Für Unternehmen ist es existenziell, Veränderungen frühzeitig zu erkennen und Strategien flexibel anzupassen. Harald Katzmair stellt im Zukunftsreport 2018 vier Resilienz-Strategien vor.
Strategie 1: Vom Expertenwissen zur Situationsanalyse
Trends und Entwicklungen vorherzusagen wird immer schwieriger. Konjunkturtrends kippen plötzlich, Innovationen von jungen Unternehmen erobern Weltmärkte, Terrorismus und Extremismus halten die Welt in Atem. „Vorhersagbarkeit gibt es nur dann, wenn Systeme wachsen und die Umwelt stabil bleibt“, lautet die Analyse von Harald Katzmair, Geschäftsführer des Zukunftsinstitutes FASresearch. Die Konsequenz: „Weil die Systeme immer mehr Haken schlagen, wird die agile und robuste Reaktion im Hier und Jetzt umso wichtiger.“ Die besondere Fähigkeit von Unternehmen wird also darin bestehen, dass das Management-Team gemeinsam in sehr kurzer Zeit die aktuelle Situation interpretieren, Muster erkennen und Tendenzen daraus ablesen kann. Dafür sind neue Methoden gefragt, die eine gemeinsame, synchronisierte Lagebeurteilung ermöglichen. Dazu gehören so genannte „Situation-Room-Methoden“, zu denen auch Design Thinking gehört. Weitere wichtige Erkenntnis: Der Status darf in der aktuellen Situation nicht mehr den traditionellen Stellenwert bekommen. Eine Schlüsselfähigkeit besteht darin, koordiniert zu agieren.
Strategie 2: Vom Einzelkämpfer zum lernenden Ökosystem
Unternehmen und Organisationen, die sich ausschließlich über ihr Produkt oder über ihre Technologie definieren, werden es künftig schwer haben. Anders ist das bei Firmen, die sich über ihre „Ökologie“, also über ihr Netzwerk definieren. „Denn das erhöht die Lern- und Entwicklungsfähigkeit des gesamten Systems“, ist Katzmair überzeugt. Die Konsequenz: Künftig werden weniger einzelne Unternehmen mit einzelnen Unternehmen, sondern zunehmend Netzwerke mit Netzwerken konkurrieren. Die Fähigkeit steht im Vordergrund, um immer wieder neue Wertschöpfungsnetzwerke entwickeln zu können. Für Katzmair ist es ein „Crack-Signal“, wenn Unternehmen nicht in Netzwerken agieren – also ein Zeichen dafür, dass die Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr gerät. Schnelligkeit, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sind die Eigenschaften, die Unternehmen künftig stark machen. Dafür ist eine gelebte Beziehungskultur unabdingbar.
Strategie 3: Von der Imitation zum „My Way“
Die Algorithmen in den sozialen Netzwerken sind so ausgerichtet, dass sich Menschen mit ähnlichen Vorstellungen miteinander vernetzen. „User hinsichtlich ihrer Gleichartigkeit zu verbinden“ ist – da ist sich Katzmair sicher – ein Fehler. Denn ohne von anderen lernen zu können und sich „bereichern“ zu lassen, leidet die Resilienz – also die Fähigkeit, künftig mit Veränderungen umgehen zu können. Zudem besteht die Gefahr zur politischen und kulturellen Radikalisierung, ist sich Katzmair sicher. Auch in Hinsicht auf neue Geschäftsmodelle ist Vorsicht geboten. Es nützt Unternehmen nicht, Google, Facebook und Apple zu kopieren, denn: Wer sich zu sehr mit anderen vergleicht, wird immer verwechsel- und austauschbarer. Vor dem „schleichenden Verlust des eigenen Ich“ als nächstes Crack-Signal warnt Katzmair. Ein einzigartiger Weg muss her, ein „My Way“. Ansonsten droht die Identitätskrise. Wichtige Voraussetzungen dafür: Ist die Lagebeurteilung (siehe Strategie 1) abgestimmt und das Netzwerk divers (siehe Strategie 2), fehlt „nur“ noch die eigene Note. Dann ist zudem die Grundlage dafür gelegt, Entscheidungen dezentral treffen zu können – und nicht mehr top-down.
Strategie 4: Vom Zusammenbruch zum Abenteuer des Neubeginns
Unternehmen sind umso erfolgreicher, je variabler sie auf die Umwelt reagieren können. In synchronisierten Lagebeurteilungen identifizieren sie brenzlige Situationen rechtzeitig. Das ist in jeder Phase des Resilienzzyklus wichtig. Er besteht aus vier Phasen,
- der Startup-Phase, in der Unternehmen wachsen,
- der Kontrollphase, in der in Qualität und Diversität der Produkte investiert wird,
- der Erneuerungsphase, in der das „alte“ überholte Geschäftsmodell nach einer Krise losgelassen wird und
- die Phase der Kreation, in der ein Neuanfang erarbeitet wird.
In der Kontrollphase ist ein Unternehmen am anfälligsten. Es reift, wächst und wird immer komplexer und unflexibler. Das „Spielgeld“ für Experimente und Neues geht nach und nach verloren. Dafür wird jedoch Effizienz großgeschrieben. „Immer mehr Freiräume werden geschlossen und versiegelt, die Organisation immer spröder und steifer“, schreibt Katzmair. Der Zenit der Hypereffizienz ist jedoch der Tiefpunkt der Resilienz. Das heißt allerdings nicht, dass das Unternehmen an dieser Stelle scheitern muss. Wer sich der unwiederbringlich eintretenden Phasen bewusst ist, holt für jede dieser Perioden geeignete Experten an Bord – erst die Macher und Entrepreneure, dann die Manager und Bürokraten, später die Visionäre und Querdenker und zuletzt die Heiler und Pfleger. Unternehmen sollten sich „hinsichtlich ihrer Kapazitäten, Fähigkeiten und Mindsets divers und breit genug aufstellen“, rät Katzmair.