In der Frage, wie sich der weltweite Energiehunger künftig stillen lässt, werden international verschiedene Ansätze verfolgt. Die USA beispielsweise setzen eher auf Steuererleichterung für Energieproduzenten und mehr Energieeffizienz, die EU hingegen will verstärkt Energie einsparen und erneuerbare Energien fördern. Konsens herrscht jedoch rund um den Globus beim Blick auf die Stromrechnung: Das Tippen auf den Lichtschalter, das Anschalten des Herdes oder der Waschmaschine wird immer teurer. Der Preis für ein Barrel Öl ist von etwa 55 US-Dollar Mitte Juni 2005 auf derzeit um die 70 US-Dollar gestiegen. Der Strompreis für die Haushalte in den USA ist nach Angaben des US-Department of Energy im vergangenen Jahr um etwa zwölf Prozent gestiegen, während der Branchen-Informationsdienst Verivox für Deutschland einen Mittelwert um die sieben Prozent nennt. Dieser Preisanstieg ist gekoppelt mit der steigenden Nachfrage in Ländern wie China, Brasilien oder Indien. Man muss sicherlich kein Prophet sein um die Aussage zu wagen, dass die Energie-Preise nicht wieder in deutlich moderatere Regionen purzeln.
Das heißt, die Energieversorger müssen im schärferen Wettbewerb bestehen und dabei einen Spagat bewältigen: Einerseits Kosten reduzieren, andererseits in Netze investieren, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die Konsequenz: Sie durchforsten ihre Prozesse nach Optimierungspotenzial. Das geschieht nicht immer ohne Druck von “oben”. Die deutsche Bundesregierung beispielsweise will den Anteil der Netzkosten reduzieren, also den Preis für den Transport der Energie. Die Bundesnetzagentur will die 900 Strom- und 500 Gasnetzbetreiber des Landes dazu bringen, ab 2008 ihre Kosten fortlaufend zu verringern und die Effizienzgewinne über Preissenkungen an die Verbraucher weiterzugeben.
Diese Vorgaben stellen Versorger in Deutschland vor die Herausforderung, an einem durchgängigen Workflow zu arbeiten, mit dem sich redundante Informationen, Doppelerfassungen und intransparente Dokumentationen vermeiden lassen. “Ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Integration der Netzleittechnik in den logischen Verbund der Unternehmens-IT”, erklärt Jürgen Lucht, Leiter Geschäftseinheit PRINS Beratung der BTC Business Technology Consulting AG in Oldenburg. Die Netzleittechnik stellt höchste Anforderungen an Sicherheit und Hochverfügbarkeit. Sie ist aus diesem Grund ein Hochsicherheitsbereich bei Energieversorgern, der bisher oft im Inselbetrieb gefahren wurde. Mit zunehmendem Wettbewerb, Preisanstieg und Preisdruck wird der Datenaustausch zwischen der technischen und der Bürowelt jedoch immer wichtiger.
“Vonnöten sind Lösungen mit zahlreichen Schnittstellen zwischen Technik und Management, um die IT-Systeme etwa an die Anforderungen der EU-Richtlinien für den freien Wettbewerb anzupassen”, stellt das Marktforschungsinstitut Pierre Audoin Consultants (PAC) fest, das im vergangenen Jahr die IT-Trends bei Energieversorgern analysiert hat. Jedoch: Schnittstellen sind aufwändig zu programmieren und wenig flexibel. “Um ohne großen Aufwand verschiedene Systeme zu verbinden, bedarf es einer Integrationsplattform wie BTC PRINS Talk, so der BTC-Experte Lucht. Damit koppelt beispielsweise die EWE AG aus Oldenburg geografische Informationssysteme (GIS) und Energie-Daten-Managementsysteme (EDM) mit der ERP-Lösung SAP for Utilities und kundenspezifischen Anwendungen. Der Austausch der Daten und die Modellierung von Geschäftsprozessen erfolgt hierbei auf moderner technischer Basis wie dem Microsoft Windows Server und einer Service-orientierten Architektur.
Wartungsaufwand reduzieren, Kosten reduzieren

In eine solche Integrationsumgebung lassen sich ohne großen Aufwand auch mobile Lösungen einbinden, die ebenfalls zu einer Prozessoptimierung beitragen. So nutzt etwa der Netzbetreiber des Energieversorgers swb mit Sitz in Bremen, die swb Netze GmbH & Co. KG, seit rund einem Jahr das Zustandsmanagementsystem (ZMS) der BTC AG. Die Lösung ermöglicht es den Monteuren des Energieversorgers, Daten technischer Anlagen mobil zu erfassen. Die browserbasierte Anwendung wird auf der Plattform des SAP Web Application Server 6.40 (SAP WAS) betrieben. Die mobile Infrastruktur (Mobile Infrastructure 2.5) des SAP WAS liefert dem Monteur aus dem SAP-Instandhaltungsmodul für jedes einzelne Betriebsmittel eine Checkliste auf sein mobiles Erfassungsgerät, die ihm vorgibt, welche Messwerte er bei welcher Anlage erfassen muss. Die Strom-, Druck- oder Korrosionsdaten etwa, die er in seinen Personal Digital Assistent eingibt, wandern mit Hilfe des Mobile Asset Management via Internet direkt in das SAP-Wartungsmodul Plant Maintenance. So werden Doppelerfassungen vermieden und Eingabefehler reduziert.
Für Netzbetreiber steckt im Zusammenspiel zuverlässiger Daten und notwendiger Wartungsarbeiten enormes Einsparpotenzial. Derzeit spult die swb Netze ihre Wartungsarbeiten noch in vorher festgelegten, starren Zeitintervallen ab. Bei bestimmten Anlagen fallen – betrachtet über die Lebensdauer – 25 Inspektionen und sechs Wartungen an. “Ist es uns möglich, diese Zahlen mit einer am tatsächlichen Zustand der Anlagen orientierten Strategie deutlich zu reduzieren, sinken natürlich auch die Kosten entsprechend”, erklärt Lars-Holger Sobek, Projektleiter bei swb Netze, den einleuchtenden Zusammenhang. Simulationen über einen Zeitraum von 20 Jahren haben ergeben, dass mit einem Einsparpotenzial von 20 bis 25 Prozent zu rechnen ist, sagt Holger Ostendorf, Projektleiter der BTC AG.
Bislang waren Netzmanager häufig auf Erfahrungswerte angewiesen, um den Zustand einer Anlage zu beurteilen. Das ZMS hingegen bewertet nun mittels eines Algorithmus alle relevanten Messwerte aus den Checklisten der Monteure und gewichtet die Daten untereinander. Auf diese Weise lässt sich beispielsweise berücksichtigen, bei welchen Anlagen das Alter eine besonders große Rolle spielt. Ergebnis der Auswertung ist ein Zustandswert zwischen null für sehr gut und 100 für sehr schlecht, anhand dessen der Netzmanager die optimalen Instandhaltungsintervalle für einen Objekttyp erkennt – etwa für die zahlreichen und teuren Leistungsschalter, die als wesentliche Komponente in Hochspannungsnetzen dafür sorgen, dass es zu keinen Stromausfällen durch Kurzschluss kommt.
Mehr Effizienz durch Transparenz

In der Europäischen Union setzt der Gesetzgeber beispielsweise auch im Berichtswesen neue Maßstäbe. Laut EU-Stromrichtlinie müssen Energieversorger ihre Geschäftsbereiche trennen, etwa den Netz- vom Energievertrieb, und rechtlich selbständige Einheiten gründen (Unbundling). “Dieses Unbundling bezieht sich nicht nur auf Organisation und Buchhaltung, sondern schafft – als informatorisches Unbundling – auch Handlungsbedarf bezüglich der IT”, sagt Karsten Leclerque, Berater bei PAC. Die einzelnen Einheiten benötigen getrennte Systeme zur Informationsaufbereitung.
Die Reutlinger Stadtwerke haben zu diesem Zweck mit Hilfe der BTC AG die SAP-Profit-Center-Rechnung eingeführt. Für jeden Organisationsbereich wie Netzmanagement, Planung, Transport/Verteilung, Technische Dienstleistungen und Vertrieb verfügt das Unternehmen nun über eine eigene Erfolgsrechnung. Zugleich wurde innerhalb der Sparten Strom, Gas und Wasser nach Aktivitäten wie Erzeugung, Netz und Vertrieb untergliedert. “Wir wissen jetzt, wer was zum Ergebnis beiträgt,” zieht Michael Stäbler, Prokurist und Leiter des Bereichs Finanzen der Stadtwerke Reutlingen Bilanz. “Dies und nicht konkrete Kosteneinsparungen waren das Ziel.” Auf Basis der neuen Informationen reduzierten die Reutlinger den Anteil der Aufwendungen, die durch Umlagen verteilt werden. Nach Preisen zwischen den Bereichen abgerechnete Leistungen ersetzen nun pauschale Kostenverrechnungen für Kommunikationstechnik, Bearbeitung von Versicherungsfällen oder Bestellung von Grunddienstbarkeiten. Weitere Verbesserungen erwartet Stäbler jetzt für das Benchmarking. Aufgrund der größeren Transparenz ihrer Zahlen nehmen die Stadtwerke Reutlingen jetzt mit geringerem Aufwand an neuen Benchmarking-Projekten der Branche teil und vergleichen auf diese Weise die einzelnen Dienstleistungsbereiche besser mit denen anderer Energieversorger.
