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Mit SAP S/4HANA Retail for Merchandise Management hat SAP die erste Branchenlösung für den Handel gelauncht, die nativ auf SAP HANA basiert. Fragen an Daniela Khalaf, Expertin aus der Industry Business Unit Retail von SAP.

1. Was leistet das neue ERP für Retail?

SAP S/4HANA Retail for Merchandise Management heißt die neue Branchenlösung der SAP für den Handel. Sie wurde nativ auf Basis von SAP HANA entwickelt, enthält eine neue „fiorisierte“ Benutzeroberfläche, verfügt über ein vereinfachtes Datenmodell, in das auch analytische Funktionen eingebettet sind und deckt „End to End“ alle für den Handel relevanten Prozesse ab – von der Erfassung der Stammdaten über das Listen der Produkte, die Ausführung einer Aktion über die Preispflege bis hin zur Abrechnung an der Kasse. Sie löst die klassische Lösung „SAP Merchandising“ (auch oft IS-Retail oder ERP Retail genannt) ab, die weiterhin bis zum Ablauf des Wartungsfensters in 2025 von SAP betreut wird. In der künftigen SAP-S/4HANA-Suite wird die auch digitaler Kern genannte Lösung SAP S/4HANA Retail for Merchandise Management das transaktionale Rückenmark für das gesamte Retail-Szenario darstellen.

2. Was wird sich dadurch an der bestehenden Omnichannel-Referenzarchitektur ändern? Müssen Kunden ihre bisherigen Investitionen in Frage stellen?

Die SAP möchte ihren Kunden ein vollständiges und integriertes Szenario zur Verfügung zu stellen, das Omnichannel-Prozesse und digitale Transformation unterstützt. An dieser Referenzarchitektur mit den Kernelementen SAP Hybris eCommerce, SAP Hybris Marketing, SAP Customer Activity Repository (CAR) und SAP ERP ändert sich eigentlich nichts, nur dass künftig SAP S/4HANA Retail for Merchandise Management an die Stelle der klassischen Applikation treten kann. In dieser Konstellation werden in der E-Commerce-Lösung sämtliche Online-Transaktionen ausführt, während CAR etwa die Verbindung zwischen den Online-Verkaufsdaten und jenen aus den Kassensystemen, vom Point of Sales (POS) herstellt und die On- und Offline-Daten konsolidiert. Kombiniert mit dem Wissen über die „customer journeys“ der Kunden – gebündelt in SAP Hybris Marketing über E-Mails der Kunden, deren Facebook-Einträge, Informationen aus dem CRM oder Marketingdaten – bietet die Referenzarchitektur den kompletten Blick auf den Kunden. Das ERP-System übernimmt die Rolle des ausführenden Systems.

3. Welche generellen Vorteile bietet das neue SAP-S/4HANA-Retail-System?

Bisherige Aggregate und Indizes fallen weg und werden durch zentrale Tabellen ersetzt, etwa im Bereich der Bestandsführung und -bewertung. (1.). Die operative Einsicht in die Systeme ist jederzeit möglich, ohne Aufbereitung im Datawarehouse (2.). Cockpits, beispielsweise im Bereich der Kundenabwicklungsprozesse machen die Schritte von Bestellung bis zur Auslieferung transparent und erlauben Adhoc-Kurskorrektur (3.).

SAP S/4HANA Retail for Merchandise Management: Die Übersicht der Referenzarchitektur. Grafik: SAP

4. Inwiefern unterstützt die neue Lösung die digitale Transformation in Unternehmen?

Digitale Transformation umfasst alle Bereiche eines Unternehmens vom Personal- und Talentmanagement über die Anbindung und Zusammenarbeit von Geschäftspartnern bis zu allen Prozessen hin zum Konsumenten. Immer wichtiger wird es für den Handel, im Rahmen von Internet-of-Things-Ansätzen Sensorik einzubinden. Dies zusammen ermöglicht lückenlose und hochpersonalisierte Geschäftsprozesse über alle Kanäle hinweg. In SAP S/4HANA sind alle diese Bereiche integriert. Die oben schon genannte Omnichannel-Referenzarchitektur (siehe Frage 2) ist ein Teil davon. Damit verfügen die Handelskunden über eine solide Grundlage für Stammdaten, die reibungslose Abläufe in der Logistik wie auch in den digitalen Kanälen erlauben und zwar End-to-End von der Bestellung bis zum Bezahlprozess – online wie auch in der Filiale. Der nächste nötige Schritt in die SAP-S/4HANA-Welt besteht darin, im Rahmen eines Implementierungsprojektes die Lösung „SAP Merchandising“ aus der bestehenden Architektur gegen SAP S/4HANA Retail for Merchandise Management auszutauschen.

5. Welche konkreten funktionalen Vorteile bietet SAP S/4HANA Retail für Merchandise Management dem Unternehmen?

Drei Beispiele:

Weniger Preisnachlässe nötig: Modeunternehmen und Elektronikfachgeschäfte handeln mit hochsaisonaler Ware, die pünktlich zum Saisonstart in den Geschäften liegen muss. Das neue ERP bietet eine bessere Saisonabwicklung und ein optimiertes Bestellwesen mit Größenverteilungskurven über den gesamten Lebenszyklus der Ware hinweg. Vorteil: fünf bis zehn Prozent weniger „Abschriften“.

Seltener vergriffene Produkte: Lieferketten – etwa bei Lieferungen aus Fernost – sind komplex und erfordern aufgrund der kurzen Lebenszyklen von Produkten eine hohe Agilität. Die neue Lösung ermöglicht es, die gesamten Beschaffungswege von Produkten zu beobachten und adhoc und automatisiert einzugreifen. Vorteile: Die Gefahr, dass Umsätze durch zu spät gelieferte Saisonware zu verlieren, sinkt um drei bis fünf Prozent. Die Kosten über die gesamte Lieferkette hinweg sinken um 10 bis 20 Prozent.

Lagerhaltungskosten sinken: Während in der Vergangenheit Informationen über Lagerbestände teilweise in verschiedenen Tabellen und nicht aktuell vorlagen, gibt es nun nur noch ein „Journal“, das die Informationen gebündelt enthält. Droht ein Produkt auszugehen, ist es möglich, zentral einzugreifen und rechtzeitig nachzubestellen. Es kommt seltener zu Engpässen. Vorteile: Durch erheblich präzisere Angaben über Lagerbestände (plus 30 bis 40 Prozent) erhöht sich der Lagerumschlag. Lagerhaltungskosten sinken um zehn bis 15 Prozent.

Vom Marketing und Verkauf über die Beschaffung und die Lieferkette bis zur Omnichannel-Erfahrung reicht das Spektrum der neuen Retaillösung SAP S/4HANA Retail for Merchandise Management.

6. Welche Kunden kommen für die Lösung besonders in Frage?

Typ 1 – der Aufräumer: Langjährige Kunden haben ihre ERP-Applikationen in der Vergangenheit oft derart modifiziert, dass deren Wartung und Weiterentwicklung und letztlich auch die Möglichkeit, neue Updates aufzuspielen sehr komplex geworden sind. Hier bietet sich an „Tabula Rasa“ zu machen und einen Neuanfang mit der SAP S/4HANA-Branchenlösung zu starten.

Typ 2 – der SAP-HANA-Fan: Kunden, die aktuell noch Datenbanken von Wettbewerbern einsetzen, aber von den Vorteilen von der In-Memory-Plattform SAP HANA profitieren wollen, können ihr klassisches System in das neue konvertieren. Eine Reihe von Werkzeugen und Reports ermöglichen eine gute Vorbereitung auf die potenzielle Codekonvertierung. Sie unterstützen Kunden beispielsweise darin, abzuprüfen, was sich an bestehenden Objekten in der „neuen Welt“ ändert, ehe sie die fällige Konvertierung in der Regel an einem Wochenende bewältigen.

Typ 3 – der Innovator: Wer Cloud-Lösungen von SAP wie SAP Ariba, SAP SuccessFactors und Concur einsetzen will als auch Unternehmen, die mit dem Internet der Dinge die Sensor- mit der Businesswelt verknüpfen wollen, haben durch den neuen digitalen Kern Vorteile durch bessere Integration.

Typ 4 – Der ERP-Einsteiger: Für Kunden, die noch nicht über ein ERP verfügen, so genannte Greenfield-Kunden, ist die SAP-S/4HANA-basierte Branchenlösung die empfohlene Applikation.

7. Welche Ansätze für neue Geschäftsmodelle ermöglicht der Einsatz des digitalen Kerns für den Handel?

Vertikalisierung: Nach dem Motto „Industry to Core“ werden industrieübergreifende Szenarien möglich. Ein Händler, der künftig eigens hergestellte Produkte verkaufen will, bekommt eine größere Flexibilität. Bis dato war er an seine Retail-spezifischen Funktionen gebunden. Die harmonisierten Datenobjekte und -modelle in SAP S/4HANA schlagen nun die Brücke zu den Prozessen anderer Industrien. Tankstellen, die mit ihrer Speziallösung für Öl und Gas gearbeitet haben, weil sie vor allem mit Kraftstoffen gehandelt haben, mussten sich bis jetzt mit einer zusätzlichen Retail-Instanz behelfen, um Chips, Getränke, Zeitschriften und Gebäck verkaufen zu können. Gleiches gilt für die TK-Branche oder die Post, die in ihren Filialen nicht mehr nur Mobilfunkverträge verkaufen und Briefe und Pakete verschicken.

Konkret werden in den beiden nächsten Versionen die fashion-spezifischen Verteil-und Produktionsprozesse integriert, wie man sie schon aus der Lösung SAP Fashion Management kennt.

Rollenbasierte Prozesse: Die Software führt den Mitarbeiter rollenspezifisch durch die Prozesse – etwa die Filialangestellten und -leiter. Eine gute User Experience und responsives Design für mobile Geräte unterstützen dabei, die typischerweise hohe Fluktuation von Mitarbeitern zu bewältigen und deren schnelle Einarbeitung zu gewährleisten. Auch für die Bestandsprüfung spielt die User Experience eine entscheidende Rolle, wie beispielsweise in der Überprüfung der Bestände mit mobilen Geräten direkt am Regal. Das Resultat: zehn Prozent weniger vergriffene Produkte, eine verbesserte Produktivität der Mitarbeiter um 30 Prozent und ein um fünf Prozent erhöhter Umsatz pro Mitarbeiter.

Bestandsführung und -bewertung: Bestände und Bestandswerte der Filialen und Verteilzentren werden nun in einem zentralen Journal abgelegt, das zudem über analytischen Methoden (so genannte Views) einsehbar ist. „Finanzler“ und Controller brauchen sich nicht zwischendurch Zahlen „ziehen“, die schon ein paar Sekunden später nicht mehr aktuell sind. Kurskorrekturen werden also zwischendurch machbar, sobald Zahlen einbrechen und die geforderte Profitabilität in Gefahr gerät. Bis zu 20 Prozent höhere Umsätze werden durch diese neue Nähe an aktuellen Zahlen möglich.

Weitere Informationen:

Auf der Handelsmesse EuroShop in Düsseldorf vom 5. bis 9. März 2017 erfahren Sie mehr über Live-Business im Handel, Verkäufe in Echtzeit und SAP S/4HANA Retail for Merchandise Management. Und: Vergessen Sie nicht, einen persönlichen Gesprächstermin mit einem SAP-Experten zu vereinbaren.

Detaillierte Informationen über die neue Lösung bekommen Sie kompakt auf 16 Seiten im „Value Paper“ der SAP: „Transform Retail Merchandise Management with SAP S/4HANA“.

 

Foto: Shutterstock