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Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit konkurrieren auf dem globalen Arbeitsmarkt heute fünf Generationen. Dies stellt Unternehmen vor die scheinbar unlösbare Aufgabe, fünf Zielgruppen anzusprechen.

Traditionalisten, Baby Boomer, Generation X, Millennials und Generation Z – diese Generationenvielfalt findet sich heute in vielen Unternehmen. Gemeinsam mit SAP führte das Forschungs- und Beratungsunternehmen Oxford Economics kürzlich eine Studie in großen Unternehmen durch. Dabei wurden mehr als 5.500 Führungskräfte und Mitarbeiter in 27 Ländern befragt. Die Ergebnisse der Studie von Oxford Economics deuten darauf hin, dass es durchaus möglich ist, fünf Generationen zu erreichen – und zwar vermutlich leichter, als gedacht. So zeigte die Befragung, dass Millennials und die älteren Generationen im Grunde gar nicht so unterschiedlich sind.

Gängige Mythen über Millennials werden in Frage gestellt

  • Die Wahrscheinlichkeit, dass Millennials ihren Arbeitsplatz kurzfristig aufgeben, ist höher als bei Nicht-Millennials.
  • Millennials ist das Erreichen von Einkommenszielen nicht so wichtig wie anderen Beschäftigten.
  • Millennials ist ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Beruf und Freizeit wichtiger als Nicht-Millennials.

Widerlegter Mythos Nr. 1
Tatsächlich besteht laut der Studie bei Millennials eine etwas geringere Wahrscheinlichkeit als bei anderen Beschäftigten, dass sie ihren Arbeitsplatz in den nächsten sechs Monaten aufgeben (21 Prozent im Vergleich zu 23 Prozent bei den Nicht-Millennials).

Widerlegter Mythos Nr. 2
Während 41 Prozent der Millennials angeben, ein höheres Einkommen sei Anreiz für stärkeres Engagement und größere Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber, sind es bei den Nicht-Millennials nur 38 Prozent.

Widerlegter Mythos Nr. 3
31 Prozent der Nicht-Millennials, aber nur 29 Prozent der Millennials geben an, ihnen sei eine ausgeglichene Work-Life-Balance wichtig. Auch wenn Millennials und Nicht-Millennials viele Gemeinsamkeiten haben, sollten Unternehmen wissen, in welchen Punkten sich die Generationen klar voneinander unterscheiden. So wünschen sich zum Beispiel sowohl Millennials als auch Nicht-Millennials mehr Feedback – Millennials erwarten Feedback jedoch häufiger: 50 Prozent wünschen sich einmal pro Monat Feedback,16 Prozent der befragten Millennials sogar wöchentlich. Ein Großteil der Nicht-Millennials hingegen möchte nur einmal im Quartal oder einmal im Jahr Feedback.

Im Grunde genommen sind Millennials und ältere Mitarbeiter jedoch gar nicht so verschieden. Für Unternehmen ist das eine gute Nachricht, denn es heißt, dass sie ihre Strategien zur Mitarbeitergewinnung und -bindung nicht komplett umkrempeln müssen, um junge Mitarbeiter anzuziehen. So zeigt die Studie, dass Millennials genau wie andere Mitarbeiter Wert auf eine faire und angemessene Entlohnung, eine ausgewogene Work-Life-Balance und ein motivierendes Arbeitsumfeld legen, in dem die Arbeit Spaß macht.

Ein Thema, mit dem sich Unternehmen im Hinblick auf Millennials besonders intensiv auseinandersetzen sollten, ist der Sinngehalt der Arbeit. Adam Poswolsky, Autor des Buches „The Quarter-Life Breakthrough“, erklärt, dass sich Millennials nach einer Arbeit sehnen, mit der sie etwas bewirken können. „Eine sinnvolle Arbeit stiftet Erfüllung und spiegelt den eigenen Charakter und die eigenen Interessen wider. Sie erlaubt es dem Einzelnen, seine individuellen Stärken einzusetzen, um anderen zu helfen. Zudem ist die Vergütung angemessen und reicht aus, um den gewünschten Lebensstil zu finanzieren“, so Poswolsky. „Da wir unterschiedliche Interessen und Vorlieben haben, kann eine sinnvolle Arbeit für jeden von uns etwas anderes bedeuten“, erklärt er.
Um eine Arbeitsumgebung zu schaffen, die Millennials ein eigenständiges und sinnvolles Arbeiten ermöglicht, sollten Unternehmen laut Poswolsky folgende Schwerpunkte setzen:

Sinngehalt der Arbeit

Sichtbare Ergebnisse sind entscheidend, um Millennials zu zeigen, dass sie mit ihrer Arbeit etwas bewirken können, und sie so für sich zu gewinnen. Führungskräfte sollten sich regelmäßig mit ihren Mitarbeitern austauschen, um ihre Motivation zu verstehen. Zudem sollten sie mögliche Hindernisse gemeinsam mit ihnen aus dem Weg räumen. So ermöglichen sie es ihren Mitarbeitern, sich auf das zu konzentrieren, was sie am besten können.

Qualifikationen und Fähigkeiten

Laut Poswolsky möchten Millennials so schnell wie möglich zeigen, was sie können – das heißt, sie wollen sich direkt in die Arbeit stürzen. Um eine schnelle Einarbeitung zu ermöglichen, sollten Unternehmen jedem neuen Mitarbeiter einen erfahrenen Kollegen aus der gleichen Abteilung zur Seite stellen. Von einer solchen Partnerschaft profitieren beide Seiten: Der neue Mitarbeiter wird von jemandem, der das Unternehmen bereits kennt, direkt am Arbeitsplatz eingearbeitet. Der Mentor hingegen lernt einen anderen Blickwinkel und vielleicht sogar eine neue Arbeitsweise kennen. So können Millennials schon bald nach dem Einstieg selbst Einfluss nehmen und einen persönlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten. Dies wirkt sich motivierend aus und fördert das Engagement der neuen Mitarbeiter.

Autonomie – in Karrierewege reinschnuppern lassen und Flexibilität fördern

Um junge Talente zu ermuntern, verschiedene Karrierewege zu erkunden, sollten Unternehmen es ihnen ermöglichen, unterschiedliche Aufgaben, Positionen und Geschäftsbereiche kennenzulernen. Mitarbeiter, die an Fellowships oder Rotationsprogrammen teilnehmen, entwickeln sich beruflich weiter und lernen, unterschiedliche Aufgaben in verschiedenen Bereichen des Unternehmens zu übernehmen. Dies fördert den Austausch und ermöglicht eine bereichsübergreifende Nachfolgeplanung.

Berufliche Weiterentwicklung

Poswolsky erklärt, dass berufliche Weiterentwicklung für Millennials nicht mehr das Erklimmen einer Karriereleiter bedeutet. Stattdessen lässt sich ihr Karriereweg häufig mit einem Springen von einem Seerosenblatt zum anderen in einem Teich vergleichen. Sie verweilen drei bis vier Jahre auf einem Seerosenblatt und hüpfen dann weiter zum nächsten, das höher, tiefer oder auf der gleichen Ebene liegen kann. Das Weiterkommen im Job wird also nicht länger mit beruflichen Aufstieg gleichgesetzt. Die einzelnen Seerosen stehen für verschiedene Positionen in unterschiedlichen Unternehmen. Zusammengehalten werden sie jedoch alle durch ein Wurzelwerk unter Wasser, das das übergeordnete Ziel, die Motivation, die jeder Station auf dem Karriereweg zugrunde liegt, symbolisiert.
In Anlehnung an diese Metapher erklärt Nathaniel Koloc, CEO der Personalvermittlungsagentur ReWork: „Es ist wichtig, dass Unternehmen ihr Seerosenblatt so attraktiv und einladend wie möglich gestalten. Sie sollten ein angenehmes Arbeitsumfeld schaffen und zeigen, dass sie Wert auf berufliche Weiterentwicklung legen.“

Mitarbeiterengagement – Anerkennung zollen und Feedback geben

Laut der Studie von Oxford Economics wünschen sich Millennials sehr viel häufiger Feedback als Nicht-Millennials. Dies bestätigt auch Poswolsky: „Millennials benötigen Bestätigung und Feedback, um mit vollem Engagement bei der Sache zu bleiben. Regelmäßige Rückmeldungen sind dabei besonders wichtig. Zudem wird großer Wert auf ehrliches Feedback gelegt.“

Führungskultur – von der klassischen Hierarchie zum „Holocracy“-Modell

Das „Holocracy“-Prinzip ist eine neue Art der Unternehmensführung, bei dem die Autorität, die im klassischen Modell bei den Führungskräften liegt, auf die Mitarbeiter selbst verteilt wird. So können sie ihre Arbeit eigenverantwortlich erledigen und werden von ihren Vorgesetzten nicht mehr bis ins kleinste Detail kontrolliert. Dies führt dazu, dass Aufgaben zwar anders verteilt werden als in einer konventionellen Hierarchie, aber strukturierter. Laut Poswolsky bevorzugen junge Talente flache Hierarchien. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass Unternehmen, die das „Holocracy“-Modell einführen, mehr Millennials für sich gewinnen können als Firmen mit klassischen Organisationsstrukturen.

Nur etwa 30 Prozent der im Zuge der Studie von Oxford Economics befragten Führungskräfte gaben an, dass ihr Unternehmen den Bedürfnissen und Wünschen von Millennials besondere Aufmerksamkeit widmet. Doch ganz gleich, ob die Studie Recht hat und sich Millennials weniger als vielleicht gedacht von anderen Generationen unterscheiden: Unternehmen sollten erkennen, dass der Eintritt einer neuen Generation auf den Arbeitsmarkt mit unerwarteten Herausforderungen verbunden ist, und sich darauf vorbereiten, diese unmittelbar zu bewältigen. Denn nur wer optimal für die neue Generation gerüstet ist, hat im Wettstreit um junge Talente eine Chance.

 

Bildquelle: Shutterstock