Wie lassen sich durch den intelligenten Umgang mit Big Data Entscheidungen beschleunigen, Laderäume besser ausnutzen und Warenbewegungen global nachvollziehen: Das sind einige der Fragen, die im Mittelpunkt des 25. SAP-Infotags Lager- und Transportmanagement in Mannheim standen.
Marc Girardellis Anspruch war nie Mittelmaß. Im Wettbewerb mit Ingemar Stenmark, Markus Wasmeier und Pirmin Zurbriggen entschied der ehemalige Weltklasse-Skifahrer der 80er und 90er Jahre viele Slaloms, Riesenslaloms und Abfahrtsläufe für sich. Gerade wegen dieses Anspruchs an sich selbst probierte der gebürtige Österreicher und damals für Luxemburg startende Leistungssportler immer wieder Neues aus: Ein anderer Schwung sollte ihm ein paar Zehntel Sekunden einsparen, doch bewirkte er das Gegenteil. Statt um den Sieg mitzufahren, platzierte sich Girardelli noch nicht einmal unter den ersten 30 – ein Desaster. „Wir schauten uns den Lauf an, analysierten Schwung für Schwung und entschieden uns daraufhin, am folgenden Tag anders zu fahren“, erläutert Girardelli, der seine 46 Weltcupsiege nicht zuletzt darauf zurückführt, dass er immer wieder Dinge anders gemacht hat und nie Angst vor Misserfolgen hatte.
„Wir haben Dinge gemacht, die noch niemand vor uns gemacht hat“ (Wieland Schreiner über SAP HANA)
Wieland Schreiner ist dieses Denken nicht fremd. „Wer hat uns damals abgenommen, dass eine spaltenbasierte Datenbank eines Tages die Unternehmens-IT beherrschen würde?“, fragt der Executive Vice President SAP S/4HANA Wieland Schreiner vor 750 Teilnehmern auf dem SAP-Infotag Lager- und Transportmanagement in Mannheim. 2015 hatte SAP seine erstmals nativ auf der In-Memory-Plattform SAP HANA basierende ERP der neuen Generation, SAP S/4HANA, vorgestellt. Damals war das so genannte Segment of One noch angekündigt. Heute ist es Realität. Und mehr als 6.900 Unternehmen haben sich inzwischen bereits für SAP S/4HANA entschieden, 1.000 Unternehmen haben die Software derzeit produktiv im Einsatz. „Wir haben Dinge gemacht, die noch niemand zuvor gemacht hat“, erläutert Schreiner in Anspielung auf Girardelli. „Wer damals ein individuelles Kleidungsstück fertigen lassen wollte, ist zum Schneider gegangen – das wäre heute einfach zu teuer.“ Deshalb liegt das Ziel des SAP-Managers darin, „den Einzelbestand massenhaft abwickelbar zu machen.“ Die Herausforderung: Die Daten werden zum Dreh- und Angelpunkt der Steuerung. Sie enthalten – wie das Beispiel des Sportartikelherstellers Under Armour zeigt – individuelle Präferenzen und Erfahrungen von Kunden, die in einer Community miteinander vernetzt sind. „Wir holen uns das Wissen um den Einzelnen aus einem gigantischen Datenpool“, erläutert Schreiner. Prozesse werden dadurch automatisierbar, laufen künftig gar autonom. Für den Planer im Unternehmen bedeutet das, dass er seine Interaktion im System auf das Wesentliche zurückfahren und sich etwa nur noch auf spezielle Materialien konzentrieren kann.
Die digitale Transformation der Lieferkette mit SAP TM und SAP EWM
Abweichungen von der Planung spielen auch in der Lieferkette eine wesentliche Rolle. Durch die immens starke Synchronisation zwischen der Lieferung und Produktion können verspätete oder beschädigte Lieferungen einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden anrichten. „Durch die immer kleineren und billigeren Sensoren ist es heutzutage möglich, Produkte auf dem Weg durch die Lieferkette zu verfolgen und zu überwachen um kritische Ausnahmen sofort als eine Warnung an die Planer weiterzugeben“, sagt Franz Hero, Senior Vice President Supply Chain und Logistics Development. Mit der tiefen Verankerung von SAP TM und SAP EWM im SAP-S/4HANA-System sind diese Vorstellungen nun Realität geworden. Die aus diesen Produkten bestehende SAP Supply Chain Execution Platform ist nun in der Lage, Live-Daten wie Erschütterungen oder Temperaturschwankungen zu empfangen und entsprechend weiterzugeben. In der Zukunft wird es möglich sein, diese Signale durch maschinelles Lernen autonom auszuwerten. Situationen, die für die gesamte Liefer- und Produktionskette kritisch sind, werden zur Bearbeitung an die Experten weitergeleitet. Dadurch kann der Planer frühzeitig reagieren und Produktionsausfälle abwenden.
SAP Global Track and Trace: Internet der Dinge – über Firmengrenzen hinweg
Die Überwachung der Produkte auf ihrem Weg durch die Lieferkette endet heute meist an den Firmengrenzen. Die erste Qualitätskontrolle von Zulieferprodukten für die Produktion findet oft erst mit dem Wareneingang statt und kann bei einem negativen Ergebnis zu Verzögerungen in der Produktion führen. Mit der Einführung von SAP Global Track and Trace im Mai dieses Jahres wird die Überwachung auf das nächste Level befördert: „SAP Global Track and Trace ist ein Cloud-basiertes Netzwerk für Prozess- und Produktereignisse, die dann firmenübergreifend zur Verfügung gestellt werden“, erklärt Hero. Damit können die Logistiker schon vor der Ankunft der Waren in den eigenen Lagern einen Überblick über den Zustand, z.B. Einhaltung der Temperatur, und die Abwicklung des Transports einsehen und entsprechend reagieren. Diese Lösung ist auch technologisch ein Meilenstein: Die Speicherung von einzelnen Ereignissen aus vielen Lieferketten führt zu einem „Datensee“ im Petabyte-Bereich. Gleichzeitig muss die Lösung innerhalb von Sekundenbruchteilen die Stecknadel in diesen Big Data finden können. Zusätzlich erreichen in Echtzeit immer neue Ereignisse das Cloud-Netzwerk, das diese zeitnah verarbeiten muss. All dies wird in der SAP Cloud Platform bereitgestellt, die für einen reibungslosen Ablauf bei den Kunden sorgt.
WILO: Automatisierte Packschemata fürs Lager direkt aus SAP TM
Die Ambitionen sind da, die Planung der Transporte und die Abwicklung im Lager möglichst autonom ablaufen zu lassen. Doch heißt das heute noch nicht, dass der Mensch keine Rolle mehr spielt. Wie das Beispiel des Pumpenherstellers WILO zeigt, harmonieren SAP TM und SAP EWM bereits gut miteinander, die Maschine gibt automatisiert Packschemata ans Lager weiter, und der Pilot für die Belieferung nordeuropäischer Staaten vom Zentrallager in Unna ist bereits gestartet. Doch brachte eine Analyse für das nächste große Vorhaben, die SmartFactory@WILO, auch zutage, dass für ein Pumpengehäuse derzeit trotz moderner Prozesse beim Durchlauf durchs aktuelle Lager noch 74 Mal „Hand angelegt“ werden müsse, wie WILO-Supply-Chain-Managerin Jutta Schreiner erläutert. In der Smart Factory wären „nur“ noch 18 Handgriffe nötig.
Smart statt hart: Das Motto von Wieland Schreiner
Nach Ansicht von Wieland Schreiner geht in Zukunft kein Weg an der Cloud vorbei. SAP S/4HANA Public Cloud wird in den kommenden Jahren mit Funktionen aus SAP EWM und SAP TM ausgestattet werden. Spätestens dann wird jene modulare Suite im Public-Cloud-Ansatz verfügbar sein, die es ermöglicht, über mehr als hundert bereits bestehende APIs Erweiterungen zu nutzen oder selbst zu bauen. „Die Systeme werden dann nicht mehr eingefroren“, sagt Schreiner – also nicht auf die eingespielten Versionen zunächst einmal festgelegt. Denn sämtliche Innovationen stehen quartalsweise automatisch zur Verfügung – und damit auch immer weitere Feinjustierungen am System. Diese Verbesserungen finden zudem immer den Weg in die On-Premise-Angebote, wenn auch verzögert. „Dies lässt sich gut an den überaus positiven Kundenpräsentationen ablesen, die durchweg über ihre Erfolge mit SAP TM und SAP EWM berichten“, sagt Schreiner.
Diese iterativen Verbesserungen kennt auch Marc Girardelli allzu gut: Nach dem verlorenen Rennen analysierte er eine Nacht lang jeden Schwung, einen nach dem anderen, um letztlich am kommenden Tag den Slalom zu gewinnen. Es ist also kein Wunder, dass einer seiner Grundsätze auch lautet: „Arbeite bis zum Umfallen“. Hier allerdings unterscheidet er sich dann doch etwas von SAP. Man müsse künftig nicht härter, sondern smarter arbeiten, ist Wieland überzeugt.