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Ist die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ein Must-Have in der digitalen Wirtschaft?

Schätzungen zufolge werden in den kommenden 20 Jahren 47 Prozent der Jobs in den Vereinigten Staaten durch die Automatisierung gefährdet sein. Gleichzeitig werden aber auch neue Berufe geschaffen. Demzufolge müssen viele Menschen ihre Karrierepläne künftig an die digitale Wirtschaft anpassen.

Das Risiko ist hoch, dass ganze Belegschaften von der Automatisierung betroffen sind und Schwierigkeiten haben werden, eine neue Anstellung zu finden oder eine Umschulung zu machen. Die Gesellschaft wird dadurch grundlegend und vielleicht auch katastrophal verändert. Wie wir damit umgehen werden, müssen wir allerdings schon heute diskutieren.

Wie der digitale Wandel die Arbeitswelt der Zukunft beeinflusst

Die Verdrängung der Berufe durch die Automatisierung wird über viele Branchen hinweg spürbar sein. Fabrikarbeiter werden durch Industrieroboter und Taxifahrer durch selbstfahrende Autos ersetzt. Aber es wird auch die Verkäufer im Einzelhandel treffen, die durch den Einsatz von Touchscreens in Lebensmittelgeschäften, Restaurants und Kinos überflüssig werden. Im Krieg könnten Drohnen sogar Soldaten ersetzen.

Selbstfahrende Autos befinden sich bereits in der Testphase. Da ist der nächste Schritt zur Automatisierung nicht mehr weit. Nehmen wir zum Beispiel Taxifahrer. Im Jahre 2014 gab es ungefähr 233.700 Taxifahrer in den Vereinigten Staaten, die im Durchschnitt 23.150 US-Dollar verdienten. Wenn man New York als Maßstab nimmt, dann ist der durchschnittliche Taxifahrer 46 Jahre alt. Man braucht keine aufwändige Schulbildung, um Taxifahrer zu werden, auch wenn viele durchaus einen Schulabschluss haben. Im Falle einer groß angelegten Automatisierung, wird diese Gruppe Mittvierziger nicht nur wenig bis keine Schulbildung, sondern auch keine fundierte Berufsausbildung haben, die sie für andere Tätigkeiten in der digitalen Wirtschaft qualifizieren könnte. Das ist eine große Herausforderung. Die Umstellung wird vielen schwer fallen oder gar unüberwindbar erscheinen.

Und wie gehen wir, die Gesellschaft, dann mit den arbeitslosen Fahrern um? Finanziell, moralisch, ethisch?

Eine mögliche Lösung: das bedingungslose Grundeinkommen

Regierungen geben Unsummen für Sozialleistungen aus. Dazu zählen Programme zum Abbau von Arbeitslosigkeit, Initiativen zur Wohnraumbeschaffung, Maßnahmen für soziale Sicherheit und Lebensmittelmarken. Hinzu kommen die Personalkosten für die Verwaltung dieser Programme. Je sichtbarer der Einfluss der digitalen Wirtschaft wird, desto höher und unerschwinglicher werden die Ausgaben. Trotzdem können wir es nicht verantworten, dass ganze Bevölkerungsschichten in Armut verfallen.

Ein bereits heiß diskutiertes Thema ist die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens. Auf diese Weise soll jedem Bürger das gleiche, von der Regierung bereitgestellte, Mindesteinkommen zugesichert werden. Damit soll verhindert werden, dass sich die Gesellschaft in zwei Gruppen spaltet: diejenigen, die in der digitalen Wirtschaft aufblühen und diejenigen, deren Arbeitsplatz potenziell gefährdet ist. Das hört sich zwar nach enorm hohen Ausgaben an, man muss jedoch auch bedenken, dass das Grundeinkommen die Kosten für Arbeitslosenprogramme wiederum erheblich senken würde.

Finanzielle Förderprogramme wie Medicaid in den USA hätten durch das Grundeinkommen weniger administrativen Aufwand und mehr Transparenz. So könnten sie sich besser auf die Unterstützung Hilfsbedürftiger konzentrieren.

Befürworter sind auch der Meinung, dass das Grundeinkommen Tür und Tor für Kreativität und Innovation öffnet und Menschen so den Weg ebnet, ihrer Leidenschaft nachzugehen, statt für Niedriglöhne zu arbeiten, um ihr Überleben zu sichern. Außerdem könnte die Einführung eines Grundeinkommens ein finanzielles Sprungbrett für eine grundlegende Ausbildung sein. Somit hätten viel mehr Menschen die Chance, eine Karriere in der digitalen Wirtschaft einzuschlagen. Dagegen spricht allerdings, dass dieses Projekt jeglichen finanziellen Rahmen sprengen würde und auch Menschen betrifft, die nicht auf diese Hilfe angewiesen sind. Weiterhin kann es dazu führen, dass Leute gar nicht mehr arbeiten gehen, während das Geld hart arbeitender Menschen dem Gemeinwohl zu Gute kommt.

Finnland plant, das Grundeinkommen im Jahr 2017 erstmals probeweise einzuführen.

Kürzlich erst entschied sich die Schweiz gegen ein Grundeinkommen. Finnland plant, das Grundeinkommen im Jahr 2017 erstmals probeweise einzuführen. Länder wie Dänemark unterstützen Studenten schon seit Jahren mit einem staatlich finanzierten Einkommen. Die gut ausgebildete Arbeitnehmerschaft soll so in ihrem Tun ermutigt und gefördert werden. Nichtsdestoweniger steht eine allumfassende Einführung des Grundeinkommens noch aus.

Da die Kalkulationen für Kosten und Einsparungen so komplex sind, haben beide Seiten – Befürworter und Gegner – solide Argumentationslagen, die sich nur schwer entkräften lassen. Zusätzlich kann die momentane Wirtschaftslage vieler Länder eine sofortige Implementierung des Grundeinkommen leider nicht tragen.

Wie reagiert die Gesellschaft auf die sich ändernde Arbeitnehmerschaft?

Letztendlich wird die Digitalisierung nicht nur Auswirkungen auf Taxifahrer, Fabrikarbeiter und Servicemitarbeiter haben. Wir alle werden eine wichtige Entscheidung treffen müssen: Was bedeutet das für uns als Gesellschaft? Kann unser derzeitiges System der Digitalisierung standhalten? Ist es möglich, den Großteil der Arbeitnehmerschaft künftig umzuschulen? Wenn ja, wie? Wie können wir Hilfsbedürftige auch in Zukunft unterstützen? Welchen Platz wird das Thema Bildung einnehmen? Wie fördern wir Innovation? Und wie vermeiden wir es, dass die soziale Kluft so groß wird und es letztlich kein Zurück mehr gibt? Hier stellt sich dann auch schließlich die Frage: Können wir es uns überhaupt leisten, das Grundeinkommen nicht schon jetzt in Betracht zu ziehen, bevor die digitale Wirtschaft die Welt um uns grundlegend verändert?

Mehr Informationen über die Arbeitswelt der Zukunft und den Digital Worker finden Sie hier: „Live Business: The Rise of the Digital Workforce“.

Der Artikel erschien ursprünglich im Digitalist im Rahmen der Reihe „10 Weeks of Live Business“.