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Quantencomputer gelten als nächste große technische Entwicklung. Doch wie funktioniert die Technik eigentlich, und was sind ihre Vorteile?

Ob Wettervorhersagen, astrophysikalische Vorgänge oder die Erkundung von Öl- und Gasvorkommen – für die Berechnung komplexer Probleme aller Art sind derzeit leistungsstarke Supercomputer im Einsatz.

Doch einigen Herausforderungen sind selbst die schnellsten Rechenmaschinen der Welt nicht gewachsen: vor der Simulation von Molekülen müssen auch sie kapitulieren. Ein Umstand der besonders in der Medizin- und Chemiebranche Kopfschmerzen bereitet. Die Entwicklung neuer wirksamer Medikamente gegen Erkrankungen aller Art sowie besserer Düngemittel zur Bekämpfung des Welthungers hängen wesentlich von derartigen Berechnungen ab.

Ein anderes Beispiel betrifft die Optimierung: Ein Rucksack fasst 20 Kilogramm. Aus einer Menge von Gegenständen mit jeweils spezifischem Gewicht und Nutzwert soll eine Teilmenge gewählt werden, die das Maximalgewicht des Rucksacks nicht überschreitet, aber den Nutzwert maximiert. Ähnliche Herausforderungen finden sich in der Warenwirtschaft häufig, doch konnte mathematisch gezeigt werden, dass sie sich auf herkömmlichen Computern nicht zufriedenstellend lösen lassen.

Die Ursache für diese Eigentümlichkeit findet sich in der Art und Weise, wie Computer aufgebaut sind. Ihre kleinstmögliche Speichereinheit, das Bit, kann die Zustände 0 oder 1 repräsentieren. Physisch wird dabei zwischen zwei Spannungspotentialen unterschieden, welche dann den Zuständen 0 und 1 entsprechen. Diese binäre Darstellung von Information gerät bei den genannten Aufgaben an ihre Grenzen.

Qubits: In Superposition und verschränkt

Der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman postulierte bereits 1981, dass diese Berechnungen auf einem sogenannten Quantencomputer ausgeführt werden können. Dieses damals noch weitestgehend theoretische Konzept hat seither viel Interesse erfahren und bildet heute ein weites Forschungs- und Entwicklungsfeld.

Ein solcher Quantencomputer arbeitet mit Quantenbits, häufig kürzer Qubits genannt. Im Unterschied zum klassischen Computer können sich die Zustände der Speichereinheit hier überlagern. Anstatt also lediglich 0 oder 1 zu repräsentieren, kann sich ein Qubit auch in allen möglichen Zuständen dazwischen befinden. Dieses Phänomen wird Superposition genannt. Sobald der Zustand des Qubits allerdings gemessen wird, gleicht es einem herkömmlichen Bit. Es nimmt dann also definitiv den Wert 0 oder 1 an.

Fügt man nun mehrere Qubits zusammen, so befindet sich keines von ihnen in einem definierten Zustand – es liegt lediglich ein Zustand der Gesamtheit der Qubits vor. Diese in der Quantenmechanik als „Verschränkung“ bekannte Eigenschaft bedeutet, dass der Zustand zweier Teilchen voneinander abhängig ist. Am Beispiel zweier Qubits wäre also nach der Messung, dass sich eines von beiden im Zustand 1 befindet, der Zustand des anderen bereits klar.

Die Dekohärenz überwinden

Superposition und Verschränkung bilden zusammengenommen den entscheidenden Unterschied, von dem Quantencomputer profitieren sollen: Mit einer gegebenen Anzahl von Qubits lassen sich ebenso viele Sequenzen herkömmlicher Bits gleichzeitig darstellen. Eine Berechnung in diesem Zustand bedeutet also die Berechnung aller dieser Bitfolgen gleichzeitig. Dieser „Quantenparallelismus“ verspricht bei bestimmten Problemen einen deutlichen Geschwindigkeitsvorteil gegenüber üblichen Computern hervorzubringen.

Eine Herausforderung für Forscher ist dabei jedoch die Dekohärenz. Treten abgeschlossene Quantensysteme mit ihrer Umgebung in Wechselwirkung, so wird sowohl der Zustand des Systems selbst, als auch derjenige der Umgebung unumkehrbar verändert. Passiert das noch während der Berechnungen, so sind sie fehlerhaft.

Um die fehlerfreie Ausführung von Operationen zu gewährleisten, müssen die Qubits eines Quantencomputers also möglichst entkoppelt von ihrer Umgebung sein – die Zeit bis zur Dekohärenz dementsprechend minimiert. Hierbei ergibt sich ein möglicher Zielkonflikt, da es gleichzeitig notwendig ist, dass sich der Zustand eines einzelnen Qubits von außen verändern lässt.

Auch die Menge der verwendeten Qubits spielt eine technische Rolle: je höher ihre Zahl, desto größer der erwartbare Geschwindigkeitsvorteil. Gleichzeitig steigen die Hürden für die Vermeidung der Dekohärenz mit jedem zusätzlichem Qubit.

Fünf Kriterien für einen Quantencomputer

Der Physiker David DiVincenzo formulierte 1996 entsprechend dieser Überlegungen fünf Kriterien, die für einen Quantencomputer als hinreichend gelten:

  • Ein skalierbares System aus Qubits
  • Die Möglichkeit die Qubits auf einen vorgegebenen Zustand einzustellen
  • Eine universale Menge von Elementen für logische Operationen
  • lange Dekohärenz-Zeiten, viel länger als die Rechenzeit
  • Eine für die Qubits spezifische Messvorrichtung ihres Zustands

Bisher ist es noch nicht gelungen, ein System zu entwickeln, mit denen all diese Voraussetzungen erfüllt werden.

Unter anderem liegt dies an der Unklarheit bezüglich des geeignetsten Kandidaten für die physische Umsetzung von Qubits. So sind etwa das Energieniveau eines Atoms oder der Drehimpuls von Elektronen im Gespräch, doch auch viele andere Möglichkeiten werden erforscht.

Anwendungsbeispiele für Quantencomputing

Dennoch werden in regelmäßigen Abständen Fortschritte in der Entwicklung von Quantencomputern vermeldet. Bis jetzt war jedoch keiner der Prototypen in der Lage, seine Überlegenheit gegenüber klassischen Supercomputern definitiv zu demonstrieren. Das liegt vor allem auch an der Zahl der eingesetzten Qubits. Erst ab 50 von ihnen, so die häufige Meinung, soll sich ihr Vorteil zeigen – eine Zahl, die zwar bereits angekündigt, jedoch noch nirgends erfüllt wurde.

Experten erwarten den ersten allgemeinen Quantencomputer im Zeitraum der nächsten zehn Jahre. Wer jedoch erwartet, ein solches Gerät dann selbst unter dem Schreibtisch stehen zu haben, mag enttäuscht sein: auf absehbare Zeit wird die Technologie wohl nur für entsprechende Aufgaben in großen Skalen genutzt werden.

Bereits im Einsatz: Quantenkryptographie

Doch auch jenseits der Entwicklung von Quantencomputern stoßen Technologien, die von quantenmechanischen Effekten profitieren auf Interesse. Ein solches Beispiel ist die seit den siebziger Jahren entwickelte Quantenkryptographie, die bereits für den praktischen Einsatz geeignet ist.

Daten werden oft als das Öl des 21. Jahrhunderts gehandelt. Die Verbreitung von immer mehr Geräten, die vernetzt Daten generieren und analysieren, bringen der Welt enorme Vorteile. Gleichzeitig steigt jedoch das Sicherheitsrisiko durch Datendiebstahl und -missbrauch: Experten schätzen, dass alleine der volkswirtschaftliche Schaden, der 2016 durch Cyberkriminalität verursacht wurde, sich auf 454 Milliarden Dollar belief.

Quantenkryptographische Verfahren liefern hier eine zusätzliche Sicherheitsebene gegenüber den verfügbaren Lösungen. Die Entdeckungen der Quantenphysik zeigen, dass derartige Verschlüsselungen nicht nur schwer zu knacken sind, sondern dass sie bei korrekter Implementation unmöglich geknackt werden können.

Die Grundlage dieser Sicherheit bilden die zuvor beschriebenen Eigenschaften von Quantensystemen. Einzelne Lichtpartikel übertragen den Schlüssel, der zur Verschlüsselung einer Nachricht verwendet wurde. Dabei können sie nicht ohne Beeinträchtigung abgefangen und gemessen werden. Ein etwaiger Lauscher kann also nie an den jeweiligen Schlüssel gelangen, ohne bemerkt zu werden.

Der Fortschritt in der Entwicklung von Quantencomputern gilt dabei als Hauptmotivation der Entwicklung der Quantenkryptographie. Derzeitige Verschlüsselungsverfahren, wie etwa RSA, basieren auf der Annahme, dass kein schnelles Verfahren zur Primfaktorzerlegung großer Zahlen existiert. Bereits 1994 wurde jedoch von Peter Shor demonstriert, dass ein solcher Algorithmus auf einem Quantencomputer kein Problem mehr darstellt. Das erste Team, das also einen allgemeinen Quantencomputer von hinlänglicher Größe verwirklicht, kann also alle derartigen Sicherheitssysteme angreifen.

Noch ist die Entwicklung weit entfernt von den 1000 Qubits, die als notwendig angesehen werden, um RSA anzugreifen. In Bereichen, in denen geschützte Kommunikation und Datenübertragungen sehr wertvoll sind, kann die Quantenkryptographie jedoch bereits heute Lösungen liefern um gegen derzeitige und zukünftige Attacken geschützt zu sein.