Das 1938 gegründete Unternehmen Larsen & Toubro Limited (L&T) ist einer der größten Maschinen- und Anlagenbauer Asiens und eines der bedeutendsten privatwirtschaftlichen Unternehmen Indiens mit Beteiligungen in den Bereichen Informationstechnologie und Elektronik. Im Laufe der Jahre hat das Unternehmen mit Standorten in den USA, dem Nahen Osten und Japan die für seine globale Ausrichtung notwendige Infrastruktur aufgebaut. Der Geschäftsbereich Maschinen- und Anlagenbau (E&C) liefert Firmen der Branchen Öl und Gas, Veredelung, Petrochemie, Energieversorgung sowie der Chemie- und Mineralindustrie schlüsselfertige Lösungen für das Projektmanagement und zugehörige Dienstleistungen. Mit mehr als 1.400 qualifizierten Mitarbeitern trägt E&C nahezu 45 Prozent zum Gesamtumsatz des Konzerns bei.

Als L&T Infotech (LTIL), eine hundertprozentige IT-Tochter von L&T, 2002 unter dem Namen “Inspire” eine Applikation für ein Staatsunternehmen entwickelte, ahnte niemand, dass sich genau diese Lösung als Glücksfall für L&T – und insbesondere für den Geschäftsbereich E&C – herausstellen sollte. Bei Inspire handelt es sich um eine Schnittstelle zwischen SAP-Applikationen und der Projektmanagementsoftware Primavera, die den Datenaustausch zwischen Kunden, Beratern, General- und Subunternehmern ermöglicht. Und genau solch eine Schnittstelle zwischen SAP und Primavera benötigte E&C im Jahr 2005.
Höher, schneller, stärker
Den Namen E&C verbindet man in Indien mit sehenswerten Bauwerken – öffentlichen Gebäuden, Häfen, Autobahnen, Brücken und privaten Bauten. Das bedeutet jedoch nicht, dass die internen Prozesse des Anlagenbauers bisher immer reibungslos abliefen. E&C setzt für die Projektplanung und -überwachung die Applikation Primavera und für die Abwicklung von Geschäftsvorgängen SAP R/3 4.7 ein. Doch bis vor kurzem waren die beiden Anwendungen nicht miteinander verbunden. Die Folge: Projektstruktur und Zeitpläne wurden in Primavera erstellt und erweitert. Zudem wurden dort auch die Daten regelmäßig aktualisiert und mit externen Stellen ausgetauscht. Alle für die Durchführung eines Projekts wichtigen Vorgänge wie die Bearbeitung von Stücklisten, Bestellungen und Materialbewegungen wie auch sämtliche finanz- und controllingbezogenen Aktualisierungen erfolgten jedoch im SAP-System. “So wurde wertvolle Arbeitszeit dafür vergeudet, die Applikationen manuell mit den Daten der jeweils anderen Anwendung zu versorgen”, erläutert Shrikant Jawalkar, Head ERP & System Integration bei Larsen & Toubro Limited. “Es konnte auch vorkommen, dass die Projektstrukturen auseinanderliefen, weil die in den Applikationen ausgeführten Aufgaben nicht synchronisiert wurden.”

Daher beschloss E&C, beide Anwendungen miteinander zu verbinden, um das Projektmanagement zu verbessern. Die Anwender sollten davon profitieren, dass die einzelnen Funktionen – die material-, ressourcen-, beleg- und kostenbezogenen Geschäftsvorgänge des SAP-Systems und die projektbezogenen Vorgänge wie Planung, Terminierung und Fortschrittsverfolgung aus Primavera – einander ergänzen. “Und was lag da näher, als dafür den Service von LTIL zu nutzen und auf Inspire zurückzugreifen?”, meint Jawalkar.
Vorbereitungen für die Praxis
Dazu musste die alte Version von Inspire an die neuen Anforderungen angepasst werden. Im Juni 2005 fiel der Startschuss für das Team aus erfahrenen SAP-Beratern, Experten für Projektmanagement, Web Dynpro, SAP NetWeaver Exchange Infrastructure (SAP NetWeaver XI) und J2EE.
Mithilfe von SAP NetWeaver XI, das auf dem SAP NetWeaver Application Server (SAP NetWeaver AS) basiert und Teil von SAP NetWeaver 2004 ist, wurde die Architektur der Lösung vollkommen neu gestaltet: Der Integrationsserver Tomcat, das JSP-Frontend und das Integrationsmedium SAP Business Connector wurden durch SAP NetWeaver AS 6.4, Web Dynpro und SAP NetWeaver XI 3.0 ersetzt, und die Applikation wurde als “Single-Sign-on-Paket” implementiert, das den Anwendern nur eine einzige Anmeldeprozedur abverlangt.
Flexibler Rahmen für Prozesse
Das Geschäftsprozessmodell für die Integration ist unabhängig von den Lösungen. So sind mehrere Geschäftsszenarien, etwa der Datentransfer im Dialog- oder auch im Hintergrundmodus, möglich. Da beide Systeme als Quellsystem der Projektstrukturen fungieren können, sind die Anwender in der Lage, über Regeln festzulegen, mit welcher Funktion aus welcher Applikation sie arbeiten möchten. Inspire lässt sich als eigenständige Lösung oder aber als Baustein für umfangreiche Projektmanagementlösungen einsetzen. Mithilfe der Schnittstelle lassen sich die zentralen Integrationsanforderungen erfüllen und Funktionen von Primavera oder SAP erweitern. Zusätzliche Prüfungen und Erweiterungen wurden in SAP und in Primavera eingebaut, um die Konsistenz und Integrität der Daten zu gewährleisten, Terminierungen auszuführen und die Verarbeitung im SAP-System zu beschleunigen.
Die Prozessstruktur von Inspire wurde so flexibel wie möglich gehalten, damit die Daten auf verschiedene Arten synchronisiert werden können, ohne ihre Integrität zu gefährden. Das Team versuchte, möglichst allen Anforderungen gerecht zu werden. So war es beispielsweise nötig, dass sich Projektstrukturen jederzeit zwischen SAP und Primavera synchronisieren lassen. Das Entwicklungsteam räumte den Anwendern eine Option ein, die simulierten Ergebnisse des Datentransfers in verschiedenen Sichten abzurufen. So können sie sich bereits vor dem eigentlichen Synchronisierungslauf die geschätzten Ergebnisse anzeigen lassen. In der Folge sind weniger Nacharbeiten nötig, die Anzahl der Fehler sinkt und der Integrationsprozess wird transparenter.
Bessere Kooperation
Das Projektteam implementierte Inspire 2.0 als Paketlösung und startete den Produktivbetrieb am 31. Dezember 2005. “Seither arbeiten die Anwender systemübergreifend”, erläutert Shrikant Jawalkar. “Sie profitieren nun von zusätzlichen Funktionen in beiden Applikationen, etwa das Beschwerdemanagement in SAP oder die Fortschrittsberichte in Primavera.” Zusammenarbeit und Flexibilität haben sich dadurch spürbar verbessert: Zum einen aktualisieren die Mitarbeiter auf der Baustelle nun viel regelmäßiger ihre betriebswirtschaftlichen Daten, zum anderen ist der Aufwand für das Zusammenfassen von Statusdaten und die Erstellung von Berichten deutlich gesunken. “Die Benutzerfreundlichkeit der Lösung gewährleistet, dass die Anwender flexibel sind und beide Applikationen nutzen, und das beschleunigt die Ausführung der Projektaufgaben. So können wir die Zeitpläne besser einhalten”, bringt es Jawalkar auf den Punkt. Mit einer Suchfunktion lassen sich die bereits übertragenen Daten verfolgen.
Heute können die Planer bei E&C optimale Projektstrukturen und Zeitpläne mit Primavera entwickeln. Dazu simulieren sie zunächst ein Projekt, beispielsweise die Errichtung einer Ölplattform, im SAP-System. Auch die Kostenplanung führen sie in SAP aus. Die Synchronisierung der Daten aus SAP und Primavera erfolgt fortlaufend. So ist sichergestellt, dass sowohl Planung und Controlling als auch andere Unternehmensbereiche auf demselben Stand sind. Ruft ein Mitarbeiter im Einkauf die Fälligkeitstermine von Bestellanforderungen im SAP-System ab, kann er sicher sein, dass sie auf den aktuellsten Änderungen in Primavera beruhen.
“Mit der Synchronisierung unserer Projektdaten haben wir das Kosten-, Qualitäts- und Zeitmanagement von Großprojekten verbessert”, erläutert Dinesh Gupta, General Manager für Öl- und Gasprojekte. “Wir sind jetzt in der Lage, die gesamte Projektstruktur, aber auch einzelne Elemente, etwa des Projektstrukturplans (PSP), auf einen Schlag zu übertragen.” Ein Raffinerieprojekt beispielsweise umfasst mehr als 450 PSP-Elemente, 325 Netzpläne, 2.350 Vorgänge und mehr als 40 Meilensteine. “In nur 365 Sekunden können wir heute den gesamten Strukturplan eines Projekts vom SAP-System nach Primavera übertragen – und umgekehrt. Früher hätte diese Aufgabe einen Projektleiter einen ganzen Arbeitstag gekostet”, erläutert Gupta. “Entscheidend ist auch, dass der Projektmanager den in Primavera ersichtlichen Projektfortschritt zu den in SAP verwalteten Finanzplänen in Beziehung setzen kann. Dieser Einblick in den Fertigstellungswert von Projekten hat uns bisher gefehlt. Jetzt lassen sich sogar Großprojekte, deren Strukturen sich erst allmählich herausbilden und die immer wieder an die neuesten Änderungen angepasst werden müssen, gut abwickeln.”