Bei der neuen irakischen Regierung vorzusprechen, ist kein einfaches Unterfangen. Batoul Husseini hat es mit Selbstbewusstsein und Kreativität geschafft.
Batoul Hussein, die Leiterin von Government Affairs und Corporate Social Responsibility MENA bei SAP, hat in Bagdad ein Programm vorgestellt, das Irakern und Flüchtlingen digitale Kompetenzen vermittelt. Die Digitalisierung im Irak wiederum schafft Wachstum und Stabilität. Dazu hat Husseini bei der neuen irakischen Regierung vorgesprochen, was ihr mit Selbstbewusstsein und Kreativität gelungen ist. „Ich machte Kontaktdaten von Leuten in Verbänden, Behörden und verbundenen Unternehmen ausfindig und meldete mich einfach bei ihnen“, erzählt Husseini, eine erfahrene Diplomatin und Leiterin des Bereichs Government Relations and CSR der SAP in der Region Nahost und Nordafrika (Middle East and North Africa, MENA).
Großen Gefahren trotzen
In einer von Kriegen verwüsteten Region, in der Millionen von Flüchtlingen in eine ungewisse Zukunft blicken, könnte es keinen besseren Zeitpunkt geben Hilfe zu leisten.
Der Irak, als Wiege der Zivilisation bekannt, ist heute einer der gefährlichsten Orte der Welt. Im politischen Geschehen spielen oftmals ethnische und religiöse Grenzen sowie Stammeszugehörigkeiten eine entscheidende Rolle. Dies schadet dem nationalen Zusammenhalt und verhindert eine wirksame Politik auf nationaler Ebene. Lokale Milizen haben eine starke Stellung, und es herrscht eine emotional aufgeladene Stimmung. Korruption ist weitverbreitet, Gesetze werden nicht eingehalten, und die Sicherheit ist ein ständiges Problem.
Rund 30 Prozent der Menschen leben unter der Armutsgrenze, und Millionen von Vertriebenen wirken sich negativ auf die Beschäftigungssituation aus. Obwohl der Irak mit einem Bruttoinlandsprodukt von 192,5 Milliarden Dollar der drittgrößte Öl- und Gasproduzent der Welt ist, beschäftigt der Ölsektor des Landes gerade einmal ein Prozent der Bevölkerung.
Probleme vor Ort lösen
Wie andere Regierungen in der Region drängt auch die neue irakische Regierung auf Modernisierung und Entwicklung. Deshalb hat sie einen ehrgeizigen nationalen Entwicklungsplan für den Zeitraum von 2018 bis 2022 aufgelegt. Digitale Technologien gelten als wichtiger Faktor für den Erfolg dieses Plans. Es wird erwartet, dass die Jugend des Landes – immerhin 20 Prozent der Bevölkerung – hier eine tragende Rolle spielt.
Husseini hat in der Region MENA die Refugee Code Week ins Leben gerufen, ein CSR-Programm (Corporate Social Responsibility) der SAP, das jungen Flüchtlingen Programmierkenntnisse vermittelt. Dabei hat sie wertvolle Erfahrungen in der Entwicklung und Umsetzung strategischer Initiativen gesammelt. Das Programm wird kontinuierlich weiterentwickelt. Kürzlich wurde es in „Digital Skills for Today“ umbenannt.
„Man muss persönliche Gefühle zurückstellen. Die SAP ist ein Global Player, aber man kann nur dann global von Bedeutung sein, wenn man auch lokal etwas bewirkt“, erklärt sie. „Um etwas zu schaffen, muss man Probleme mit dem richtigen Fingerspitzengefühl angehen. Man kann sie nicht ignorieren. Aber es gibt auch kein Patentrezept. Das ist eine Gratwanderung.“
Der Strategievorschlag der SAP
Der Workshop, auf dem die SAP-Initiative für die Digitalisierung im Irak vorgestellt wurde, fand in der Grünen Zone von Bagdad statt, einer streng gesicherten internationalen Oase im Herzen der Stadt. In den vergangenen Jahrzehnten wurde das Areal häufig belagert und ist auch heute noch nur über streng kontrollierte Sicherheitscheckpoints zugänglich. Aus Sicherheitsgründen mussten die Mitglieder des SAP-Teams auf dem Weg zum Workshop kugelsichere Westen tragen.
„Der Irak ist eine sehr stolze Nation. Innovation hat hier seit jeher einen hohen Stellenwert, doch die Instabilität der letzten Jahre hat die wirtschaftliche Entwicklung gehemmt. Angesichts der beginnenden Stabilisierung herrscht eine sehr große Begeisterung für die Digitalisierung als Mittel, um die wirtschaftliche Entwicklung anzukurbeln“, meint Moaz Al-Sibaai, Leiter der Bereichs Strategy and Business Development für die Region bei der SAP.
Internationale Investoren beobachten die Entwicklung und verlangen, dass mehr Verantwortung übernommen wird. Organisationen wie die Weltbank erwarten mehr Transparenz. Doch das Wichtigste ist, dass prominente Regierungsvertreter wie der Premierminister hinter einer echten Veränderung stehen.
Mehr Transparenz und Effizienz
„Wir bei der SAP wollen diese positiven Entwicklungen dadurch unterstützen, dass wir das digitale Rückgrat für die irakische Regierung wieder aufbauen. Die Bürgerinnen und Bürger würden von mehr Transparenz profitieren, und Entscheidungsträger bekämen die Tools an die Hand, die sie brauchen, um für mehr Effizienz und die Einhaltung von Vorschriften zu sorgen“, führt Al-Sibaai aus.
Die von Husseini und ihrem Team präsentierte Strategie klingt einfach, erfordert jedoch außergewöhnliches Verhandlungsgeschick, umfassende Kenntnisse der Gegebenheiten vor Ort und viel Fingerspitzengefühl. Der Plan sieht vor, eine digitale Agenda und eine umfassende SAP-CSR-Strategie für den Irak zu erarbeiten. Dann sollen mögliche Partner gesucht, ein Modell für die Zusammenarbeit mit Entscheidungsträgern und Meinungsführern entwickelt, der Rat der EU und der deutschen Regierung gesucht sowie ein SAP-Compliance-Programm für das Land aufgelegt werden.
„Die SAP verfügt als Marktführer über die Erfahrung, um die Transformation durch Technologie zu ermöglichen und als vertrauenswürdiger Ratgeber Unterstützung zu leisten. Doch am wichtigsten ist, dass wir im Leben der Menschen etwas zum Positiven wenden wollen“, betont Husseini, die weiß, dass sich geschäftlicher Erfolg nur einstellt, wenn sich das Team unterschwelliger Konflikte bewusst ist sowie Risiken frühzeitig erkennt. „In Beziehungen zu staatlichen Einrichtungen muss man immer einen Schritt voraus sein“, meint sie.
Geschäftliche Möglichkeiten der Digitalisierung im Irak
Trotz aller Herausforderungen eröffnet die digitale Transformation des öffentlichen Sektors und staatlicher Unternehmen im Irak der SAP enorme Geschäftschancen. „Unsere Aufgabe ist, der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand zu optimalen Abläufen zu verhelfen“, erklärt Ahmed Alfaifi. „Wir unterhalten keine Beziehungen zu politischen Parteien und sind nicht parteiisch. Selbst in schwierigen Zeiten müssen wir weiter Geschäfte machen, wobei wir immer die Kunden in den Mittelpunkt stellen. Die Regierung braucht uns, um den Schritt in die digitale Welt zu bewältigen. Die SAP würde eine große Lücke hinterlassen, wenn wir auf diesem Markt nicht vertreten wären.“
Tatsächlich eröffnet die Abkehr vom Öl dem Irak ganz neue Chancen in allen anderen Sektoren, angefangen bei der Telekommunikation über Einzelhandel und Bauwirtschaft bis hin zur Fertigungsindustrie. Der irakische Premierminister Adel Abdul-Mahdi hat versprochen, eine Regierung von wirtschaftsfreundlichen Technokraten zu bilden, um den kränkelnden öffentlichen Sektor des Landes zu reformieren.
Junge Iraker sind begierig darauf, digitale Kompetenzen zu erwerben. Und in Zeiten knapper Kassen, in denen die Regierung auf neue Jobs in der Privatwirtschaft hofft, eröffnen sich technisch versierten Jungunternehmern vielfältige Geschäftschancen. Programme wie die SAP-Initiative für die Digitalisierung im Irak und „Digital Skills for Today“ unterstützen diesen Prozess. Sie helfen dem Land, an Stabilität zu gewinnen, und vermitteln den Menschen die Fähigkeit, Wachstum zu schaffen.