Was wohl eine Walldorfer SAP-Mitarbeiterin in die Regenwälder Südostasiens führt? Das SAP News Center begleitet sie ein Stück des Weges zu einem großen Ziel – der Rettung der bedrohten Tiger.
„Alle aussteigen!“ Es ist nicht das erste Mal auf der beschwerlichen Fahrt, dass die Expeditionsgruppe die mit Proviant und Ausrüstung voll beladenen Geländewagen räumen muss. Etwa wieder ein tückischer Bachlauf, den die Fahrzeuge besser ohne Personenlast durchqueren, um nicht zwischen Schlamm und Felsen steckenzubleiben? Nein, diesmal gibt es einen anderen Grund für den unerwarteten Stopp. Wir verlassen die Innenräume der Fahrzeuge, die bequemen Lederpolster und die angenehme, künstliche Kühle aus der Klimaanlage. Um uns herum alles und nichts. Gleißendes Sonnenlicht bricht durch die fünfmeterhohen Bambusgehölze und dickblättrigen Bananenstauden und sorgt für eine trockene, flirrende Hitze, die typisch ist in Thailands immergrünem Regenwald zur Sommerzeit. Hier an Ort und Stelle gibt es Natur pur, Digital Detox auf Neudeutsch, kein Telefonnetz, keinen Internetempfang, keine Verbindung zur Zivilisation außer dem schmalen, unwegsamen Pfad, der gerade einmal breit genug ist für die Karawane, deren Teil wir an jenem Tag sind.
Wir folgen den uniformierten Frauen und Männern, ohne die wir niemals an diesen Ort gelangt wären, ins Unterholz. Sie sind die Wildhüter des Mae Wong Nationalparks, der in Thailand, ungefähr 350 Kilometer nördlich von Bangkok, liegt. Einer von ihnen signalisiert uns abrupt, stehenzubleiben. Tanja Schätz-Kruft soll nach vorne treten. Sie soll es als Erste sehen. Die beiden gehen in die Hocke, inspizieren etwas am Boden, dann ein paar Meter weiter nochmals und auch ein drittes Mal. Da sind sie endlich: Breiter als eine menschliche Hand sind drei Abdrücke im leicht schlammigen Boden eingegraben, beinahe überdeckt von dürrem Gestrüpp. Auch der Laie erkennt schnell, dass hier ein mächtiges Tier unterwegs war. Es sind frische Tigerspuren.
Work-Life-Balance: Freitag ist Tigertag
In ihrem Alltag nimmt Tanja Schätz-Kruft gewöhnlich statt Tigerspuren die Sicherheitskonzepte bei SAP unter die Lupe. An vier Tagen in der Woche arbeitet sie als Kommunikationsexpertin im Bereich SAP Global Security und findet dort heraus, wie man das richtige Sicherheitsbewusstsein bei den SAP-Mitarbeitern weltweit weckt und notwendiges Wissen vermittelt. Die Freitage jedoch gehören den Tigern. 2012 erfüllte sich Schätz-Kruft den Wunsch, ihre eigene Tierschutzstiftung namens „A World for Tigers Foundation“ zu gründen, weil sie in Absprache mit ihrem Arbeitgeber ihre Arbeitszeit auf 80 Prozent reduzieren konnte.
Zu dieser Zeit war die Situation für diese Spezies weltweit bereits sehr kritisch. Mit nur noch etwa 3.200 Tieren in freier Natur stand sie kurz vor ihrer Ausrottung. „Letztlich war meine Entscheidung für die Tiger nicht rational, sondern eine Herzensentscheidung. Ich liebe Tiger schon, seit ich ein Kind war, und mir wurde klar, wenn nicht jetzt gehandelt wird, werden sie bald von der Erde verschwunden sein. Ich hatte das Gefühl, dass ich noch viel mehr beitragen kann, wenn ich selbst aktiv werde. Durch die Gründung meiner Stiftung und die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem World Wide Fund for Nature hat sich mein Traum, Teil eines Tigerschutzprogrammes zu sein, verwirklicht“, erklärt Schätz-Kruft.
A World for Tigers Foundation

Die „A World for Tigers Foundation“ setzt sich zum Schutz der Indochinesischen Tiger in Thailand und Myanmar ein. Diese Tigerart ist mit nur noch 196 lebenden Tieren (Schätzzahl aus dem Jahr 2016) stark vom Aussterben bedroht. Thailand ist ein erfolgversprechendes Projektgebiet, da die Regierung kooperativ und die Bevölkerung dem Thema gegenüber aufgeschlossen ist. Spenden für die Stiftung fließen zu 100 Prozent in dieses Projektgebiet und die Spender erfahren genau, welche Maßnahmen sie damit unterstützt haben.
Es gibt drei Hauptgründe für die drohende Ausrottung der Tiger:
- Wilderei: Tigerprodukte bringen auf dem Schwarzmarkt sehr viel Geld. Gerade in Asien und in der traditionellen chinesischen Medizin werden Tigerprodukte verwendet.
- Lebensraumverlust: Abholzung der Wälder
- Rückgang des Beutetierbestands infolge der Jagd durch den Menschen
Die entsprechenden Maßnahmen zum Schutz der Tiger liegen daher vor allem:
- im Einsatz von Wildhütern,
- in der Aufklärungsarbeit in Schulen und in der Bevölkerung
- und im Erhalt des Lebensraumes.
Website der Stiftung: A-World-for-Tigers.org
Zorro und die wilden 15
Über die Abdrücke gebeugt erklärt der Tigerexperte Tanja Schätz-Kruft, dass es sich wahrscheinlich um Zorro handelt. Er ist eines der ältesten und kräftigsten Männchen des Parks. Dank der Unterstützung durch Schätz-Krufts Stiftung und der Arbeit des World Wide Fund for Nature (WWF) liegen seit 2012 präzise Aufzeichnungen über den Wildtierbestand, insbesondere der vom Aussterben bedrohten Tiger, im thailändischen Western Forest Complex vor.
Die Tiere werden anhand ihrer individuellen Fellzeichnung identifiziert. Bei den majestätischen Raubkatzen gleicht kein Streifenkleid jemals dem anderen. Dieser Tatsache verdankt auch Zorro seinen Namen. Er ist der einzige Tiger in den Akten, der einen Namen trägt. Während alle Tiere schematisch mit Buchstaben-Zahlen-Kombinationen in der Datenbank registriert werden (Zorros Aktenzeichen ist MKM2), erhielt er seine besondere Taufe aufgrund des Z-förmigen Streifenmusters auf der Innenseite des linken Vorderbeins (siehe Bild). Weitere Daten wie Alter, Größe, Gewicht und Nachkommen sind ebenfalls dokumentiert. Die Breite und Beschaffenheit der Pfoten hat Zorro durch seine Spuren verraten. Er war zirka zwei bis drei Tage vor uns an genau derselben Stelle des Dschungels.
Im Gebiet der Mae Wong und Khlong Lan Nationalparks haben laut aktueller Aufzeichnungen 16 Tiger ihr Revier. Die Unterstützung der „A World for Tigers“-Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Indochinesischen Tiger in Thailand und Myanmar zu schützen und unterstützt dazu gezielt die Wildhüter vor Ort. Deren Aufgabe ist es, im Dschungel illegale Wilderer-Camps aufzudecken, Waffen und Wilderei-Ausrüstung zu beschlagnahmen und verdächtige Personen festzunehmen. Außerdem bringen sie sogenannte Kamerafallen (mit Bewegungssensoren ausgestattete Foto- und Videokameras) an Bäumen an und werten die dadurch gewonnen Aufnahmen einmal im Monat aus, um den Tierbestand systematisch zu verfolgen.
Tierschutz hautnah
Erst Jahre nach der Gründung der Stiftung legt Tanja Schätz-Kruft zum ersten Mal die gut 11.000 Kilometer zurück und bereist das Gebiet, wo ihre Hilfe schon längst angekommen ist. Ihr größtes Anliegen ist es, den Tierschutz hautnah mitzuerleben. Deswegen nimmt sie an einer der regelmäßigen Wildhüterpatrouillen teil. Nach der Entdeckung der Tigerspuren wird die holprige Fahrt daher fortgesetzt und wir gelangen zu einer Wildhüterstation tief in den Wäldern. Der Bau wurde durch Schätz-Krufts Stiftung mitfinanziert.
Malerisch auf einer Lichtung an einem gluckernden Wildbach gelegen besteht sie aus drei Gebäuden, einer Solarstromanlage und mehreren Feuerstellen. Das Quaken der Frösche und die Rufe dreier wilder Pfauen untermalen die Szenerie, die einer romantischen Idylle aus alten Safarifilmen gleicht. Doch der Zweck dieser Einrichtung hat nichts Romantisches an sich. Die Wildhüter brauchen diese Durchgangsstation, bevor sie ihre harten, tagelangen Expeditionen in die umliegenden Waldgebiete antreten, um ein noch größeres Gebiet schützen zu können.
Schätz-Kruft, die möglichst viel über den Alltag der Wildhüter erfahren möchte, ist eingeladen, die Nacht auf der Station zu verbringen. Endlich kann sie die Zeit nutzen, um auf viele Fragen eine Antwort zu finden. Um die sprachlichen Verständigungshürden zu überbrücken, helfen ihr Rung und George. Die beiden sind Mitarbeiter des WWF. Sie arbeiten als Biologen im Auftrag der globalen Naturschutzorganisation seit Jahren Hand in Hand mit den Wildhütern der thailändischen Nationalparks.
Die Gefahr ist nicht gebannt
Seit 2015 musste kein einziger erlegter Tiger im Areal mehr registriert werden und im Jahr darauf wurde der Höchststand der Tigerpopulation seit Beginn der Monitoring-Aktivitäten festgestellt (inzwischen sind es zehn erwachsene Tiere und sechs Jungtiere). Aber weder Schätz-Kruft noch die Tierschützer vor Ort wollen sich auf diesen ersten, fragilen Erfolgen ausruhen. Die Gesprächsthemen vor den Türen der Wildhüterstation konzentrieren sich bald auf die wunden Punkte beim Tigerschutz.
Die strafrechtliche Verfolgung von Wilderern gleicht allzu oft einem Kampf gegen Windmühlen. Zudem werden Tiger allgemein in der Bevölkerung immer noch häufig für blutrünstige Bestien gehalten, die Menschen und Nutztiere fressen. In Wahrheit sind sie scheu und begeben sich nur in Extremsituationen überhaupt in die Nähe von Menschen. Durch Aufklärungsarbeit müssen diese Vorurteile beseitigt und ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, wie wichtig diese Spezies für ein intaktes Ökosystem ist. Der florierende Tourismus hat ebenfalls negative Auswirkungen. Zum einen zerstückeln Infrastrukturprojekte, wie der Bau von Straßen, Zäunen oder Pipelines, die Reviere der einzelgängerischen Tiere. Denn sie wandern, um neue Paarungen einzugehen. Zum anderen wird des Tigers Beute ebenfalls knapp. Das Großwild, das nur in diesem Gebiet vorkommt, landet immer häufiger als exotische Touristenattraktion auf den Speisekarten lokaler Restaurants – und nicht mehr im Magen des Jägers auf vier Pfoten.
Taten, Worte und Sinn
Genau diese Informationen benötigt Tanja Schätz-Kruft. Noch während sie im Morgengrauen am Bachufer an ihrem Kaffee nippt, hat in ihrem Kopf bereits die Planung für zukünftige Maßnahmen eingesetzt. Mit ihrer Stiftung sammelt Schätz-Kruft finanzielle Spenden. Doch damit nicht genug. Auch im fernen Deutschland möchte sie den Tigerschutz selbst mitgestalten. „Das Gute ist, dass ich die Möglichkeit habe, aktiv mitzuentscheiden, was konkret mit den Spendengeldern geschieht und in welcher Projektregion sie eingesetzt werden“, sagt sie.
„Bei meiner Stiftung ist mir sehr wichtig, dass ich mich jedes Jahr gemeinsam mit dem Projektleiter des WWF darüber abstimme, welche Aktivitäten in unserem Projektgebiet in diesem Jahr die höchste Priorität haben und was konkret durch die „A World for Tigers Foundation“ umgesetzt werden kann. Den Fortgang und Status der geplanten Aktivitäten besprechen wir regelmäßig am Telefon“, beschreibt Schätz-Kruft ihre Arbeit. Für die weitere Ausgestaltung ist jetzt der Austausch mit den Einsatzkräften vor Ort Gold wert.
Die hinter uns liegende Nacht war überraschend kalt. Während dicke Tautropfen unablässig von der Zeltdecke heruntertropften, sei ihr umso mehr klargeworden, warum sie das tue, erklärt Schätz-Kruft, als wir den Dschungel wieder verlassen. Was sie antreibt, beschreibt sie folgendermaßen: „Jeder Mensch braucht einen Sinn im Leben oder eine Lebensaufgabe. Dieser Sinn kann für jeden Menschen völlig unterschiedlich aussehen. Das Wichtige ist, dass er Zufriedenheit schafft und das Gefühl, etwas Positives getan zu haben.“
Während der letzten Tage der Reise ist Schätz-Kruft noch zu Besuchen auf einem lokalen Markt und in einer kleinen Dorfschule eingeladen – zwei Anlässe, die zu der wichtigen und regelmäßig stattfindenden Öffentlichkeitsarbeit der Wildhüter gehören.
Die Wildhüter haben eine Musik-Band gegründet, die bei solchen Anlässen auftritt und großen Applaus einheimst. Maskottchen in Gestalt eines Tigers, eines Pandas (das „Wappentier“ des WWF) und eines Hirsches (die Hauptbeute des Tigers) begeistern die Kinderscharen. Die Wildhüter stammen oft selbst aus den Gemeinden im Umkreis und finden so leicht Zugang zu Jung und Alt. Unermüdlich stellen sie sich allen Fragen, zeigen dabei auf die mitgebrachten Prospekte und Plakate und teilen Poster an freudestrahlende Kinder aus.
Ihre Tage sind lang, definitiv kein Nine-to-Five-Job. Aber sie wissen ebenso gut wie Schätz-Kruft: Die Uhr tickt für die Tiger auf unserem Planeten.
Noch sind es nicht nur die Spuren Zorros, die bleiben: in Tanja Schätz-Krufts Erinnerung, in diesem Bericht und im thailändischen Regenwald. Die Tigerschützerin und SAP-Mitarbeiterin hat sich eines zum Ziel gesetzt: „Jeder Mensch hinterlässt Spuren im Leben und ich würde mir wünschen, dass meine Spuren noch bestehen bleiben, auch wenn ich selbst nicht mehr hier bin. Dann hätte ich das Gefühl, dass ich meine Lebenszeit wirklich zu etwas Gutem genutzt habe.“
Ein aufrichtiger Dank an die Mitarbeiter des World Wide Fund for Nature für deren Unterstützung bei der Entstehung dieses Beitrags.