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Als Susanne Thoma die Diagnose MS erhielt, stellte sie zunächst ihr Leben auf den Prüfstand. Jetzt erzählt sie, was sich verändert hat – und was nicht.

Manchmal, erzählt Thoma, fühlt sie sich, als ob jemand den Stecker gezogen hätte. Müde, erschöpft, kraftlos. Fatigue-Syndrom nennt man das, eine typische Begleiterscheinung von Multipler Sklerose, kurz MS. Kaum zu glauben, wenn man Susanne sieht, denn sie wirkt wie der Inbegriff von Energie und Lebensfreude. Das ist manchmal ein Dilemma, denn es gibt Tage, an denen sie etwas Unterstützung und Rücksicht von ihrer Umgebung braucht, weil sie „nicht immer so kann“. Durch ihre eigene Erfahrung hat Susanne gelernt, Menschen nicht nach dem äußeren Eindruck zu beurteilen, „denn man weiß nie, was jemand mit sich herumträgt, ob das nun eine Krankheit ist oder eine andere Sorge.“

Multiple Sklerose ist eine Autoimmunkrankheit, das heißt Thomas Körper kämpft gegen sich selbst. Sie hat Entzündungen im Hirn und ihre Nerven sind teilweise geschädigt. 2013 traten die ersten Symptome bei ihr auf. Plötzlich konnte sie auf dem rechten Auge nicht mehr sehen, sie wurde ins Krankenhaus eingeliefert und bekam die Diagnose MS. „Hilflos, wie aus dem Leben gerissen“, fühlte sich Thoma damals. „Wenn du im Krankenhaus liegst, halb blind, dann stellst du dir viele Fragen: Wie ist mein Leben? Bin ich am richtigen Platz? Was will ich wirklich?“, erinnert sie sich.

Inzwischen ist Thoma medikamentös eingestellt und hat, außer der Müdigkeit, nur wenig Beschwerden im Alltag. Was in der Zukunft wird, weiß keiner, klar ist nur, dass sich der Zustand von MS-Patienten immer weiter verschlechtert. Multiple Sklerose ist nicht heilbar. Die Ärzte können den Patienten nur Linderung verschaffen und den Verlauf der Krankheit verlangsamen. „Das Schwierigste“, bekennt Thoma, „ist es, mit der Ungewissheit umzugehen. Das macht Angst.“

Auch deshalb hat sie sich entschieden, von Anfang an offen über ihre Krankheit zu sprechen. Die Kollegen wissen alle Bescheid und sind für sie da. Ihr Umfeld bei SAP gebe ihr sehr viel Unterstützung, so Thoma. Die wichtigste Hilfe muss Thoma sich aber selbst geben. „Ich habe erst lernen müssen, nicht gegen die Krankheit anzukämpfen, sondern sie anzunehmen. Ich höre jetzt viel mehr auf meinen Körper.“ Dazu gehört es auch, sich Auszeiten zu nehmen, denn ihr Immunsystem ist schwach. Konsequent geht Thoma in der Mittagspause zum Yoga-Kurs oder abends zum Jazztanz – und macht an diesen Tagen pünktlich Schluss im Büro.

Dabei ist ihre Arbeit „genauso spannend und anspruchsvoll wie eh und je“. Thoma ist HR-Expertin im Bereich Talent Development und interner Coach bei SAP. „Ich bin froh über die Flexibilität bei SAP und die Unterstützung, die ich bekomme“, berichtet sie. „Insgesamt hat die Krankheit keine negativen Auswirkungen auf meine Arbeit – ich habe nicht das Gefühl, dass es deswegen irgendwelche Einschränkungen für mich gibt“. „Wir machen keine Unterschiede“, erklärt auch ihr Manager Bhuvan Naik, Head of Global Talent Experience: „Susanne bekommt die gleichen Aufgaben und Entwicklungschancen wie jeder andere bei uns.“

„MS ist nicht alles im meinem Leben. Ich bin immer noch ich.“

Der Job, ihre Familie und ihre Freunde geben ihr Sicherheit – bei all der Ungewissheit, die beklemmend sein muss. Und sie hat Ziele. In der MS-Forschung tut sich sehr viel, Thoma hat die große Hoffnung, dass die Wissenschaft eines Tages einen Durchbruch erzielt. Einstweilen renoviert sie das alte Haus ihrer Großmutter – obwohl sie nicht genau weiß, ob sie die Treppen in ein paar Jahren noch schafft. Sie wünscht sich, aus diesem Haus „einen glücklichen Ort“ für sich und ihren Partner zu machen. „MS ist nicht alles im meinem Leben. Ich bin immer noch ich.“

Es muss für Thoma ein Balanceakt sein zwischen „die Krankheit annehmen“ und „das Leben nicht von der Krankheit bestimmen lassen.“ Was gibt ihr die Kraft, so positiv zu bleiben? Als sie im Krankenhaus lag, erinnert sich Thoma, konnte sie alle Sinnfragen mit „Ja“ beantworten. Ja zu ihrer privaten Lebenssituation, ja zu ihrem Job. „Natürlich gibt es Momente, in denen ich mich frage: Warum? Warum ich?“, räumt sie ein. „Aber ich versuche, immer nach zu vorne zu schauen und einfach mein Leben zu leben. Ich warte auf nichts mehr. Wenn ich etwas machen will, mache ich es sofort.“

Fotos: privat