Siegfried Peisl, Schwerbehindertenvertreter bei SAP, beleuchtet den Arbeitsalltag in einem Weltkonzern aus der Perspektive von Schwerbehinderten.

Siegfried Peisl, seit September 2007 gewählte Schwerbehindertenvertrauensperson bei SAP, ist bereits seit 1991 bei dem Softwarehaus und war hier in verschiedenen Entwicklungs- und Supportrollen tätig. Seine Karriere in der Schwerbehindertenvertretung begann 2004, als sich das Unternehmen nach einer Umfrage bei den betroffenen Kolleginnen und Kollegen entschloss, eine Schwerbehindertenvertretung (SBV) zu etablieren. Die Mitglieder werden alle vier Jahre gewählt. Peisl erinnert sich noch an die Anfänge: „Damals gingen wir noch ganz hemdsärmelig an die Sache heran“, so Peisl. Zunächst habe man die Blindenbeschriftung an Meetingräumen, Treppenhäusern und Toiletten nachgerüstet und sich einfach um die inviduellen Anforderungen jedes Einzelnen gekümmert. Nach und nach wurde klar, dass es auch gesetzliche Einflussgrößen zu beachten gab. Auch durch die wachsenende Zahl der Betroffenen bekam „die Sache“ schließlich System. Heute ist die SBV eine etablierte Größe im Unternehmen und wirkt vielfältig.
Die Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung
Für die bundesweit rund 600 schwerbehinderten und gleichgestellten Menschen bei SAP ist die Unterstützung für Seh- und Hörgeschädigte und auch Menschen mit Mobilitätseinschränkungen weitreichend. Beispielsweise wird sehr darauf geachtet, dass für Rollstuhlfahrer ebene Zugänge, Rampen und Aufzüge als Alternative zu Treppenhäusern zur Verfügung stehen. Doch die Unterstützung endet nicht bei den „erkennbaren“ Behinderungen. Denn auch von Krebs, MS, Parkinson oder anderen schweren Erkrankungen betroffene Menschen werden durch die SBV betreut.
Hörgeschädigte können sich über Funk in den größten Meetingräumen das gesprochene Wort direkt auf ihre Hörgeräte senden lassen. Für große Mitarbeiterkonferenzen steht sogar ein mobiler Großraumsender zur Verfügung.
Bei der Planung neuer Gebäude ist die SBV heute von Beginn an einbezogen, sodass unter anderem die wichtigsten Orientierungspunkte bereits mit Leitlinien und in Blindenschrift ausgewiesen sind. Doch oft sind es die kleinen Details, die den Unterschied machen: Bei Treppenstufen beispielsweise achtet die SBV darauf, dass die Stufen für Sehgeschädigte sicht- und ertastbar sind, und große Glasfronten sichtbar gemacht werden. Schmunzelnd ergänzt Peisl: „Nicht immer freuen sich die Architekten über die Veränderung ihres Designs.“
Was bietet die SAP – und was nicht?
Die Unterstützung der SAP für die Betroffenen ist seit den Anfängen stetig gewachsen. Aus dem einst hemdsärmeligen Ansatz hat sich heute eine unternehmensweite Strategie für Diversity und Inklusion etabliert. Für Deutschland gibt es einen eigenen Inklusionsbeauftragten, der von Arbeitgeberseite sehr eng mit der SBV zusammenarbeitet. Dieses Engagement unterscheide SAP sehr von anderen Unternehmen, so Peisl. Darüber hinaus habe sich die SAP mit einem eigenen Aktionsplan selbst zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet.
Dass die SAP ihre gesellschaftliche Verantwortung sehr ernst nimmt, zeigt sich gerade im Arbeitsalltag: Es gibt ein Blindenleitsystem, beklebte Glasfronten, Hörunterstützung, Rampen, ebene Zugänge. In der Kantine können sich Mitarbeiter, die ihre Mahlzeit nicht selbst auf dem Tablett tragen können, über einen Servierservice ihr Mittagessen in der Kantine servieren lassen. „Das ist schon etwas sehr Besonderes gegenüber anderen Unternehmen“, lobt Peisl.
Verbesserungspotenzial sieht Peisl beim Thema Barrierefreiheit. „Das Bewusstsein für Menschen mit Behinderungen ist noch nicht optimal“, mahnt er. Er sieht dies jedoch als gesellschaftliche Thematik, weniger als unternehmensspezifisch. Denn Betroffene versuchten heute noch oft, ihre Defizite zu überspielen oder zu verbergen, solange sie nicht auf den ersten Blick erkennbar seien.
„Solange das Thema gesellschaftlich so gehandhabt wird, ist die Notwendigkeit von Barrierrfreiheit noch nicht im Bewusstsein verankert.“
– Siefried Peisl, SAP-Schwerbehindertenvertrauensperson
Barrierefreie Kommunikation und Software sei heute noch herausfordernd. So manche E-Mail sei für einen blinden Kollegen aufgrund der entsprechenden Formatierung nicht über Screenreader aufrubar. Doch Schritt für Schritt nähere man sich auch hier an, so Peisl. Die gobalen Mitarbeiterversammlungen seien heute bereits mit Live-Untertitelung versehen. Bei barrierefreier Software gebe es noch Optimierungsbedarf im Unternehmen. Hier wünscht sich Peisl klarere Vorgaben aus der Unternehensführung.
„Das Thema Accessibility muss noch wichtiger genommen werden. Wir wollen nicht immer sagen müssen „denkt auch an uns““
– Siefried Peisl, SAP-Schwerbehindertenvertrauensperson
Nützliche Links:
ZB Ratgeber Behinderung und Ausweis