Das Logistiknetzwerk der schweizerischen Novartis ist ein vielschichtiges Gebilde. Denn das Pharmaunternehmen, das zu den fünf Großen der Branche gehört, produziert weltweit an 15 spezialisierten Standorten. Novartis stellt dort Wirkstoffe, verschiedene Zwischenstufen sowie die verkaufsfertigen Präparate her, etwa das Herzmittel Diovan oder das Schmerzgel Voltaren. Alle Niederlassungen arbeiten wiederum mit externen Lieferanten zusammen. Die Partner übernehmen die verschiedensten Aufgaben von der Wirkstoffproduktion bis zum Vertrieb.
Eine exakte weltweite Produktionsplanung mit Hilfe von SAP Supply Chain Management (SAP SCM) sorgt dafür, dass das komplexe Zusammenspiel reibungslos funktioniert. Mit der Planungslösung behält der Konzern zudem jederzeit den Überblick über seine internationale Logistikkette.
Viele Faktoren unter einem Hut
Die Schnittstelle zwischen der globalen Planung und der Produktion sind die Feinplaner in den jeweiligen Werken. Sie legen fest, wann welche Aufträge auf welchen Anlagen produziert werden. Dabei müssen sie nicht nur die Verfügbarkeiten von Materialien, Maschinen und Personal beachten, sondern flexibel auf kurzfristige Änderungen reagieren, etwa vorgezogne Bedarfstermine oder betriebliche Störungen durch ausgefallene Anlagen.
Ohne eine grafische Darstellung von Aufträgen und Ressourcen ist diese anspruchsvolle Aufgabe nicht zu schaffen. Da manuelle Plantafeln freie Anlagenkapazitäten auf einen Blick ersichtlich machen, gehören sie nach wie vor zum Standardwerkzeug vieler Produktionsplaner. Der Nachteil: Werden Kundenaufträge verschoben, gibt es keine Möglichkeit, Alternativen zu simulieren und die zahlreichen Abhängigkeiten zu berücksichtigen.
Eine Lösung für alle Werke
Novartis suchte daher ein Feinplanungs-Werkzeug, das die grafische Darstellung mit den Vorteilen moderner IT-Systeme verbindet. Die Wahl fiel auf die SAP-SCM-Komponente SAP Advanced Planning & Optimization (SAP APO). Die Software bot nicht nur die geforderte Funktionalität, sondern auch die Möglichkeit, Planungsprozesse unternehmensweit zu standardisieren.
Im April 2007 entwickelte Novartis einen Prototypen für die Feinplanung eines Produktionsbetriebs im schweizerischen Werk Stein. Dabei erhielt der Pharmahersteller Unterstützung durch die AWISDO GmbH & Co.KG, die bereits SAP SCM im Unternehmen eingeführt hatte. Im Dezember, acht Monate nach dem Projektstart, arbeitete die Lösung für die erste Produktgruppe im Werk Stein produktiv.
Nun will Novartis die Feinplanung mit SAP APO schrittweise auch in den anderen Produktionsstätten einführen. Da das Template die Anforderungen anderer Werke weitgehend berücksichtigt, müssen beim Rollout der Lösung nur noch die lokalen Besonderheiten abgebildet werden.
Zentrales “Cockpit”…
SAP APO fungiert bei Novartis als zentrales Planungs-Cockpit. Die Anwender personalisieren die Lösung in ihrem Profil nach eigenen Kriterien, wie Produkte, Anlagen oder Planungshorizont, und können damit stets auf ihren “Arbeitsvorrat” an Aufträgen zugreifen. Mit der integrierten Feinplanungstafel sehen sie, welche Anlagen ausgelastet sind und welche Aufträge eingeplant werden müssen.
Die Farbgebung zeigt auf einen Blick, ob es sich um Planaufträge oder Prozessaufträge handelt. Ein Planauftrag wird von der Disposition erzeugt und später in einen Prozessauftrag umgewandelt, der dann die Produktion steuert. Außerdem ist sofort sichtbar, ob ein Auftrag bereits eingeplant und fixiert ist – und damit nur noch manuell verschoben werden kann.
Planaufträge lassen sich per Mausklick direkt aus der Feinplanungstafel aufrufen. Dabei werden die wesentlichen Informationen angezeigt, etwa Materialkomponenten, Produktionsschritte und Ressourcen. Ein Knopfdruck genügt, und das Werkzeug wandelt den Planauftrag in einen Prozessauftrag um. Dies löst im Hintergrund eine Information an SAP ERP aus, so dass auch dort ein Prozessauftrag entsteht. Er dient unter anderem als Referenzbeleg für die Kommissionierung der Materialkomponenten in der ERP-Lösung.
…schafft Überblick
Ungeplante Auftragsvorgänge, die SAP APO mit einem farbigen Balken markiert, werden mit der Maus ausgewählt und per “Drag and Drop” auf freie Anlagezeiten gezogen. Sie sind damit eingeplant und die Markierung verschwindet. SAP APO erzeugt automatisch die erforderlichen Rüst- und Reinigungszeiten für den Auftrag. Die geänderten Status-Informationen stehen unmittelbar auch in SAP ERP zur Verfügung.
Bei verschobenen Vorgängen terminiert die Lösung alle abhängigen Aufträge neu. Der Planer erkennt wiederum an der Farbe, ob dabei Randbedingungen oder Abhängigkeiten verletzt werden. Die Lösung zeigt beispielsweise an, wenn Materialkomponenten nicht verfügbar sind oder der Auftragstermin überschritten wird. Zusätzlich macht ein Alert-Monitor den Planer auf Ausnahmesituationen aufmerksam.
Ausnahmesituationen meistern
Neben der täglichen Planung, die SAP APO nach einer vorgegebenen Strategie “erledigt”, meistert das Werkzeug auch Ausnahmesituationen. Muss beispielsweise ein Auftrag vorgezogen werden, lässt sich problemlos die Planungsstrategie ändern. Der Planer trägt ihn per Drag & Drop zum gewünschten Termin ein und verschiebt dabei die vorangehenden oder nachfolgenden Produktionsaufträge. Entstehen dabei Konflikte, weist SAP APO ihn darauf hin.
Ausgefallene Produktionsanlage lassen sich in der Planungstafel blockieren. Sie stehen dann vorübergehend nicht mehr für die Feinplanung zur Verfügung. Vorgänge, die hier bereits vorgesehen sind, werden per “Drag and Drop” verschoben. SAP APO ermittelt bei diesen Ausnahmesituationen jeweils die gesamte Planungssituation neu und informiert über Kapazitäts-, Termin- oder Mengenprobleme.
Die Feinplanungstafel lässt sich weitgehend intuitiv bedienen und mit personalisierten Einstellungen an individuelle Arbeitsweisen anpassen. Mit der rechten Maustaste oder über spezielle Buttons kann der Anwender alle wichtigen Funktionen aufrufen. Dazu zählt das komplette Spektrum der Auftragsbearbeitung, das Zoomen oder die Anzeige von Detailinformationen.
Weltweit einheitliche Abläufe
Novartis profitiert in mehrfacher Hinsicht vom neuen Feinplanungswerkzeug in SAP SCM. “Uns steht ein mächtiges aber einfach zu bedienendes Werkzeug zur Verfügung, das den Planern alle notwendigen Informationen und Handlungsmöglichkeiten bereit stellt”, betont Projektleiter Philippe Gerwill.
Positiv wirkt sich auch die nahtlose Integration mit SAP ERP für Novartis aus. Der Planer übernimmt die Kunden- und Produktdaten aus der ERP-Software und kann in SAP APO Aufträge anlegen, ändern und umsetzen. Die Materialbedarfsplanung erfolgt entweder in SAP APO oder in SAP ERP. “Alle Änderungen stehen zeitnah in beiden Lösungen zur Verfügung. Damit greifen Feinplanung und Auftragsabwicklung immer auf die gleichen Informationen zurück”, sagt Gerwill. Das spart bei Änderungen Zeit und Abstimmungsaufwand.
Angesichts der insgesamt 16 SAP-ERP-Mandanten, die der Pharmakonzern weltweit betreibt, ermöglicht SAP APO eine weitgehende Standardisierung der Abläufe in der Feinplanung. Mittelfristig will Novartis die Lösung in weiteren europäischen Werken einführen, unter anderem in Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien.