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Klassische Banken und Versicherer verdienen Geld, Fintechs verbrennen es. Bringt man sie zusammen, profitieren beide voneinander – so die Erkenntnis am Rande des SAP Forums für Banken und Versicherungen in Bonn.

1. Basis: Bestehende Prozesse nutzen

Dr. Thomas Mangel kennt die Stärken seines Unternehmens. „Vertrauen und Sicherheit ist unser Geschäftsmodell“, erläutert der Vorstandsvorsitzende der Postbank Systems, der täglich über 30 Millionen Transaktionen über etablierte Prozesse bewerkstelligt. „Das werden wir nicht zerstören“, so Mangel. Auch Dr. Andrea von Aubel vom Versicherer AXA kennt die Stärken ihres Konzerns: „Wir sichern Schadensereignisse ab – und sind letztlich die Bezahler“, sagt Chief Information Officer und Chief Digital Officer von Aubel, die allerdings die wachsende Erwartung der Kunden sieht, Produkte online zu stellen und den Vertrieb zu digitalisieren.

2. Services: Neue Dienste etablieren

Vom Bezahler zum Partner will van Aubel künftig werden. Ein „Device“ detektiert neuerdings Risse in Wasserleitungen bei Kunden und weist sie darauf hin, bevor daraus ein größerer Wasserschaden entsteht. Entstanden ist dieser neue Service in Kooperation mit dem Energiekonzern RWE. Prävention lautet das neue Motto, das AXA durch Services aufleben lässt. Ein weiteres Beispiel ist die App WayGuard: Sie ist für Menschen da, die Angst haben, nachts alleine nach Hause zu gehen. Die Anwendung hilft etwa, einen virtuellen Begleiter zu finden, der beispielsweise die Verbindung per Chat über Smartphone hält, bis die Person ihre Wohnung erreicht hat. Das Bedürfnis nach Sicherheit schon dann angehen, wenn noch gar nichts passiert ist: Das ist ein Teil eines neuen Servicegeschäfts, das AXA im Sinne von Kundenorientierung immer mehr nutzen möchte.

3. Ideengeber: Fintechs sind keine Banken oder Versicherer

Auch Banken sind unter Druck: Die Niedrigzinspolitik im Bankenumfeld treibt die Postbank geradezu dazu, sich ständig ein Stück neu zu erfinden. Doch ist das für Mangel von der Postbank Systems nicht unbedingt eine Frage des Könnens, sondern des Wollens. „Mit den Prozessen, die wir vor zehn Jahren im Einsatz hatten, würden wir die aktuelle Menge an täglichen Transaktionen gar nicht bewältigen können“, betont Mangel die Bedeutung kontinuierlicher Prozessinnovationen im Unternehmen. Die Verbesserung von Prozessen gehört sozusagen zum Tagesgeschäft, während die Einbindung von Services eine Veränderung des bestehenden Geschäftsmodells bedingt. „Wenn ich mir eine Gitarre kaufen will, dann habe ich nichts dagegen, automatisch Hinweise über Angebote zu bekommen“, sagt Mangel, der allerdings Zweifel hat, ob das für ein Girokonto in gleichem Maße gilt. „Wo würden es unsere Kunden in ähnlicher Weise akzeptieren, wenn wir das Wissen aus unserer Kundenbeziehung nutzen und damit auf sie zugehen?“, lautet deshalb die Kernfrage bei der Postbank. Starke Präsenz zeigen, aber nicht zu deutlich werden: Dieser Kompromiss der Postbank benennt eine große Herausforderung im Digitalisierungsprozess von Banken. „Startups und Fintechs können und sollen mit diesen Dingen spielen, wir nicht“, sagt Mangel, denn das könne das Modell von Sicherheit und Vertrauen angreifbar machen.

4. Fintech & Konzerne: Die Stärken zusammenbringen

„Auf der einen Seite gibt es die coole Welt der Fintechs, Googles, Facebooks“, sagt Rolf Schumann, „auf der anderen Seite die langweilige Prozesswelt, in der alles lang dauert und die durchreguliert ist bis zur Arbeitsunfähigkeit.“ Der SAP Chief Technology Officer für Europa propagiert den Mittelweg: „Die einen verbrennen das Geld, die anderen verdienen Geld, also geht es nur gemeinsam.“ Gemeinsam heißt auch, die „Wir-verkaufen-Bankprodukte-Mentalität“ abzulegen, meint Stefan Bachmann, Banking und Fintech-Manager von Google. „Banken haben noch nicht genug Druck verspürt“, so die Meinung Bachmanns, „da feiern sich Manager für mobile Insellösungen, die nur Apple-Produkte bedienen, obwohl etwa Android-Smartphones weltweit längst weiter verbreitet sind als Apple iPhones.“ Die Frage, die sich für den Mann von Google aktuell vorrangig stellt, ist, wie sich die vielen Informationen über potenzielle Kunden für individuelle Angebote nutzen lassen.

5. Kunden: Individuelle Suchen für Angebote nutzen

„Es muss möglich sein, über die Suche von Produkten den Bedarf für Versicherer abzuleiten“, meint Bernhard Lang, Vorstand beim IT-Dienstleister und SAP-Partner msg systems. Sucht etwa jemand Rauchmelder, könnte eine Zusatzversicherung Sinn machen, dazu ein Wartungsservice oder aber eine Alarmfunktion fürs Handy. Es liegt gar nicht so sehr an der Verschlossenheit der Versicherer und Banken, dass flexible und schnelle Lösungen nicht gesucht werden. Vielmehr stehen den Entwicklungen die Regulatorik im Weg, was dazu führen kann, innovative Ansätze gar nicht erst zu denken. „Google tut sich die Regulatorik ja gar nicht erst an“, bemerkt van Aubel. „Wir brauchen die Kooperationen mit Startups“.

6. Inkubatoren: Von Daten zu neuen Geschäftsmodellen

Auch für den SAP-Manager Schumann ist klar, dass neue Geschäftsmodelle nicht in den vorhandenen Strukturen entstehen. Sein Rezept für die Etablierung der Digitalisierung: „Zunächst einmal Daten erheben, daraus Erkenntnisse gewinnen, Abläufe transformieren und auf dieser Basis neue Geschäftsmodelle entwickeln“, sagt Schumann, der jedoch dazu rät, dafür „Inkubatoren“ zu bilden, die sich – unterstützt vom Vorstand – diesen Themen widmen. Erst wenn die Geschäftsmodelle in den eigenständig entwickelnden Brutstätten gefunden sind, werden diese wieder zurückgeführt.

Weitere Informationen:

Die wichtigsten Fakten zum SAP Forum für Banken und Versicherungen 2016.

Erfahren Sie mehr über den Hackathon HACKN_CODE, der am Rande des SAP Forums stattfand.

– Alles Wissenswerte über SAP Produkte für Banken und Versicherungen.

Im Bild (von links nach rechts): Stefan Bachmann, Banking und Fintech-Manager von Google; Bernhard Lang, Vorstand beim IT-Dienstleister und SAP-Partner msg systems; Thomas Mangel, Vorstandsvorsitzende der Postbank Systems; Andrea von Aubel, Chief Information Officer und Chief Digital Officer von AXA; Rolf Schumann, SAP Chief Technology Officer für Europa; Moderatorin Claudia Kleinert