In Berlin entsteht ein Data Space, in ganz Deutschland Digital Hubs und erste Plattformen zeigen, wie digitale Ökosysteme funktionieren. Der Durchbruch steht unmittelbar bevor.
Die Basis für digitale Ökosysteme ist schon längst erwachsen. Vor 23 Jahren veröffentlichte der US-Amerikaner James F. Moore seine Theorie der „Business-Ökosysteme“ in der Harvard Business Review. Und obwohl die Digitalisierung in Geschäftskonzepten damals noch eine untergeordnete Rolle spielte, ähneln die Grundzüge seines Ansatzes verblüffend jenen heutiger digitaler Ökosysteme: „In einer Balance aus Wettbewerb und Kooperation“ Innovationen auf den Weg bringen, benennt Johannes Winter, bei acatech für Technologie zuständig, das Ziel entsprechender Ansätze. Und zwar in Co-Evolution mit Kunden und Partnern, die gemeinsam besser werden, unter Einsatz von Netzwerkeffekten, die umso mehr zum Tragen kommen, je mehr Nutzer etwa eine Plattform einsetzen – im Idealfall entsteht ein sich selbst verstärkender Effekt.
Erst war Apple, jetzt SAP, Siemens und andere
„Das Besondere: Die Akteure eines Netzwerks müssen sich dafür gar nicht kennen“, erläutert Winter. Er sieht im iPhone und dem AppStore eines der ersten erfolgreichen Ökosysteme: „Mehr als 400.000 App-Entwickler arbeiten inzwischen unabhängig voneinander an neuen Anwendungen. Je mehr Nutzer sich Apps herunterladen, umso attraktiver ist es für die Entwickler und umgekehrt“ – ein sich selbst verstärkender Effekt. Auch in Deutschland gibt es immer mehr Beispiele aus der Wirtschaft, die auf digitalen Ökosystemen aufsetzen. Beispielsweise bilden das Berliner Krankenhaus Charité, das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und Softwarekonzern SAP eine Art „Mini-Ökosystem für die dezentrale Patientenversorgung“. Ärzte, Krebsexperten und Big-Data-Spezialisten bündeln ihr Wissen auf einer Plattform, um die aus der Erfahrung heraus besten Therapiemöglichkeiten für Patienten zu finden. Die Plattform Mindsphere von Siemens ermöglicht Maschinen- und Anlagenbauern, ihre Maschinen stundenweise zu vermieten und so deren Auslastung zu optimieren. Es fehlt nicht mehr viel zum Pinguin-Effekt: „Noch warten viele Unternehmen darauf, dass andere den Schritt wagen“, so Winters Eindruck. SAP-Partner und IT-Dienstleister Capgemini geht davon aus, dass derzeit gerade einmal 15 Prozent der Unternehmen disruptive Ansätze fördern, 85 Prozent halten an bestehenden Geschäftsmodellen fest.
IoT im Data Space: Wie B-to-B-Ideen auf den Weg kommen
Kein Wunder, dass gerade jetzt Aktivitäten immer wichtiger werden, die entsprechende Ökosysteme auf den Weg bringen. SAP beispielsweise stellt Mitte Dezember 2016 den so genannten Data Space in Berlin vor, einen Ort, an dem einerseits Startups, SAP und SAP-Kunden gemeinsam neue B-to-B-Ideen für das Internet der Dinge entwickeln sollen, anderseits jeder sich über das Thema Digitalisierung austauschen kann. Im auch für Besucher zugänglichen Erdgeschoss befinden sich die „Data Hall“, die Firmen für Events rund um die Digitalisierung nutzen können, und die „Data Kitchen“, in der man sich das Essen IoT-gerecht per Smartphone bestellen kann. Die erste Etage ist für das IoT-Accelerator-Programm vorgesehen, in dem sich Startups einquartieren und gemeinsam mit SAP und Kunden an Lösungen tüfteln.
Erst kürzlich hatte SAP angekündigt, in den nächsten fünf Jahren zwei Milliarden Euro für IoT ausgeben zu wollen. „Jetzt geht es in Berlin darum, Innovationen zu beschleunigen und Lösungen für die Kunden voran zu bringen“, erläutert Eva Zauke, COO im Bereich Digital Assets und IoT bei SAP den Accelerator-Ansatz. Die Idee: Ab Januar 2017 werden Startups jeweils für sechs Monate zusammen mit SAP und Kunden von SAP an konkreten Aufgabenstellungen arbeiten. „Startups mangelt es nicht an Ideen, dafür aber oft am Zugang zu einem Kundennetzwerk“, weiß Zauke aus Befragungen, „den liefern wir“. Startups erhöhen die Vielfalt an Ideen, die bereitgestellten (aber nicht auf SAP-Produkte begrenzten) Technologien die Skalierbarkeit und die Co-Innovation mit Kunden die Gangbarkeit der Lösungen für den Markt.
Idee des Data Space in Berlin: Ab Januar 2017 arbeiten Startups mit SAP und Kunden an konkreten Aufgabenstellungen.
Gleichzeitig geht der Data Space Hand in Hand mit einem Imagewechsel, den SAP schon seit einer Weile vollzieht – weg vom puren ERP-Anbieter, hin zu einem agilen und innovationsfördernden Unternehmen. „Gerade für die Entwicklung von IoT-Lösungen ist ein großes Ökosystem aus Partnern, Infrastrukturanbietern, Beratern und Entwicklern nötig“, erläutert Zauke die Konzentration auf IoT, denn Geräte, Softwareplattform und Servicemodelle kommen in den seltensten Fällen aus einer Hand. Investitionen in die Cloud, die App-Häuser, in denen SAP in Co-Innovation mit Kunden Produkte entwickelt, das SAP Innovation Center in Potsdam für innovative Softwareentwicklung, das HANA-House in Palo Alto und jetzt der Data Space in Berlin soll vor allem zeigen: Innovation hat einen hohen Stellenwert bei SAP. Immer wichtiger wird dabei, stärker als Vermittler und nicht unter SAP-Fahne unterwegs zu sein. „Wir gestalten neue Lösungen im digitalen Ökosystem“, erläutert Zauke.
Digital Hubs: Was UnternehmerTUM-CDO Thomas Zeller sich davon erwartet
Dieses Ziel sollen auch so genannte Digital Hubs verfolgen, die die Bundesregierung kürzlich auf dem IT-Gipfel in Saarbrücken auf den Weg gebracht hat. Gründer, Startups, Technologieunternehmen und Wissenschaft zusammenbringen, um Innovationen zu fördern ist das Ziel von bisher fünf Hubs in Dortmund, Hamburg, Frankfurt, München, Berlin und Frankfurt. Einer davon ist der Mobility Hub in München. Mit BMW, MAN und Audi befinden sich drei wichtige Global Player allein im unmittelbaren Einzugsgebiet des Mobility-Hubs in Garching bei München. Dort sitzt die Firma UnternehmerTUM, die Susanne Klatten vor mehr als 14 Jahren mit dem Zweck gegründet hat, die Gründerkultur in Deutschland zu fördern. Heute geben sich hier Studenten und Wissenschaftler der TU München, Startups, Unternehmen wie Siemens, Bosch und Osram und Risikokapitalgeber wie der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften BVK, eCapital und der High-Tech Gründerfond hier die Klinke in die Hand. Erfolgreiche Startups wie Flixbus, Konux oder Celonis sind hier über die Flure gegangen. Mitte Dezember sitzen erstmals die CDOs der großen Automobilkonzerne im Mobility Hub zusammen und diskutieren die bevorstehenden Umbrüche im Mobility-Sektor.
Chief Digital Officer Thomas Zeller wird mit dabei sein. Der Wirtschaftsinformatiker ist bei UnternehmerTUM der Mann der Agilität. Eines seiner Vorhaben im Rahmen des Digital Hubs: die Digital Product School. Darin möchte er Unternehmen wie Studenten beibringen, wie agile Entwicklung funktioniert. „Ein Interaction Designer, ein Produktmanager und drei Entwickler arbeiten in der Digital Product School über drei Monate hinweg zusammen. Dort lernen sie, wie agile Teams funktionieren“, erläutert Zeller. „Der Bedarf in den Unternehmen ist enorm, doch fehlt es Studenten wie Unternehmen meistens an entsprechender Erfahrung“. Jedes Digital Hub setzt seine Schwerpunkte anders und feilt auch aktuell noch an seinen Ideen. Doch eine Hoffnung verbindet Zeller auf jeden Fall mit dem Digital Hub: „Er ist eine große Chance, künftig noch besser auch international als einer der führenden Orte für Talente, Start-ups, Investoren und etablierte Unternehmen aus der ganzen Welt wahrgenommen zu werden, die Mobilitätslösungen für die Zukunft entwickeln wollen.“ Und damit letztlich im Zusammenspiel mit den Partnern als wichtiges Ökosystem für das Thema Mobility.
Weitere Informationen
Tanja Rückert, Executive Vice President Digital Assets and IoT bei SAP, erläutert im IT-Gipfel-Blog die Intention des Data Space und anderer Aktivitäten von SAP in Hinsicht auf IoT.
Hier erfahren Sie mehr über den SAP IoT Accelerator.
Landingpage des Data Space Berlin.