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Viele Banken leisten sich eine sehr zeitaufwendige und damit teure IT-Landschaft. Nach einer Berechnung des Frankfurter Forschungsinstituts E-Finance-Lab vergehen im Schnitt knapp vier Monate, bevor ein Geldinstitut einen neuen Geschäftsprozess in seinen Anwendungen abbilden und ausführen kann. Verantwortlich dafür ist die veraltete IT-Architektur, die bei vielen Finanzdienstleistern aus starren, monolithischen Kernbankenlösungen besteht. Neue Applikationen oder Geschäftsprozesse lassen sich hier nur mit hohem Integrationsaufwand einbinden.

Doch die Dynamik des Bankenmarkts fordert von den Akteuren Flexibilität und Schnelligkeit. Finanzdienstleister müssen ständig neue Produkte entwickeln und die damit verbundenen Geschäftsprozesse in ihrer IT abbilden. Bei einer monolithischen Software hat das zur Folge, dass die Lösungen redundant für jeden einzelnen Vertriebskanal aufgebaut werden müssen. Diese Vorgehensweise zehrt inklusive Betrieb und Instandhaltung den Großteil des IT-Budgets auf, so dass wenig Raum für Modernisierungen bleibt.

Flexible Bausteine

Banken setzen daher zunehmend auf serviceorientierte Architekturen (SOA). Hier ist Funktionalität in Form von Web-Services gekapselt, die verschiedenen Anwendungen zur Verfügung stehen. In einer SOA reicht ein einziger Web-Service aus, um beispielsweise die Funktionalität „Anlegen eines Kontos“ einer Homebanking-Software und der Anwendung des Mitarbeiters am Bankschalter bereitzustellen.

Da Web-Services auch mit Altanwendungen kompatibel sind, ermöglichen sie einen sanften Übergang zur modernen SOA-Architektur. SAP stellt hierfür als Ergänzung zu ihrer serviceorientierten Plattform SAP NetWeaver die Entwicklungsumgebung SAP Composite Application Framework (SAP CAF) bereit. Damit lassen sich SAP xApps erstellen, die Funktionen und Daten verschiedener Anwendungen als Web-Services in die SAP-NetWeaver-Umgebung einbinden, ohne den Code der Altprogramme anzutasten. Möglich ist das, weil SAP CAF zwischen der zusammengesetzten Applikation und der Altanwendung vermittelt. Eine Metasprache beschreibt unter anderem, welche Funktionen eine Altanwendung erfüllt, welche Daten sie dazu benötigt und welche sie wieder zurückliefert. Daher muss nicht für jeden einzelnen Zugriff auf die Altanwendung eine neue Schnittstelle programmiert werden. Dank der abstrakten Metabeschreibung sind verschiedene Web-Services in der Lage, jeweils auf einen bestimmten Teil der Bestandssoftware zuzugreifen.

SAP-Ökosystem schafft branchenspezifische Ergänzungen

Damit hat SAP die Voraussetzungen für eine flexible Software-Landschaft geschaffen, die vorhandene Ressourcen mit der serviceorientierten SAP-NetWeaver-Welt vernetzt. Gleichzeitig gestattet es SAP CAF auch Drittanbietern, eigene Softwarelösungen für SAP NetWeaver zu entwickeln.

Speziell für den Bankensektor unterstützt die Anfang 2007 gegründete BPM-Alliance (BPM, Business Process Management) die Entwicklung von branchenspezifischen SAP xApps und Lösungen für SAP NetWeaver. Das Konsortium besteht aus Forschern des bankennahen Instituts ibi research, dem BPM-Softwareanbieter jCOM1 und dem Bankensoftwarespezialist agentes. Die Partner entwickeln eine so genannte xApps-Factory zu SAP for Banking – ein Set von Modellierungswerkzeugen, mit denen Finanzdienstleister eigene SAP xApps erstellen können. Künftig wird die xApps-Factory außerdem vorgefertigte SAP xApps speziell für Banken enthalten.

xApps-Factory modelliert Bankenprozesse

Mit den Modellierungswerkzeugen der xApps-Factory lassen sich Geschäftsprozesse mit einfachen grafischen Symbolen beschreiben. Die Beschreibung erleichtert es Banken, spezielle SAP xApps zu entwickeln – etwa eine Anwendung, mit denen Kunden im Internet ein neues Konto beantragen können. Dazu erstellt die zuständige Fachabteilung zunächst eine Grafik des Prozessverlaufs mit sämtlichen Interaktionen. Benötigt die Anwendung etwa den Zugriff auf eine Kundendatei, wird dieser Datenaustausch durch ein Nachrichtensymbol zwischen der SAP xApp und der Kundendatenbank dargestellt.

Die xApps-Factory übersetzt die Prozessgrafik automatisch in eine Workflow-Sprache und bedient sich dabei beispielsweise der SAP NetWeaver Exchange Infrastructure (SAP NetWeaver XI). So entsteht eine Art „Codegerüst“, in das die benötigten Servicemodule integriert werden. Die Services lassen sich mit Hilfe von Mash-up-Werkzeugen wie Kapow von Kapow Technologies mit geringem Programmieraufwand aus Altanwendungen generieren. Bestimmte Teile des Workflows können Fachabteilungen übergangsweise auch manuell ausführen. In diesem Fall erhält der Sachbearbeiter nach dem Onlineantrag eines Nutzers den Hinweis durch das Programm, eventuell bereits vorhandene Verträge des Kunden zu prüfen.

Die xApps-Factory kann außer SAP NetWeaver XI auch Workflow-Engines anderer Hersteller ansprechen, etwa BizTalk von Microsoft oder Websphere von IBM. Dazu übersetzt eine Workflow-Engine die grafischen Prozessbilder in das jeweilige Format. Die Workflow-Engine berücksichtigt zudem die Eigenheiten der Workflow-Tools. Die Stärke von SAP NetWeaver XI liegt beispielsweise darin, Modulreihen möglichst automatisch abzuarbeiten. Damit Benutzereingaben den Programmieraufwand nicht erhöhen, verarbeitet die Engine diese möglichst im Vorfeld und übergibt sie gebündelt an SAP NetWeaver XI.

Applikationstests in lauffähigen Umgebungen

Die xApps-Factory enthält zudem eine eigene Testfunktion, mit den sich die Applikationen in einer lauffähigen Umgebung überprüfen lassen. Das ist im Bankenbereich unverzichtbar, da Lösungen hier absolute Transaktionssicherheit bieten müssen. In der Testumgebung können Anwender ohne zusätzlichen Programmieraufwand Prozesslogik, ausgetauschte Daten, Benutzereingaben sowie das Aussehen von Bedienoberflächen vor dem Praxiseinsatz prüfen. Ein IT-gestütztes Rollenspiel gibt dabei Aufschluss über die Anforderungen an die benötigten Services. Es zeigt alle zu verarbeitenden Daten in einer Tabelle sowie ihre Position innerhalb des Bildschirmlayouts an. Damit ist sofort sichtbar, welche Daten die entworfene SAP xApp benötigt und mit anderen Anwendungen austauscht.

Die Tests berücksichtigen auch unternehmens- und standortübergreifende Prozesse, die zum Beispiel notwendig sind, wenn die SAP xApp auf ausgelagerte IT-Systeme zugreifen soll. Die Testroutine adressiert dazu die beteiligten Server und bindet sie ein. Banken können die Prozesse damit entsprechend ihrer IT-Landschaft einschließlich spezifischer Rollen und Standortgegebenheiten simulieren und auf ihre Effizienz prüfen. Dabei lassen sich auch alternative Prozesse oder der Einsatz von Mitarbeitern mit unterschiedlicher Qualifikation durchspielen und hinsichtlich Kosten und Durchlaufzeiten abwägen. So ermitteln Banken die optimale Organisation von Prozessen und den voraussichtlichen Ressourcenbedarf in Abhängigkeit von unterschiedlichen Auftragsmengen.

Projektmanagement leicht gemacht

Die xApps-Factory enthält derzeit bereits eine erste vorgefertigte Applikation, die als SAP xApp Powered by SAP NetWeaver zertifiziert ist. jFOLLOW! integriert Ergebnisse von Besprechungen ins Projektmanagement von SAP NetWeaver Portal. Mit diesem Standardprozess können Projektteams ad hoc erteilte Arbeitsaufträge abteilungsübergreifend überwachen. Sind beispielsweise mehrere Fachbereiche sowie das Controlling einer Bank an der Entwicklung eines neuen Finanzprodukts beteiligt, unterstützt jFOLLOW! die Überwachung und Steuerung des Projekts. Ein Vorteil gerade für Banken, die in der Regel keine vernetzten Abteilungen für Forschung und Entwicklung besitzen.

Ein Excel-Formular erfasst dazu zunächst die Projektbeteiligten und die vereinbarten Aufgaben. Anschließend liest jFOLLOW! das Datenblatt mit Hilfe eines iViews in SAP NetWeaver Portal ein und prüft dabei unter anderem, ob die Besprechungsteilnehmer auch als Nutzer angelegt sind. Die Anwendung erzeugt für jede in der Besprechung erteilte Aufgabe einen Workflow im Portal und überträgt ihn in die Arbeitslisten der beteiligten Mitarbeiter. In diesen Listen wird unter anderem der Arbeitfortschritt dokumentiert. Verstreicht eine Frist, warnt jFOLLOW! den Mitarbeiter oder informiert die nächsthöhere Instanz. Alle Beteiligten haben stets den Überblick über den Status einer Aufgabe und sehen, welcher Kollege sie wie weit bearbeitet hat. Dies ist mit den gängigen Aufgabenverfolgungssystemen auf E-Mail-Basis nicht möglich.

Mit Hilfe der xApps-Factory lassen sich derartige Prozesse und Applikationen mit überschaubarem Aufwand in SAP NetWeaver Portal einbinden. Damit die Lösungen schlank bleiben, wird dabei möglichst auf Vorhandenes zurückgegriffen. So arbeiten bei der Besprechungsnachverfolgung das Office-Tool Excel, die in Guided Procedures standardisierten Abläufe sowie die Middleware-Schicht SAP NetWeaver XI, SAP NetWeaver Portal und die SAP-Funktionalität für Knowledge Management zusammen.
Derzeit definiert die BPM-Alliance gemeinsam mit SAP und ausgewählten Finanzdienstleistern weitere Aufgabenbereiche, die künftig durch vorgefertigte SAP xApps unterstützt und mit der xApps-Factory ausgeliefert werden. Im Mittelpunkt steht dabei das Ziel, Banken Werkzeuge bereitzustellen, mit denen sie ihre Bestands-IT an die SAP-Welt anbinden und schneller an neue Anforderungen anpassen können.