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Dieter Koenen, Manager Consulting Services bei der innobis AG, leitet seit mehr als zehn Jahren große Testmanagement-Vorhaben im SAP-Banking-Umfeld und fasst seine Erfahrungen in zehn Regeln zusammen.

Regel 1: Schreiben Sie ein Testkonzept.

Die Kunst liegt darin, das Konzept möglichst kurz zu halten und komplexe Sachverhalte wie beispielsweise eine Testumgebung mit vielen Schnittstellen durch Grafiken darzustellen. Wesentliche Bestandteile sind die Auflistung der Testobjekte, das Testvorgehen, die Skizzierung der Testumgebung sowie definierte Abnahmekriterien. Stimmen Sie das Konzept mit der Entwicklung und der Fachseite ab. Dann können sich alle Beteiligten an dieselben Vorgaben halten und Sie haben definierte Kriterien für die Abnahme.

Regel 2: Investieren Sie in die Qualität der Testfälle.

Den Fachabteilungen fehlt häufig die Zeit, die Testfälle zu erstellen. Folglich werden diese aus alten Vorhaben ‘recycelt‘, sind zu allgemein, zu granular oder treffen nicht die abzunehmende Funktion. Das Resultat: Oft werden die falschen Features getestet. Die Fachabteilung sollte sich also unbedingt die notwendige Zeit nehmen. Achten Sie darauf, dass das in den Testfällen erwartete Ergebnis spezifiziert und die Testfälle einem Review unterzogen werden. Ein kontrolliertes ‘Nachjustieren‘ in der Testphase ist gängige Praxis.

Regel 3: Priorisieren Sie Ihre Testfälle.

Bewährte Praxis ist, die Testfälle zu priorisieren. Ein guter Ansatz ist das Risk Based Testing. Hier werden die Testfälle insbesondere hinsichtlich des Schadensmaßes bei Fehlfunktionen gewichtet. Je höher die Gewichtung des zu testenden Prozesses und damit der Umfang eines möglichen Schadens, desto höher ist die Priorität des Testfalls.

Regel 4: Planen Sie mehrere Testzyklen.

Der erste Testzyklus läuft üblicherweise sehr holprig an. Es gibt Blockaden, die Tester sind nicht eingearbeitet und es ergeben sich viele Fehler. Legen Sie daher nach dem ersten Testzyklus eine Pause ein und geben Sie der Entwicklung die Chance, alle kritischen Fehler zu beheben. Starten Sie dann mit einem konsolidierten Software- und Datenstand einen weiteren Zyklus, in dem Sie zumindest alle hoch und mittel eingestuften fehlerhaften Testfälle aus dem ersten Zyklus testen.

Regel 5: Kümmern Sie sich rechtzeitig um die Testumgebung.

Planen und überwachen Siemit Nachdruck das Bereitstellen der Testumgebung. Den ersten Pfeiler setzen Sie durch die Definition von Eingangskriterien im Testkonzept. Sind wesentliche Bedingungen nicht erfüllt, starten Sie erst gar nicht. Beschaffen Sie User-IDs für die Testumgebung und prüfen Sie die Berechtigungen. Und führen Sie technische Shake-Down-Tests durch. Unter Umständen sind auch regelmäßige Batch-Abläufe zu etablieren und Personal für den Betrieb zu rekrutieren.

Regel 6: Nutzen Sie ein integriertes Test- und Abweichungsmanagement-Werkzeug.

Spätestens ab einer Menge von rund 100 Testfällen lohnt sich die Investition in ein integriertes Test- und Abweichungsmanagement-Werkzeug. Gute Toolse sind zum Beispiel HP Quality Center oder IBM Rational ClearQuest. Für SAP-Anwender bietet sich der Einsatz der lizenzfreien SAP Solution Manager Test Workbench an.

Regel 7: Führen Sie ein Test-Kick-off durch.

Den zeitlichen wie personellen Aufwand, den Sie in ein gut vorbereitetes Kick-off investieren, fahren sie im täglichen Testbetrieb locker wieder ein. Die Tester werden beispielsweise über Testziele und Vorgehen, Testsysteme, Werkzeuge und Termine informiert. Dadurch vermeiden Sie viele Rückfragen. Lassen Sie auch Verantwortliche aus der Entwicklung auftreten. Das persönliche Kennenlernen erleichtert die Kommunikation. Bewährt hat sich, die Kick-off-Unterlagen und Statusreports, aber auch Konzepte in einem einfach zugänglichen Medium wie MS SharePoint zur Verfügung zu stellen.

Regel 8: Starten Sie nicht zu früh mit den Tests.

Auch wenn Sie unter hohem Druck stehen, den geplanten Starttermin für die Fachtests einzuhalten: Verschieben Sie die Tests, wenn die Software noch nicht testbereit ist. Sie sparen sich und den Testern jede Menge Ärger und vermeiden vor allem die negative Ausstrahlung in die involvierten Fachabteilungen.

Regel 9: Unterbrechen Sie die Tests bei Testblockaden.

Natürlich macht es keinen Spaß, Tester in eng getakteten Fenstern nach Hause zu schicken. Auch bei der Entwicklung rennen Sie mit der Maßnahme keine offenen Türen ein. Aber die negativen Konsequenzen wie unzufriedene Tester und Panik in den Fachabteilungen oder beim Vorstand aufgrund der mangelhaften Softwarequalität sind im Zweifelsfall höher zu bewerten. Sie können die Unterbrechung für die Konsolidierung der Software nutzen. Flankieren Sie die Maßnahme durch eine klare und verlässliche Kommunikation.

Regel 10: Kommunizieren Sie mit den Testern.

Führen Sie regelmäßig Status- und Fehlermeetings mit den Testern und der Entwicklung durch. Bewährt haben sich beispielsweise tägliche Stand-up-Meetings. Versuchen Sie, täglich mit jedem direkt zu sprechen, um mehr über konkrete Test- und vermeintliche Fehlersituationen zu erfahren. Bewährt hat sich auch, bei komplexen Sachverhalten Entwickler zu Tests oder für den Retest von Fehlern hinzuzuziehen.

Jedes Testmanagement-Vorhaben verläuft anders, und den perfekten Projektablauf wird es wohl nie geben. Aber vieles wird mit den oben genannten Grundregeln einfacher. Letztendlich geht es darum, in einem von allen Beteiligten akzeptierten Prozess die Qualität der Software auf ein für den Produktivbetrieb notwendiges Niveau zu bringen. Dass dabei nicht alle Fehler vor dem Produktivstart behoben werden, ist eher die Regel und nicht die Ausnahme.

Bildquelle: Shutterstock