Immer mehr Unternehmen nutzen ihre eigene Schrift für ihre Produkte und Services. Aber welche Gründe stecken dahinter? Und warum hat die SAP ihre eigene Schrift für den SAP UI entworfen?
Die selbst entworfene Hausschrift wird nicht nur für das Firmenlogo verwendet. Es handelt sich vielmehr um ein gesamtes Schriftbild – eine Schriftfamilie. Obwohl es viele kostenlos verfügbare Schriftarten gibt, hält der Trend hin zu Markenschriften an. Firmen wie Apple San Francisco, Salesforce Sans, Nokia Pure, Samsung One, AudiType, GE Inspira, Deutsche Bahn oder IBM Plex gönnen sich ihre eigenen Hausschriften. Werden Schriften nicht überbewertet? Sind sie nicht mehr als eine luxuriöse Verzierung, die nur von Grafikdesignern geschätzt oder gar erkannt wird? Sieht der Durchschnittsbürger tatsächlich, wie die Hausschrift zum besonderen Kundenerlebnis beiträgt?
In gewisser Weise ja. Eine gute Schrift wirkt unbemerkt im Hintergrund. Der Text kann mühelos gelesen werden. Die Augen gleiten gleichmäßig über die Zeilen. Das Gehirn pausiert nur dann, wenn ein Hindernis auftaucht. Wenn Sie aber Ihre Augenbrauen zusammenziehen und rätseln, was Sie da gerade lesen, dann ist dies ein Indiz dafür, dass die Schriftart nicht viel taugt.
Lesen Sie diese Sätze einmal laut vor. Wie schnell können Sie diese Worte lesen?
Müssen Sie erst nachdenken, um die Buchstaben zu erkennen? Dann behindert die Schrift Ihren Lesefluss. Ein wichtiges Kriterium für eine gute Schriftart ist die Lesbarkeit. Sie hilft dem Leser, den Text problemlos und schnell zu erfassen. Wenn Sie sich ohne zu stolpern auf den Text konzentrieren können, dann profitieren Sie von der Schriftart.
Aber ist es nur die Lesbarkeit, die zählt? Können Sie sich vorstellen, große Summen Geld an eine Bank zu überweisen, die auf ihren Webseiten Comic Sans verwendet? Würden Sie ein Technologieunternehmen ernst nehmen, das eine Handschrift aus dem 16. Jahrhundert verwendet? Würden Sie Restaurant mit einem McDonalds-Schriftzug für ein romantisches Abendessen wählen? Wohl eher nicht. Mit Dienstleistungen, Produkten und Marken sind bestimmte Erwartungen verknüpft. Eine Schriftart gibt der Marke eine Persönlichkeit und weckt Emotionen beim Betrachter. Natürlich sollte diese Persönlichkeit nicht zu aufdringlich sein. Sie erinnern sich bestimmt an eine Situation, in der jemand mit viel zu lauter Stimme gesprochen hat, zu viel Make-up oder Deodorant getragen hat oder viel zu formell gekleidet war. All dies wirkte eher erdrückend als attraktiv. Wenn die Individualität einer Schrift stärker hervortritt als die eigentliche Botschaft, dann wird es dem Leser schwerfallen, sich auf den Inhalt zu konzentrieren. Feingefühl ist hier das A und O.
SAP gewinnt Red Dot Award für neue Schriftart “72”
Die SAP hat mit ihrer neuen Schriftart 72 den Red Dot Award gewonnen. Finden Sie weitere Informationen über 72 und in Kürze auch mehr über den Design Award.
Schriftart versus Font
Die Begriffe Schriftart und Font werden im digitalen Zeitalter häufig synonym verwendet. Tatsächlich handelt es sich hierbei aber um zwei verschiedene Dinge. Die Schriftart ist der Schriftenwurf, das visuelle Abbild einer Schrift. Sie bestimmt wie die Buchstaben aussehen. Der Font ist die Umsetzung der Schriftart in eine druckbare Form. Ein Font umfasst alle so genannten Schriftschnitte der Schriftfamilie wie kursiv, fett-kursiv usw. Die Schriftart ist also das Design und der Font ist der digitale Schriftträger – die Datei, die Sie auf Ihrer Festplatte speichern können.
Die richtige Schriftart mit sehr guter Lesbarkeit und der richtigen Charakteristik zu wählen ist aber nicht alles. Eine gute Typografie ist ebenfalls wichtig, um dem Leser das bestmögliche Leseerlebnis bieten. Überfordert Sie der Text, noch bevor Sie mit dem Lesen beginnen? Ist Ihr Lesefluss gestört? Verlieren Sie die Orientierung und rutschen immer wieder in die falsche Zeile? Dann ist definitiv eine bessere Typografie gefragt. Bei einer guten Typografie gleitet Ihr Auge über den Text und es entsteht ein natürlicher Leserhythmus. Sie erleichtert den Informationsfluss und motiviert Sie zum Lesen. Die Inhalte sind in gut verdauliche Häppchen aufgeteilt. Eine gut lesbare, schöne Schriftart allein garantiert aber noch kein angenehmes Leseerlebnis, wenn der Abstand zwischen den Zeilen nicht stimmt, die Schriftgrößen nicht angemessen sind oder zu wenig Weißraum vorhanden ist. Hier kommt die Typografie, die optische Gestaltung der Schrift, ins Spiel. Sie können sich das so vorstellen: Die Typografie ist das Rezept und die Schriftart ist die Liste der Zutaten. Welche Schriftstärke, -breite oder -lage (mager, normal, fett, kursiv usw.) und -größe sollten für Titel, Untertitel, Haupttext und Zusatzinformationen verwendet werden? Wie viel Abstand sollte zwischen Zeichen und Zeilen sein? Wie viele Spalten werden für den Inhalt benötigt und wie lang sollte ein Absatz sein? Eine gute Typografie hilft dem Leser sich auf den Inhalt zu konzentrieren und in einen Lesefluss zu kommen.
Aber dazu bedarf es auch einer guten Schriftart. Und eine gute Schriftart kann nur richtig zur Geltung kommen, wenn sie mit der richtigen Typografie kombiniert wird. Letztendlich bilden Schriftart und Typografie das Medium, das die Botschaft nach außen trägt. Ein aussagekräftiger Text, mit den richtigen Worten im richtigen Tonfall geschrieben, ist entscheidend für ein gutes Leseerlebnis. Auf einer Benutzeroberfläche (UI) ist der Text ein ganz wichtiges Element. Sei es eine Aufforderung zum Handeln, eine Warnung oder eine Beschreibung, der Text teilt dem Anwender mit, was er sich anschauen oder tun soll. Je klarer der Text ist, umso weniger visuelle Bearbeitung ist notwendig. Und weniger visuelle Darstellung bedeutet eine geringere kognitive Belastung für den Leser.
In einem guten UI-Design ist kein Platz für eine schwer lesbare Schrift oder schlechte Typografie. Eine gute Schriftart stellt die Ausgangsbasis dar.
Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, was eine gute Schriftart ausmacht, lesen Sie auch den Artikel What Makes a Good Typeface?.