„Wenn Sie einmal die Prozesse in einem Unternehmen verstanden haben, dann kommen Sie auch mit jedem weiteren technologischen Sprung klar“, sagt Stefan Ruppe. Der Spezialist für Finanzprozesse und Sicherheit arbeitet nun erstmals seit zwanzig Jahren als freiberuflicher Berater wieder in Festanstellung – beim SAP-Partner Accenture. Mit den Vorzügen, Weiterbildungen bezahlt in Anspruch nehmen zu können und 30 Tage Urlaub im Jahr zu haben. Dass er bereits 30 Jahre länger auf der Welt ist als jene digital Natives, die derzeit in den Unternehmen besonders gefragt sind, stört seinen Arbeitgeber nicht. Denn Erfahrung ist offenbar nun die Fähigkeit der Stunde.
Glaubt man Simone Wamsteker von Ruppes neuem Arbeitgeber, dem IT-Berater und SAP-Partner Accenture in Kronberg, dann ist es kein Wunder, dass ein Fachmann wie Ruppe derzeit begehrt ist. Dass Ruppe bereits die 50 überschritten hat und damit in anderen Bereichen der Wirtschaft zum „alten Eisen“ zählen würde, wenn nicht gar vom Arbeitsamt als schwer vermittelbar eingestuft würde, ist hier Nebensache. 38.000 offene Stellen in der IT vermeldete der IT-Branchenverband Bitkom kürzlich. Die Verantwortliche für Recruiting in Deutschland, Österreich und der Schweiz Wamsteker zählt allein bei Accenture aktuell mehr als 1.000 offene Stellen, vor allem SAP-Experten und Kenner der Programmiersprache Java.

HR: Das Comeback der Senioren
Auf allen denkbaren Wegen sucht sie nach fachlicher Unterstützung. Das reicht vom eigenen Mitarbeiterpool mit 38.000 SAP-Experten weltweit über die klassischen Bewerbungskanäle, Headhunting bis hin zu Mitarbeiterprogrammen. „Schlägt uns ein Mitarbeiter den geeigneten Experten vor, bekommt er dafür eine Belohnung“, sagt Wamsteker. Etwa 40 Prozent der Neueinstellungen kommen nach Aussage der Chef-Recruiterin über diese Art der persönlichen Vermittlung zu Accenture. Doch die übergreifende Strategie klingt ganz einfach, aber auch exotisch: Ältere Experten gewinnen. War vor sechs Jahren nur jeder fünfte neu eingestellte Mitarbeiter älter als 45 Jahre, sind es heute schon 40 Prozent. Ein Comeback für IT-Senioren.
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Gerade in Finanzprozessen sieht Ruppe Bedarf an erfahrenen SAP-Experten. „Das Finanzwesen ist das Kernthema, das alle Bereiche eines Unternehmens umfasst“, erläutert Ruppe, „von der Bestellung von Artikeln über das Controlling bis hin zur Produktion muss die Software fast jeden Winkel der Unternehmensprozesse mit berücksichtigen. Hier brauchen Unternehmen Experten, die den gesamten Prozess verstehen.“ Die Praxiskenntnisse von Absolventen, die gerade frisch von der Uni kommen oder nur ein paar Jahre Berufserfahrung mitbringen, reichen meist nicht aus, komplexe Projekte erfolgreich zu Ende zu bringen: „Kunden sind zunehmend sicherheitsorientiert“, ergänzt Personalerin Wamsteker, „deshalb sind erfahrene Leute hier sehr wichtig, die ein Projekt in ähnlicher Form bereits mehrmals umgesetzt haben“. Besonderes Plus laut Ruppe: „Wenn Sie einmal die Prozesse im Unternehmen verinnerlicht haben, können Sie mit jeder neuen Technologie umgehen“. Beispiel SAP HANA: „Wenn man im Studium gelernt hat aus hierarchischen relationale Datenbanken zu machen, versteht man das technische Prinzip von SAP HANA besser.“
Fachmann Ruppe ist nun in den Projekten bei Accenture derjenige, der „kontrolliert und führt“, nicht mehr zu den Schraubern gehört, sondern als Manager Projekte begleitet und anleitet. Kommt also ein Millenial mit seiner „Dynamik und Begeisterung und dieser unheimlichen Energie“ (Ruppe) in das Team hinein, ist er derjenige, der sich zwar von der jugendlichen Begeisterung gerne mitziehen lässt, doch auch das „aber“ kennt. „Nicht jede Technik hat seinen Segen: Nehmen Sie beispielsweise das Thema Social Media und die Nutzung der personenbezogenen Daten“, so Ruppe: „Hier macht es durchaus Sinn, noch einmal drüber nachzudenken, wie man im Unternehmen Social Media einsetzen will.“
Die Begeisterungsfähigkeit der Millenials mitnehmen und das „Aber“ kennen
Die Begeisterung an der modernen Kommunikationstechnik liegt aber vielleicht auch in der Familie. „Meine 84-jährige Mutter hat sich neulich bei mir beschwert, dass auf ihrem Laptop Skype sehr leise sei. Ich beschäftige mich zwar eher mit Unternehmensanwendungen, aber das habe ich dann auch noch hinbekommen – schließlich ist es mein Job, dass die IT in Gang kommt.“