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Daniel Holz ist seit einem Jahr Deutschland-Chef der SAP. Was sollte passieren, damit Deutschland in Zeiten des digitalen Wandels die Nase vorne behält? Ein Interview mit Daniel Holz.

Was beobachten Sie zur Zeit in Deutschland?

Deutschland befindet sich mitten im Umbruch. Innovation entsteht dabei oftmals in der Zusammenarbeit, so z.B. im Falle des SAP IoT Startup Accelerator in Berlin. Das Startup Synfioo hat in Zusammenarbeit mit SAP und unserem Startup Accelerator sowie Kunden eine Software Plattform entwickelt, die mittels Big Data die Ankunftszeiten von Transporten sehr genau vorhersagt und es so erlaubt, Lieferketten effizienter zu gestalten.

Mitnichten sind es aber nur die jungen „Wilden“, die Digitalisierung kreativ nutzen. Auch die großen Konzerne, schon lange SAP-Kunden, befinden sich im Wandel. Pumpenhersteller werden zu Druckluft-Lieferanten, ein Logistikdienstleister kann mit einem 3D-Drucker plötzlich nicht nur Pakete liefern, sondern auch deren Inhalte, die Losgröße 1 ermöglicht den individuell angepassten Turnschuh – um nur einige Beispiele zu nennen.

Welche Fortschritte haben deutsche Unternehmen und die deutsche öffentliche Verwaltung 2016 bei der Digitalisierung gemacht?

Die deutsche Industrie ist bei der Transformation zur Industrie 4.0 weit vorne mit dabei.

Im Bereich der öffentlichen Verwaltung haben wir einige unserer spannendsten Projekte: die Stadt Reutlingen bietet bspw. Smart Urban Services an. Dahinter verbirgt sich eine Dienstleistungsplattform für Services wie Parkplatz- und Verkehrsmanagement. Der Anspruch, Bürger als Kunden zu behandeln, ist nicht mehr nur reiner Vorsatz, sondern Programm. Eine leistungsfähige, effiziente und bürgernahe Verwaltung ist ein wichtiger Standortvorteil.

Haben deutsche Unternehmer eine Vorstellung davon, was sie mit der Digitalisierung bewegen können und wollen?

Wir wandeln uns gerade von analogen zu digitalen Persönlichkeiten.

Dabei ist allen klar: Die Technologien stehen bereit und an der Digitalisierung führt kein Weg vorbei, wenn man weiter erfolgreich bleiben möchte. Mit Methoden wie Design Thinking loten wir die Möglichkeiten auf kreative Weise aus. Open SAP leistet mit einem Bündel an Informationen einen Beitrag zur digitalen Bildung aller. Auch durch Workshops erhalten die Unternehmen recht klare Vorstellungen, wohin die digitale Reise gehen sollte. Dabei haben viele deutsche Unternehmer klare Vorstellungen und vor allem arbeiten wir gemeinsam mit ihnen an der Entwicklung von Effizienzverbesserungen oder gar neuen Geschäftsmodellen. Die Digitalisierung wird als unternehmerische und strategische Aufgabe angenommen.

Welche Technologien stehen derzeit im Fokus: Was ist Hype und wo werden tatsächlich große Fortschritte erzielt?

Wichtige Themen sind IoT, die Blockchain-Technologie und KI mit ihren Ausprägungen Machine und Deep Learning. Wir befähigen Dinge dazu, zu reagieren und zu interagieren. Daraus entstehen neue Geschäftsmodelle und Prozesse. Blockchain ist mehr als die Kryptowährung Bitcoin, aber auch keine Supertechnologie, die alle Herausforderungen der Welt löst.

Künstliche Intelligenz und Machine Learning sind schon jetzt erfolgsentscheidende Technologien. Das verdeutlicht die Übernahme des Machine Learning-Spezialisten Blue River Technology durch John Deere. Der Hersteller von Landwirtschaftsmaschinen möchte sich als Präzisionslieferant abheben. Mittels KI, genauer einem Algorithmus, der personalisierte Empfehlungen für 100 Millionen Abonnenten ausspielt, vermeidet Netflix angeblich Kündigungen im Gegenwert von einer Milliarde US-Dollar jährlich.

Derzeit bildet sich eine neue Regierung: Was erwarten Sie an Digitalisierungsinitiativen und neuen Gesetzen?

Ich erwarte, dass die Regulierung von Datenschutz mit Augenmaß betrieben werden wird. Deutschland ist im Bereich Datenschutz führend und das soll so bleiben.

Forschung und Entwicklung bedürfen der tatkräftigen Unterstützung und ich hoffe sehr, dass wir endlich ernst machen mit dem Gigabit-Ausbau der Infrastruktur. Ein wichtiges Thema, wo wir noch viel tun müssen, ist die Bildung in Kindergärten. Schulen und Universitäten, die den jungen Menschen den Zugang zum digitalen Denken, zu einer neuen Innovationskultur erleichtert. In diesem Punkt hinken wir noch deutlich hinterher.

Wo sehen Sie Deutschland in Zukunft: Wo wird Wertschöpfung stattfinden?

Branchenübergreifende Kooperationen von klassischen Wettbewerbern, Politik und Gesellschaft werden das Wachstum durch Findung und Ermöglichung neuer Geschäftsmodelle treiben. Klassische Branchengrenzen werden immer mehr verschwinden, es werden neue übergreifende Handlungsfelder entstehen, während sich Unternehmen von reinen Produktherstellern zu Anbietern ganzheitlicher Lösungen entwickeln. Die Serviceorientierung der Unternehmen wird und muss wachsen; denn die Qualität und Quantität der angebotenen Services wird ein wichtiges Differenzierungsmerkmal für sie sein.