Einfach verständliche Technologie gepaart mit einem selbststeuernden Netzwerk: Übernachtungsportal Airbnb macht vor, wohin die Strategie des Personalmanagements in Unternehmen sich entwickeln sollte.
Jeder kennt sie, die Herausforderungen des Arbeitsalltags: Ein Meeting löst das nächste ab, Mails landen schneller im Postfach, als sie beantwortet werden können und jede bewältigte Teilaufgabe sollte noch dazu detailliert festgehalten werden. Zusätzlich erfindet sich die Technologie ständig neu. Permanent erscheinen neue Apps für Smartphones und Tablets. Projekte sollen auf diversen Plattformen betreut, Social-Media-Kanäle beobachtet und bestenfalls selbst bespielt werden. Das Fazit: Die Arbeit ist komplexer geworden. Nur mit Strategien kann jeder Arbeitstag gemeistert werden, um im Wettbewerb einen Schritt voraus zu sein.
Eine aktuelle weltweite Umfrage vom Beratungshaus Deloitte bestätigt, dass knapp drei Viertel der Befragten ihren Arbeitsplatz als „sehr komplex oder komplex“ einschätzen und weitere 22 Prozent „ein Stück weit komplex“. Nur fünf Prozent meinen, dass das Thema Komplexität sie aktuell nicht interessiert. Mehr als die Hälfte der Unternehmen haben deshalb bereits Programme im Einsatz, die zum Ziel haben, die Arbeit wieder einfacher zu machen. Und es werden ständig mehr.
Die Ursachen der Komplexität: Internet 4.0, schnelle Zyklen, Globalisierung
1.„Die Welt ist globaler geworden.“
So lautet die Begründung von Wolfgang Faßnacht, Personalleiter Deutschland für SAP, „es gibt kein Team mehr, das geschlossen an einem Standort arbeitet.“ Bei der Verständigung geht es oft nicht darum ein gutes Englisch zu sprechen, sondern vielmehr um organisatorische Dinge: „Es ist eine andere Herausforderung, den geeigneten Zeitpunkt für eine Telefonkonferenz zu finden, an der Mitarbeiter aus verschiedenen Kontinenten teilnehmen, als Kollegen zusammenzurufen, die alle auf einem Flur sitzen“, nennt Faßnacht ein alltägliches Beispiel.
2. Das World Wide Web hat die Zyklen beschleunigt.
Aufgaben, die abends erledigt wurden, landen nun wie ein Bumerang wieder auf dem Tisch, noch bevor der Computer morgens angestellt wird. „Produktzyklen haben sich in den letzten Jahren von zwei Jahren auf drei Monate reduziert“, erläutert Personalleiter Faßnacht die Entwicklung in der Softwarebranche, „und sie werden sich weiter verkürzen.“
3. Das Internet 4.0 vernetzt Dinge und Menschen.
Über die zunehmende Vernetzung ist auch der Mensch in seinem Arbeitsumfeld betroffen. Er wird tendenziell mehr Verantwortung tragen müssen. Während automatisierbare Arbeiten immer mehr vom Computer oder einem Netzwerk übernommen werden können. Das erhöht den Druck auf persönliche Veränderungen.
Die neue Einfachheit: Von Airbnb lernen
Was nun benötigt wird, um die Arbeit zu vereinfachen, ist das Airbnb-Gen für das Personalwesen. Große Teile der Geschäftswelt schauen staunend auf das Unternehmen aus dem Silicon Valley, dessen Übernachtungsportal quasi von alleine wächst und wächst. Denn bei jeder – per Netzwerk irgendwo in der Welt – zustande gekommenen Vermietung klingelt die Kasse in Übersee. Zwei Faktoren sind nach Ansicht von SAP-Personalchef Faßnacht besonders interessant:
1. Die Technologie ist standardisiert und einfach zu bedienen.
Man braucht kein Handbuch, um zu verstehen, wie man eine Wohnung vermietet oder selbst mietet. „Schaut gut aus und ist extrem einfach“, fasst Faßnacht zusammen.
2. Airbnb ist ein selbstgesteuertes Netzwerk.
Die Kontrolle hat Gründer Nathan Blecharczyk abgegeben. Der Anknüpfungspunkt für HR: Einfache Technik und eine moderne Führungskultur greifen ineinander.
Besonders wichtig ist Faßnacht dabei die Führungskultur, die seiner Ansicht nach noch oft eher auf Kontrolle als auf Vertrauen und einem coachenden Stil basiert. „Das ist in einer derart komplexen Welt nicht aufrechtzuerhalten“, ist Faßnacht überzeugt: „Die komplette Kontrolle ist ein Irrglaube.“
Die Arbeitswelt bei SAP: Praktische Tipps für mehr Einfachheit
Folgende Ideen zeigen, was SAP tut, um der Arbeitswelt ein Stück weit ihre Komplexität zu nehmen:
Meet and Lunch:
Informelles Lernen steht im Vordergrund des etwa zwei Jahre alten Ansatzes, bei dem sich prinzipiell jeder Mitarbeiter via Plattform mit einem anderen zum Mittagessen treffen kann. Einerseits geht es um Wissenstransfer, andererseits aber auch darum, das eigene Netzwerk zu erweitern. „Ich habe nicht die Zeit, ein paar Tage in ein Seminar zu gehen, um neue Entwicklungen in Sachen SAP HANA zu erfahren“, erläutert Faßnacht, „ein Mittagessen mit einem Experten reicht, um mitreden zu können und grundsätzlich informiert zu sein.“
HR Project Marketplace:
Seit etwa einem halben Jahr haben Mitarbeiter aus dem Personalbereich die Möglichkeit, neue Projekte selbst anzustoßen und so einen Teil der Arbeitszeit eigenständig zu gestalten. Mit wöchentlich einer eingehenden Idee werden oft auch Rotationsprogramme ausgearbeitet. Das Plus für Faßnacht: „Einerseits ist es einfacher, über das Portal im Netzwerk die passenden Fähigkeiten der Mitarbeiter zusammenzubekommen. Andererseits fördern wir damit innovative Ansätze.“
Standardisierte Services für Mitarbeiter und Manager:
Wer seine Arbeitszeit reduzieren will oder Fragen zu seiner Gehaltsabrechnung hat, nutzt bei SAP so genannte Self Services oder gibt HR-Tickets auf. Vorteil: Die Agenten der Personalabteilung können schneller reagieren als bisher, auch über Zeitzonen hinweg. Empfundener Nachteil: Einen persönlichen Ansprechpartner gibt es nicht mehr. Doch schnelle Antwortzeiten überzeugen. Auch für Manager ist es nach Aussage von SAP-Personalleiter Faßnacht nur noch eine Frage der Zeit, bis sie die Selfservices umfassend nutzen werden, da die Vorteile überzeugen.
Kollaborationsplattformen statt Mails:
Keine überquellenden Postfächer, sondern konkrete Informationen über den aktuellen Austausch eines Projekts bietet eine Kollaborationsplattform. Was Millennialls etwa aus ihren Whatsapp-Gruppen kennen, hilft Mitarbeitern nach dem Urlaub schnell wieder auf dem neuesten Stand zu sein. Allerdings scheint der Anteil von Unternehmen, die entsprechende Plattformen derzeit konsequent nutzen noch gering zu sein, nimmt aber kontinuierlich zu, so Faßnacht. Wichtig: Auch hier reduziert der „dynamische Bericht auf der Plattform“ abermals den Bedarf an detail-orientierter Führung und fördert das Vertrauen in die Mitarbeiter.
Das auf Kollaborationsplattformen praktizierte weitgehend hierarchielose Zusammenarbeiten könnte ebenso dem einen oder anderen Meeting gut tun. „Macht den Kreis der Teilnehmer halb so groß“, fordert Faßnacht, davon überzeugt, dass viele nur an einem Update interessiert sind, um die Kontrolle zu behalten. Sein Credo an die Führungskräfte: „Mehr loslassen.“