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Autor: Katrin Renner

Die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft wird intensiver. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe. Landesgrenzen spielen dabei keine Rolle mehr. Große IT-Konzerne richten ihre Forschungs- und Entwicklungskooperationen international aus. Was zählt, ist die weltweit anerkannte Expertise der Hochschule auf dem jeweiligen Gebiet. „Wir gehen dorthin, wo das beste Wissen konzentriert ist“, sagt etwa Professor Lutz Heuser, Leiter von SAP Research. Die SAP-Forschung kooperiert weltweit mit renommierten Hochschulen und unterhält Forschungszentren unter anderem in den USA, Kanada, Australien, Südafrika, China, Deutschland, Frankreich und in der Schweiz.

Auch IBM hat seine acht Forschungslabors über vier Kontinente verteilt und beschäftigt dort rund 3.500 Wissenschaftler. Paul Horn, Senior Vice President für die weltweite Forschung bei IBM, weiß die Zusammenarbeit zu schätzen: „Innovationen entstehen zunehmend in ‚offenen Ökosystemen’, in Partnerschaften zwischen Kunden, Universitäten, Technologielieferanten und Verwaltung.“

Trennlinien werden durchlässiger

Nicht nur die räumlichen Grenzen, auch die Trennlinien zwischen den klassischen Organisationseinheiten lösen sich zunehmend auf, meint Professor Knut Koschatzky, der die Studie beim ISI geleitet hat: „Das Überwinden von Transferbarrieren zwischen Unternehmen, Universitäten oder außeruniversitären Forschungseinrichtungen bewirkt eine ganz neue Dynamik.“
Die Zusammenarbeit nimmt dabei äußerst unterschiedliche Formen an: Sie reicht vom reinen Know-how-Transfer über die Rekrutierung bis hin zu unternehmenseigenen, an die Universitäten angegliederten Instituten. „Die einst so festen Mauern zwischen Wissenschaft und Industrie werden durchlässiger“, beobachtet Koschatzky, egal ob in Europa, Nordamerika oder Japan. „Die Forschungs- und Wissenschaftssysteme in den Ländern unterscheiden sich allerdings deutlich voneinander“, betont er: „Während in den USA so genannte University Industry Research Center verbreitet sind, finden sich beispielsweise in Großbritannien zahlreiche Formen zeitlich befristeter Zusammenarbeit.“

Vorteile für beide Seiten

Unternehmen und Hochschulen erkennen zunehmend die Vorteile, die eine Annäherung für beide Seiten bietet. Die Firmen sichern sich Innovationsvorsprünge und hochqualifizierte Mitarbeiter, die Hochschulen erhalten mehr Nähe zum Markt und zusätzliches Geld. Für sie sind die Schnittstellen zur industriellen Entwicklung und Praxis dann besonders attraktiv, wenn sie der wissenschaftlichen Forschung und Lehre einen Kompetenzgewinn verschaffen.
Als wichtigstes Ziel einer Zusammenarbeit nennen 70 Prozent der vom ISI befragten Hochschulen und Firmen die Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Eine enge Kopplung zwischen Forschung, Entwicklung und Produktion soll außerdem die schnelle Umsetzung dieser Erkenntnisse am Markt bewirken. Siemens beispielsweise unterhält dazu in der polnischen Stadt Wroclaw ein Entwicklungszentrum mit inzwischen 700 meist jungen Mitarbeitern, in dem an Lösungen für Mobilfunknetze in Drittstaaten gearbeitet wird.

Universitäten denken unternehmerisch

Die Annäherung von Wissenschaft und Wirtschaft wird begünstigt durch eine größere Autonomie und Selbststeuerung der Hochschulen in Richtung „unternehmerische Universität“, so Koschatzky. Der steigende finanzielle Druck und höhere Drittmittelquoten führen dazu, dass die Hochschulen offener werden für neue Modelle der Zusammenarbeit mit der Industrie.

In Deutschland kooperieren bereits 41 Prozent der Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern über so genannte „An-Institute“, private Forschungseinrichtungen, die an die Universitäten angegliedert sind, mit der Wissenschaft. Diese rechtlich von den Hochschulen unabhängigen Institute bieten praxisorientierte Forschung, Beratung und Training für externe Auftraggeber an.

Ein Beispiel für ein solches An-Institut ist das Hasso Plattner Institut (HPI) in Potsdam. Vom SAP-Mitgründer Hasso Plattner initiiert, wird dort zusammen mit Partnern wie SAP, IBM und Siemens praxisnahe Lehre betrieben. So erhalten die Studierenden die Gelegenheit, Praktika bei verschiedenen SAP-Niederlassungen auf der ganzen Welt zu absolvieren. Fragestellungen aus dem SAP-Umfeld werden regelmäßig in Abschlussarbeiten aufgegriffen. Die Zusammenarbeit mit SAP ist laut HPI sehr intensiv, doch auch mit anderen Firmen herrscht rege Projektarbeit. Der Fachbereich Informationssysteme beispielsweise hat sich gerade zusammen mit der Schufa der Erkennung von Datendubletten angenommen.

Lohnendes Modell für den Mittelstand

Im Unterschied zu Konzernen wie SAP oder Siemens kooperiert der Mittelstand weit seltener mit Universitäten; laut ISI sind es nur 13 Prozent der Firmen dieser Größenordnung. Zu ihnen gehört die BTC Business Technology Consulting AG aus Oldenburg, die eng mit OFFIS, dem An-Institut der Universität Oldenburg, zusammenarbeitet. Dr. Clemens Fischer, der Leiter der Geschäftseinheit Softwarelösungen bei BTC, bespricht monatlich neue Felder der Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern des An-Instituts. „Wir schätzen den fundierten Blick von außen und die Gelegenheit, unsere Entwicklung immer wieder an neuesten Erkenntnissen zu messen“, betont Fischer. Wenn in der täglichen Projektarbeit Themen mit Forschungscharakter auftauchen, bindet der SAP-Dienstleister aus Oldenburg die Wissenschaftler ein.

Umgekehrt tritt auch OFFIS an BTC heran, um seine Forschung an praxisrelevanten Fragestellungen auszurichten. „Die Informatiker werden in die Lage versetzt, die Fragen zu beantworten, die unseren Kunden auf den Nägeln brennen“, so Fischer. Eine drängende Frage hatte zum Beispiel das Projektteam, das beim Pflanzenhändler Bruns das Warenwirtschaftssystem an die Besonderheit der „wachsenden Ware“ anpassen sollte. OFFIS erarbeitete detailliert abgestimmte Regeln, die für jede Pflanzenart abschätzen, wie sich die Größe einer Pflanze von der Bestellung bis zur Auslieferung verändert, um böse Überraschungen beim Transport zu verhindern: Je genauer die Schätzung der Pflanzengröße zu einem bestimmten Termin, umso exakter können die Palettenwagen und letztendlich die LKWs beladen werden.

Hochschulabsolventen sind gefragt

Aktuell ist für viele Unternehmen die Rekrutierung von qualifiziertem Nachwuchs eine wichtige Motivation für den engen Kontakt mit den Hochschulen. Universitäten gelten als vielversprechender Markt, um den aktuellen Fachkräftemangel auszugleichen. Das IT-Beratungsunternehmen cundus aus Duisburg arbeitet aus diesem Grund mit der Universität Duisburg-Essen zusammen. „Wir wollen die Studenten frühzeitig praktisch schulen und junge Akademiker für die Berufswelt begeistern. Schließlich geht es uns darum, hochkarätige Absolventen für unser Unternehmen zu gewinnen“, erläutert Professor Peter Chamoni, Aufsichtsratsvorsitzender der cundus AG. Das Unternehmen rekrutierte seit der Firmengründung im Jahr 2000 rund 20 Mitarbeiter von der örtlichen Universität, weitere zehn IT-Beraterstellen sind noch zu besetzen.

Chamoni, der bei cundus den Bereich Forschung und Entwicklung betreut, leitet auch das Fachgebiet Wirtschaftsinformatik und Operations Research an der Universität Duisburg-Essen. In dieser Doppelrolle ist ihm daran gelegen, eine Brücke zwischen Lehre und Praxis zu schlagen: „Probleme und Herausforderungen, mit denen sich die Unternehmen bei der operativen Arbeit konfrontiert sehen, geben wir als aktuelle, praxisrelevante Impulse unmittelbar an die Forschung weiter.“ So führt die Kooperation von Unternehmen und Hochschulen häufig zu innovativen Lösungen.