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Mit dem Europahub bündelt Würth Warenströme von Lieferanten und aus interner Produktion an die Landesgesellschaften. Zudem plant der globale Spezialist für Befestigungs- und Montagetechnik die Versendung seiner Pakete an Endkunden künftig übergreifend über zehn Versandstellen – mit Hilfe der Transit-Warehouse-Funktion im SAP Extended Warehouse Management (SAP EWM).

In Gaisbach befindet sich nicht nur der Hauptsitz der Adolf Würth GmbH & Co. KG. Hier – auf halber Strecke zwischen Würzburg und Stuttgart – liegt zugleich der Hauptumschlagsplatz für die Waren des Befestigungstechnik-Spezialisten. Deutlich über 40.000 Packstücke verlassen das Gelände an der Reinhold-Würth-Straße Tag für Tag – über 10 Millionen im Jahr. 1.400 Lieferanten schicken ihre Waren hierhin, ehe sie zusammen mit den Produkten der Adolf Würth GmbH & Co. KG, kurz AW KG genannt, zu den Landesgesellschaften und an Endkunden versendet werden. Die Adolf Würth GmbH & Co. KG ist das Mutterunternehmen der global tätigen Würth-Gruppe mit über 74.000 Mitarbeitern und 12,7 Milliarden Euro Jahresumsatz in 2017 (gemäß vorläufigem Abschluss). Um die Warenströme weiter zu optimieren, setzt die Adolf Würth GmbH & Co. KG seit kurzem auf den Europahub und demnächst zudem auf eine neue Hub- und Verladeabwicklung. Während der Europahub die Aufgabe hat, die Warenströme von Zulieferern sowie der AW KG für die europäischen Landesgesellschaften zentral über den internen Logistikdienstleister Würth Logistics zu bündeln, hat die neue Hub- und Verladeabwicklung das Ziel, die 20 Versandstellen auf dem Gelände der AW KG für das Endkundengeschäft zu koordinieren und übergeordnet zu planen.

Europahub: die Beschaffung für 35 Landesgesellschaften bereits optimiert

Wenn Würth Logistics heute eine LKW-Ladung für die Landesgesellschaft in Italien plant, wird sie innerhalb eines Tages angelegt und verschickt. Und die meisten LKWs verlassen voll beladen das Werksgelände. Das Dilemma war bisher, dass die vom Mutterhaus AW KG kommenden Paletten für eine komplette LKW-Ladung oft nicht ausreichten. Deshalb haben sich die bisher mit dem Transport betrauten externen Logistikdienstleister damit beholfen, ihre LKWs mit zusätzlichen Aufträgen aufzufüllen. Nachteil: Die Speditionen mussten zwischendurch neue Ware aufnehmen und an eigenen „Hubs“ umschlagen. Eine Konzernlogistikstudie von Würth ergab: Wareneingangsströme ließen sich verringern, Kosten senken und Qualität für die Entladung erhöhen.

Würth Logistics: Full-Load des LKWs in Eigenregie

Inzwischen hat die Würth Logistics als neuer interner Logistikdienstleister die externen abgelöst und plant nun so, dass die LKWs, die Gaisbach verlassen, in der Regel voll beladen sind. Dieser „Full-Load“ wird möglich, weil die Würth Logistics nun neben der „Grundlast“ aus dem Mutterhaus, also Lieferungen von der AW KG, auch die Ware der Zulieferer aus Deutschland mitberücksichtigt. Das hat neben der höheren Auslastung des Laderaums weitere Vorteile: Die Beladung lässt sich nun im Vorhinein an den zulässigen Achslasten der LKWs orientieren, die Reihenfolge für die Entladung kann vorab festgelegt werden und Zwischenstopps sind nicht mehr nötig. „Die LKWs werden nun nur noch einmal für eine Würth-Landesgesellschaft bestückt“, sagt Jörg Hollstein von der Würth IT, „das ist ein qualitativer Quantensprung für uns.“ Vier Monate, nachdem die erste Handvoll Lieferanten und ausgewählte Landesgesellschaften an den Europahub angeschlossen wurden, sind es mittlerweile bereits 800 der 1.400 Lieferanten und 35 Gesellschaften. Das entspricht 80 Prozent der europäischen Warenströme und ist die aktuell höchstmögliche Effizienzstufe. „Für weitere Optimierungen fehlt uns derzeit der Platz“, konstatiert Hollstein: „Dafür ist wahrscheinlich, dass ähnliche Hubs auch für den asiatischen und den US-amerikanischen Markt eingeführt werden.“

Die Technologie: mit SAP EWM 9.3 kam das Transit Warehouse

Die Schlüsseltechnologie, die das Durchschleusen der Ware der Lieferanten möglich macht, ist eine neue Funktionalität im Warehouse-Management-System von SAP, seit SAP EWM Version 9.3 verfügbar. „Die Software kann Packstücke verwalten, obwohl die Inhalte nicht bekannt sind“, benennt Christine Bossert, Beraterin bei SAP, eine wichtige Eigenschaft der Technologie, die sich besonders an Transportdienstleister richtet. Auf der eintreffenden Palette stehen eine Nummer, der Empfänger und die Adresse. Damit ist eine wesentliche Voraussetzung für ein Transitlager geschaffen. Wareneingänge und -ausgänge werden gar nicht erst gebucht, da die Paletten ohnehin möglichst direkt wieder in LKWs verladen werden. „Wir hatten selbst auf Basis unserer bestehenden Systeme Vorstufen eines Transitlagers betrieben, waren aber unglücklich mit der Lösung“, gibt Würth-Experte Hollstein zu, „im SAP EWM ist die Transitfunktion nun im Standard enthalten.“

Verladehub: den Endkunden im Amazon-Zeitalter bedienen

Während es im Europhub darum geht, die Beschaffungsströme für die Landesgesellschaften zu optimieren, führt der Verladehub die Warenströme für das Endkundengeschäft auf dem Gelände der AW KG an einem Ort zusammen. Der typische Auftrag etwa von Handwerksbetrieben besteht aus wenigen Positionen und ein bis zwei Paketen, ist also recht kleinteilig. „Trotz der großen Masse an abzuwickelnden Paketen erwartet jeder Kunde, dass seine Bestellung komplett und rechtzeitig zum vereinbarten Termin eintrifft. Im Vergleich zur Vergangenheit ist die Anzahl der Pakete, die schon am nächsten Arbeitstag ausgeliefert werden müssen, deutlich gestiegen“, erläutert Hollstein.

Aktuell sind viele verschiedene Lagerverwaltungssysteme an den Versandstellen im Einsatz und ein LKW muss an vielen der zehn Versandstellen auf dem Werksgelände vorbeifahren und dort Päckchen aufnehmen. Deshalb liegt das Ziel nun darin, die Systemlandschaft nach und nach zu homogenisieren. Zunächst ist vorgesehen, die Warenströme über zehn Versandstellen hinweg zu steuern und im Laufe des ersten Quartals 2018 mit der ersten Versandstelle live zu gehen.

Transit-Warehouse: Päckchen zentral steuern

Die Transit-Warehouse-Funktion im SAP EWM ist dafür da, die Informationen über fertig gepackte Päckchen entgegen zu nehmen und zentral zu steuern, so dass der LKW des Transportdienstleisters künftig nur noch eine Ladestelle anfahren muss, um sämtliche Päckchen von zehn Versandstellen entgegenzunehmen. Dadurch ist zusätzliche Zeit für die Optimierung der Kommissionierung gewonnen.

Zeit für Kommissionierung gewonnen

Angenommen, ein Päckchen soll ins Ruhrgebiet befördert werden. Dann holen Paketdienste wie dpd, GLS und andere die Pakete bis 19 Uhr ab und bringen sie in so genannte Einlieferdepots. Von dort werden sie auf regionale „Ausgangsdepots“ verteilt. Am folgenden Morgen werden – nun umsortiert – in Auslieferfahrzeuge verfrachtet und im Laufe des Tages zum Endkunden gebracht. Mit Hilfe der neuen Software reicht es, wenn der LKW um 21 Uhr die Rampe verlässt. „So entlasten wird die Kommissionierer und werden deutlich flexibler, da wir nicht mehr an die Netzverkehre gebunden sind“, ist Hollstein überzeugt, der sich vor allem über die späteren Last-Order-Zeiten freut. Im Amazon-Zeitalter ist das Tempo essentiell. Denn auch Handwerker haben sich an das Amazon-Tempo längst gewöhnt.