Eine Kultur nachhaltiger Gestaltung aufzubauen ist für einen Koloss wie IBM eine große Aufgabe. Designchef Phil Gilbert traut sich das zu.
Als Designchef bei IBM verantwortet Phil Gilbert ein Programm historischen Ausmaßes. Er will die Geschäfte von IBM durch Design Thinking neu beleben. Seit seine eigene Firma von IBM im Jahr 2010 geschluckt wurde, verfolgt Gilbert seinen Plan: Die Art und Weise neu zu definieren, wie Produkte und Dienste der IBM entwickelt werden. Liebevoll auch „Big Blue“ genannt, kann IBM als Ursprung der kommerziellen Datenverarbeitung bezeichnet werden.
„Big Blue“ ist derzeit nicht nur dabei, über 1.000 neue Designer einzustellen; jeder einzelne von ihnen durchläuft dabei ein striktes dreimonatiges Design Bootcamp. Während dieser Zeit nehmen die Gleichgesinnten für eine Woche an einem „Accessibility Hackathon“ teil, widmen sich einen Monat lang einem kleineren Projekt und arbeiten schließlich sieben Wochen lang an einem „Incubator“-Projekt. Außerdem lernen die Teilnehmer in Workshops die Schlüsselelemente des Design-Prozesses kennen und planen ihren persönlichen Karriereweg. Zusätzlich zu dem Bootcamp für neue Designer ist ein einwöchiges Design-Thinking-Training für Projektteams sowie ein ganztägiger Design-Workshop für Führungskräfte vorgeschrieben.
Für IBM ist Design kein unbeschriebenes Blatt. Vor genau sechzig Jahren stellte der Vorstandsvorsitzende Thomas Watson Jr. den renommierten Architekten und ehemaligen Kurator für Industriedesign am New Yorker Museum für Moderne Kunst Eliot Noyes ein, um das Unternehmen in allen Fragen rund um Design zu beraten. Noyes hielt seiner Zeit mit allen wichtigen Designgrößen Kontakt, um aus IBM ein Markenzeichen für modernes Unternehmensdesign zu machen. Aber mit den Jahren verlor Design für IBM an Bedeutung. Beim jüngsten SAP Design Talk in Walldorf gab Gilbert ganz offen zu: „Irgendwann haben wir es aus den Augen verloren“. Um anschließend gut gelaunt hinzufügen: „Aber nun haben wir es zurück gewonnen.“
Nutzer in den Mittelpunkt stellen
Und wie: Gilbert berichtet von einer Kultur, die von Kommunikation geprägt ist sowie den Glauben an die eigenen Fähigkeiten stärkt und das Vertrauen untereinander fördert: „Wir haben unseren Einfluss dahingehend genutzt, unseren Mitarbeitern einen sicheren Raum zu bieten und ihnen die Erlaubnis gegeben, das Richtige zu tun.“
Das Geschäftsziel jedes Unternehmens eines “gewissen Alters” sei es, dass die Verkaufszahlen neuer Produkte die zurückgehenden Zahlen älterer Produkte übertreffen. „Dies wird am wirksamsten dadurch erzielt, indem wir den Nutzer bei allem, was wir tun, in den Mittelpunkt stellen“, erklärte Gilbert, der den Fokus auf Resultate anstatt auf Design legt. Er ist kein ausgebildeter Designer, sondern schon eher ein erfolgreicher Unternehmer: Durch die Integration von Designern in die Produktentwicklung konnten Forschungs- und Entwicklungskosten um bis zu 30 Prozent reduziert werden.
Eventuell liegt darin das Geheimnis seines Erfolgs. Gilbert formulierte es folgendermaßen: „Menschen + Methoden + Orte = Wirkung. Um die Wirkung zu verändern, müssen alle drei Komponenten neu justiert werden.“ Nach diesem Modell hat IBM ihre Ergebnisse und ihr gesamtes Business transformiert: Mitarbeiter werden kontinuierlich gefördert und neue Talente eingestellt (Menschen), agile und auf den Nutzer ausgerichtete Arbeitsmethoden werden gemeinsam genutzt (Methoden) sowie die Zusammenarbeit und Kreativität moderner Arbeitsplätze gefördert (Orte).
Neugierig geworden? Im folgenden fünfminütigen Video spricht Phil Gilbert über Design und erklärt, warum seiner Meinung nach Design Thinking die Arbeitsmethode für das 21. Jahrhundert darstellt.