständler von einer Umstellung profitieren. Insbesondere wird die Kommunikation mit Kreditgebern und Investoren erleichtert, was die Möglichkeiten erhöht, internationale Kapitalgeber zu gewinnen. Vergleiche mit den (oft börsennotierten) Wettbewerbern werden vereinfacht. Ferner führen die IFRS zu einer verbesserten Unternehmenssteuerung, verbilligten Finanzierung (Stichwort Basel II), erhöhter Integrations- und Kooperationsfähigkeit und zu einer effizienteren unternehmensinternen Verständigung.

Vorteile von IFRS
Vorteile von IFRS

Trotzdem fragen sich viele mittelständische Firmen welchen direkten Nutzen die IFRS für sie haben. Einer von mehreren Gründen ist die Globalisierung. “Wenn beispielsweise ein Automobilzulieferer aus Deutschland seinem Kunden in den USA den Jahresabschluss vorlegen muss, dann hat er mit einer Bilanz nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (HGB) schlechte Karten”, sagt Norbert Winkeljohann, Leiter des Geschäftsbereichs Mittelstand bei PwC. Ferner ist es für international agierende Mittelständler schwierig beispielsweise von ihrer US-Tochtergesellschaft einen HGB-Abschluss zu bekommen. Ebenso basieren inzwischen Akquisitionen und Fusionen international weitgehend auf IFRS. Weiterer Punkt: Durch eine frühzeitige Umstellung können die Firmen Internationalisierungsstrategien schneller vorantreiben und das hierfür notwendige Fremdkapital leichter beschaffen.

Mittelstand zögert noch mit Umstellung

Doch wie bewerten Mittelständler die (noch freiwillige) Umstellung auf die neuen Regelungen? “Hierauf gibt es keine eindeutige Antwort”, erklärt Thomas Dräger. Diverse Studien bestätigen die Einschätzung des PwC-Spezialisten. Nach einer Umfrage, die die DIHK (Deutsche Industrie- und Handelskammer) und PwC durchführten, bekunden beispielsweise Betriebe mit Umsätzen von mehr als 60 Millionen Euro im Jahr ein deutlich stärkeres Interesse, künftig nach IFRS zu bilanzieren als kleinere Firmen. Gleiches gilt für international tätige Mittelständler mit Tochtergesellschaften in verschiedenen Ländern.

Europavergleich
Europavergleich

Das französische Beratungsunternehmen Mazars arbeitete in einer europaweiten Untersuchung – befragt wurden börsennotierte und nicht börsennotierte Mittelständler in insgesamt sieben Ländern, darunter Deutschland, die Benelux-Staaten, Spanien, Frankreich, Italien und Großbritannien – vor allem die länderspezifischen Unterschiede heraus. Im Durchschnitt möchten die meisten von den befragten und nicht börsennotierten Firmen auf IFRS umstellen. Nach Ländern betrachtet wollen beispielsweise in den Benelux-Staaten rund 80 Prozent und in Italien noch 60 Prozent der Befragten rasch die organisatorischen Voraussetzungen für eine IFRS-Umstellung schaffen. Auch 57 Prozent des Mittelstands in Frankreich sind gegenüber den IFRS-Regelungen aufgeschlossen. 90 Prozent der befragten deutschen Mittelständler wollen hingegen warten, bis die Umstellung von der Rechtslage her unumgänglich wird. Für deutsche Mittelständler kommt die DIHK/PwC-Untersuchung zu ähnlichen Ergebnissen. Demnach sehen 79 Prozent derzeit keinen Bedarf von den Rechnungslegungsvorschriften nach dem HGB auf die internationalen Regelungen umzustellen. Ähnlich reserviert gegenüber den neuen Regelungen zeigen sich Mazars zufolge Mittelständler aus Großbritannien. Hier wollen 73 Prozent noch mit der Umstellung warten.
Trotz dieser länderspezifischen Divergenzen: Einigkeit herrscht nach den Studien von Mazars sowie DIHK/PwC im europäischen Mittelstand darüber, dass die Umstellung auf IFRS ein langer und durchaus kostenintensiver Prozess ist. Eine Erhebung des Institut für Rechnungswesen und Controlling der Universität Zürich (IRC) bei mehr als 300 Schweizer Mittelständlern rechnet – je nach Unternehmensgröße und Komplexität – mit Umstellungskosten zwischen umgerechnet rund 64.500 bis zu 322.000 Euro. Als Wesentliche Kostenblöcke identifiziert das IRC hierbei die Überarbeitung des Accounting Manual, Personalkosten für Aus- und Weiterbildung sowie interne Umstrukturierungen. “Hinzu kommen noch Kosten für externe Beratung sowie für die Umstellung der Unternehmens-IT, speziell der Finanzbuchhaltung”, sagt Thomas Dräger.

Komplexe und umfangreiche Regeln

Ein weiterer Aspekt ist, dass “die IFRS in ihrer jetzigen Fassung ein umfangreiches und komplexes Regelwerk sind, das explizit für die Rechnungslegung großer kapitalmarktorientierter Unternehmen geschaffen wurde”, gibt PwC-Experte Dräger zu bedenken. Das derzeitige Regelwerk umfasst immerhin rund 2.400 Seiten. Insbesondere für kleinere und nicht auf die internationalen Märkte ausgerichtete Mittelständler ist eine Umstellung deshalb nicht nur kostenintensiv, sondern auch komplex und schwierig zu handhaben. “Dem nicht am Kapitalmarkt orientierten Mittelstand, dessen Jahresabschlussinformationen sich an einen beschränkten Adressatenkreis – neben den Unternehmensinhabern meist die Gläubigerbanken oder Kunden – richten, sind derart komplexe Rechnungslegungen kaum zuzumuten.”
Auf entsprechende Kritik aus den Unternehmen beziehungsweise den Verbänden und Mittelstandsvereinigungen hat das für die IFRS zuständige International Accounting Standards Board (IASB) inzwischen reagiert. Es wird mit den “IFRS for Small and Medium-sized Entities (SMEs)” eine “abgespeckte” Version des kompletten Regelwerks speziell für kleinere Mittelständler vorlegen. Eine erster Entwurf soll bis Ende Juni 2006 vorliegen. Die vollständigen “IFRS for SME” will das Gremium dann im Juni 2007 veröffentlichen. David Tweedie, Vorsitzender des IASB, hat in einer Anfang 2006 veröffentlichten Stellungnahme vor dem Europäischen Parlament die Problematik erläutert. Seiner Darstellung nach reflektieren die IFRS die Komplexität der modernen, das heißt der globalen Wirtschaft. Gleichwohl hat das IASB registriert, dass die überwiegende Mehrheit der Firmen in Europa und anderswo kleine und mittlere Betriebe sind. Für diese ist es laut Tweedie schwierig, einem Regelwerk zu entsprechen, das für Unternehmen gemacht wurde, die an internationalen Kapitalmärkten agieren. Deshalb entwickelt das Gremium jetzt für Mittelständler vereinfachte IFRS-Standards und erwartet, dass diese von möglichst vielen Ländern übernommen werden.

Integrierte Software spart Kosten

Eine Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS erfordert aber nicht nur eine Änderung der Bilanzierung und Bewertung in der externen Berichterstattung, sondern vor allem auch eine Anpassung der verwendeten IT-Systeme. Dazu zählen Prozesse, um die benötigten Daten nach IFRS zu ermitteln und gegebenenfalls die Harmonisierung von interner und externer Berichterstattung sowie deren EDV-technische Umsetzung. “International agierende mittelständische Firmen, für die eine Bilanzierung nach IFRS in Frage kommt, werden sich bei der Umstellung ebenfalls intensiv mit dem Problem der Datenerfassung auseinander setzen müssen, da sie in aller Regel mehrere Gesellschaften im In- und Ausland haben werden”, verdeutlicht Thomas Dräger. Soweit die einzelnen Tochtergesellschaften nicht mit einem einheitlichen IT-System in der Finanzbuchhaltung operieren, ist eine Anpassung der jeweiligen Lösung an die zusätzlichen Anforderungen notwendig. Und das kostet in der Regel nicht nur Zeit, sondern auch Geld.
Das Beratungsunternehmen FAS kommt daher in seiner Mittelstandsstudie für 2004/2005 zu dem Schluss, dass aufgrund der Internationalität vieler Mittelständler im Rechnungswesen ein integriertes System zu bevorzugen sei. Unternehmen, die schon eine entsprechende Software eines international agierenden Anbieters – etwa der SAP – verwenden, haben demnach Vorteile, denn:

  • Internes und externes Berichtswesen werden durch eine integrierte Struktur- und Datenbasis harmonisiert.
  • Geringere Abstimmungsprozesse führen zu zeitnahen Informationen für Managemententscheidungen.
  • Ressourcenintensive Prozesse können im Sinne eines Fast Close (schneller Abschluss) verkürzt werden und damit zu Kosteneinsparungen führen.

Eine SAP-Lösung bietet grundsätzlich alle erforderlichen Funktionalitäten für eine parallele Rechnungslegung (HGB/IFRS, IFRS führend), aber in fast allen Modulen und Applikationen sind Anpassungen notwendig, etwa in der Finanzbuchhaltung (Darstellung von Wertberichtigungen), der Anlagenbuchhaltung (Parallele Bewertung HGB/IFRS), dem Controlling (Segmentberichterstattung für den Anhang) oder der Materialwirtschaft (Bewertung von langfristigen Fertigungsaufträgen, Bestandsbewertung). Darüber hinaus liefern die SAP Best Practices for IAS and IFRS – bezogen auf typische Mittelstandsszenarien – Vorschläge zu Geschäftsprozessen und den damit verbundenen technischen Einstellungen der entsprechenden SAP-Komponenten. Eine für den Mittelstand typische Auswahl von IAS/IFRS wurde exemplarisch umgesetzt. Dazu zählen etwa die Bewertung des Anlagevermögens und der Vorräte (Waren), Forderungen und Verbindlichkeiten, liquide Mittel, Kapitalflussrechnung (eingehende bzw. ausgehende Rechnungen) sowie die Gewinnermittlung.
“Der Ball, sich für eine IFRS-Bilanzierung zu entscheiden liegt jetzt bei den Mittelständlern im Feld”, hebt Thomas Dräger hervor. “Ob und wann ein Unternehmen den Ball aufnimmt, hängt von seiner individuellen Situation ab, IFRS vorteilhaft nutzen zu können.”

Weitere Informationen

IASB
www.sap.com
SAP Best Practices for IAS/IFRS

Studien/Untersuchungen:
www.dihk.de
www.fas-ag.de
www.irc.unizh.ch
www.mazars.com
www.pwc.com/pwcpublications
www.pwc.com/de/mittelstand

Dr. Andreas Schaffry
Dr. Andreas Schaffry