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Beharrlichkeit, Ehrgeiz und Bodenständigkeit zeichnen Susanne Diehm aus. Das Rüstzeug für ihre Karriere hat sie sich in jungen Jahren angeeignet.

Ende November im Kraichgau. Hoffenheim spielt den Blues. Die Stimmung unter den Fans des Fußballbundesligisten ist trübe, passt aber zum Wetter. Auch Dauerkartenbesitzerin Susanne Diehm hadert mit der schlechten Leistung der Kicker, die den Verein in den Tabellenkeller geführt hat. „Im Team passt es derzeit irgendwie nicht mehr zusammen“, analysiert sie die aktuelle Lage. Das tut weh – besonders, wenn man wie Susanne aus Hoffenheim kommt und alleine schon dadurch mit dem Verein verbunden ist. Wer auf dem Dorf aufwächst, geht in den Sportverein. Das ist schon immer so gewesen. Kinderturnen war Susannes erste Disziplin, es folgten Leichtathletik und Rhythmische Sportgymnastik.

Die Vorturnerin gibt sie noch immer – inzwischen hat sie ihr Übungsrepertoire stark erweitert. Ihr offizieller Titel lautet: „Leiterin Public Services & Healthcare, Mitglied der Geschäftsleitung SAP Deutschland“. Eine verantwortungsvolle Aufgabe für jemanden, der monatelang Zimmer aufgeräumt und Toiletten geschrubbt hat. Aber der Reihe nach.

Nach dem Abitur hatte sich Susanne Diehm zunächst dazu entschieden, eine Ausbildung als Hotelkauffrau im Europäischen Hof in Heidelberg zu beginnen. Sie wollte mit Menschen arbeiten, träumte davon, die internationale Prominenz zu betreuen. Die Realität sah freilich anders aus. Zwar konnte sie illustre Gäste wie Schwedens Königin Silvia begrüßen; doch zur Lehre gehörte ebenfalls, die Gästezimmer zu putzen und in der Küche zu helfen. „Es war eine harte Schule“, erinnert sie sich , „aber ich habe viel fürs Leben gelernt.“ So hat sie im Hotel ihre Liebe zum Kochen entdeckt. Es ist zu ihrem Hobby geworden, dem die vielreisende Geschäftsfrau leider nur am Wochenende nachgehen kann. Dann wird gebrutzelt wie einst bei Muttern.

Mit der Zeit wurde Diehm das Hotelfach zu eng. Sie sah keine weitere Aufstiegsmöglichkeit für sich. Also wechselte die ehrgeizige 25-jährige Personalsachbearbeiterin an die FH Ludwigshafen, studierte Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Personalwesen – und landete schließlich in der HR-Abteilung der SAP in Walldorf, um dort ihre Diplomarbeit zu schreiben. Als später eine Stelle in der Altersversorgung frei wurde, bewarb sie sich. Mit Erfolg. Diese Entscheidung sollte sich noch als Glücksgriff erweisen, und zwar für beide Seiten.

Von HR zum Vertrieb

Damals stieß mit Stefan Böhm ein neuer HR-Chef zur SAP. Er hatte den Auftrag, die betriebliche Altersversorgung neu zu gestalten. Das im Team erarbeitete Ergebnis haben beide auf Informationsveranstaltungen den Mitarbeitern präsentiert. „Stefan hat die Grundlagen erläutert und ich habe die Details vorgestellt“, sagt Diehm. Noch heute profitieren die SAP-Kollegen von ihrer Arbeit. Man kann Susanne Diehm mit Fug und Recht als eine Architektin der SAP-Altersversorgung bezeichnen.

Als ihr Verkaufstalent einige Zeit später vom ehemaligen SAP-HR-Vertriebschef Rainer Kaiser („Du gehörst an die Kundenfront“) entdeckt wurde, war ihr „Schicksal“ besiegelt. Jetzt konnte sie ihre eigentliche Stärke ausspielen: In der unmittelbaren Kommunikation Überzeugungsarbeit leisten. „Ich hätte nie gedacht, dass man im Sales einen so engen Kontakt zu Menschen aufbaut.“ Sie hatte ihre berufliche Heimat gefunden – und suchte fortan auf diesem Terrain immer wieder nach neuen Herausforderungen. Folglich hat sie im Laufe der Jahre weitere Branchen im SAP-Vertrieb durchlaufen. So war Diehm im Manufacturing unter anderem für den Kunden Heidelberger Druckmaschinen tätig und hat die Telekom als Global Account Director auf internationaler Ebene betreut.

„Ich wollte unbedingt noch Personalverantwortung übernehmen“, begründet sie den Schritt zum Public Sector (2011), wo ihr diese Möglichkeit geboten wurde. Heute leitet die ehemalige Vertriebsleiterin den Gesamtbereich. Diese Branche ist anders als alle anderen. In der Öffentlichen Verwaltung gibt es weder Wettbewerb noch Innovationsdruck. Das Geschäft spielt sich ausschließlich in Deutschland ab. Die Kunden reagieren zumeist nur auf gesetzliche Änderungen. Öffentliche Auftraggeber sind gezwungen, Aufträge extern auszuschreiben sowie penibel zu prüfen – mit der Folge, dass Projekte oft sehr lange Laufzeiten haben. Legislaturperioden bestimmen den möglichen Abschlusskorridor.

Trotzdem muss Susanne Diehm jedes Jahr gute Zahlen liefern. Wie hält sie diesen Druck nur aus? Generell könne sie damit sehr gut umgehen, aber: „Es gibt schon Nächte, in denen auch ich schlecht schlafe“, sagt sie. Manche Dinge belasten sie, das sei nun einmal so. Ehrliche Worte von einer Managerin, die ihre Mitarbeiter immer wieder neu fordert. Manchen Kollegen sei sie sogar etwas zu „pushy“, sagt sie und lacht. „Ich denke, das ist normal für jemanden, der Verantwortung trägt und Dinge vorantreiben will“, so Susanne.

Sie geht konsequent ihren Weg, ist dabei aber immer zu Kompromissen bereit – was ihre Gegenüber nicht als Schwäche deuten sollten. Es hat seine Spuren hinterlassen, dass sich Susanne Diehm als Einzelkind gegen ihre drei Cousins behaupten musste, mit denen sie aufgewachsen und durch Wald und Flur gezogen ist. Unter sieben Enkeln war sie das einzige Mädchen. „Sicher war das keine schlechte Schule für mein berufliches Leben“,  sagt sie, die sich seit Jahren in einer immer noch von Männern dominierten IT-Welt durchsetzen muss, sowohl intern als auch bei den Kunden.

Im Dezember kommt das Fieber         

Zu denen pflegt Diehm generell ein gutes Verhältnis. Viele von ihnen besucht sie auch als „Chefin“ noch regelmäßig. „Wer glaubt, sich übers Jahr nicht zeigen zu müssen, um dann kurz vor Jahresende noch einen Deal abschließen zu können, ist im öffentlichen Sektor auf dem Holzweg.“ Allerdings grassiert im üblicherweise verkaufsstarken letzten Monat des Jahres  in einigen Behörden das so genannte „Dezemberfieber“: Dann wird lieber das Restbudget verbraucht, als im nächsten Jahr Kürzungen hinnehmen zu müssen.

Deshalb waren die vergangenen Wochen vor dem Jahreswechsel wie immer spannend. Susanne konnte sie gelassen angehen, schließlich lief es in den Monaten zuvor bislang schon ganz gut. Was sie ärgert ist die Tatsache, dass die Konkurrenz zwar weit weniger zu bieten habe; es gelinge den Wettbewerbern aber immer wieder, sich Gehör zu verschaffen. „Wir sind an dieser Stelle zu bescheiden.“

Aktuell definiert Susanne Diehm mit ihrem Team die Digitalisierungsstrategie für ihren Bereich. Das Timing könnte nicht besser sein, denn im Gegensatz zu den Hoffenheimer Profis spielt die SAP gerade groß auf. Das Unternehmen befinde sich in einer hervorragenden Position. „Wir haben erstklassige Produkte und eine überzeugende Strategie, das ist eine tolle Story“, so Susanne Diehm.

Das hört sich nach einer Steilvorlage an. Zeit, in die Offensive zu gehen.