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Das neue Fertigungssteuerungs­system beim Reifenhersteller Continental arbeitet integriert mit den bereits vorhandenen Systemen.  Dadurch rückt die Vision von der Industrie 4.0 in greifbare Nähe.

Continental ist einer der weltweit größten Produzenten von Zulieferteilen für Pkw und Nutzfahrzeuge. Das Unternehmen entwickelt zukunftsweisende Technologien und Services für nachhaltige und vernetzte Mobilität für Menschen und Güter. Seit seiner Gründung im Jahr 1871 bietet der Automobilzulieferer sichere, effiziente, intelligente und erschwingliche Lösungen für Fahrzeuge, Maschinen, Verkehr und Transport an. Zu seinen Produkten zählen Antriebssysteme für Verbrennungs-, Hybrid- und Elektromotoren, Einspritz-, Fahrwerk- und Bremssysteme sowie innovative elektronische Systeme für vernetzte Fahrzeuge.

Mit über 245.000 Mitarbeitern in 60 Ländern und Märkten der Welt ist Continental ein echtes globales Unternehmen. Der Hersteller machte sich daran, seine Fertigungsprozesse zu standardisieren. Um die Chancen auf dem Gebiet Intelligente Fertigung und Industrie 4.0 zu nutzen, war er vernünftig genug, klein anzufangen.

Ein Testfall für den digitalen Wandel

Eine der Sparten des Unternehmens ist die Herstellung von Luftfedern, die in den Schwingungs­dämpfern für Pkw, Lkw, Schienenfahrzeugen und Industriemaschinen eingesetzt werden. Diese weltweit operierende Sparte dient nun als Testfall für den digitalen Wandel.

Das Projekt wird bei Continental von Hendrik Neumann geleitet. Wie Neumann berichtet, verwendete man in seiner Geschäftseinheit Luftfedern mehrere Fertigungssteuerungssysteme von verschiedenen Herstellern. „Bei uns gab es eine Vielzahl von manuellen Prozessschritten“, erzählt er. „Auch jede Menge Papier und Tabellenkalkulationen. Echtzeit-Einblicke in die Fertigung auf globaler Ebene waren nicht möglich.“

Dieser Zustand wirkte sich auch auf die Stellenbesetzung aus. Die fehlende Unterstützung mehrerer Sprachen erschwerte es, Mitarbeiter flexibel an unterschiedlichen Standorten einzusetzen. Gleichzeitig konkurrierte Continental mit anderen Marktteilnehmern um geeignete, hochqualifizierte Fachkräfte. Etwa bei Ingenieuren mit den nötigen Fähigkeiten, um eine hochgradig unternehmensspezifisch angepasste, heterogene Systemlandschaft instand zu halten und weiterzuentwickeln.

Der Weg zur Smart Factory …

Was Continental suchte, war ein einziges, standardisiertes Fertigungssteuerungssystem mit umfassender Funktionalität. Damit sollten die Produktionsprozesse weltweit digitalisiert werden. Da die Prozesse zwischen den zahlreichen Betriebsstätten und Standorten variieren, brauchte Continental zudem die Möglichkeit, das System flexibel zu konfigurieren, um die Fertigung von Luftfedern von Werk zu Werk unterschiedlich modellieren zu können.

Integration war ein wichtiges Kriterium. „Wir wollten das System mit unserer ERP-Anwendung und der In-Memory-Datenbank integrieren – beide nutzen wir unternehmensweit“, so Neumann. „Wir wussten auch, dass wir mit der Digitalisierung in unserem Bereich einen Drehpunkt zwischen Maschinenintegration und Datentransparenz schaffen würden. Deshalb wollten wir einen bidirektionalen Informationsfluss – von den Maschinen zum System und wieder zurück.“ Das System musste also Technologie für das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) unterstützen, um Sensorendaten von Maschinen verarbeiten und analysieren zu können – und anhand dieser Daten Prozesse automatisieren zu können.

… mit neuem Fertigungssteuerungs­system

Das übergeordnete Ziel ist nichts weniger als die Smart Factory. Neumann spricht hier von Prozessen ohne Papier und Tabellenkalkulationen, Datenvisualisierungen, die aussagekräftige Erkenntnisse ermöglichen, und intuitiven Benutzeroberflächen, die den Schulungsaufwand minimieren. „Wir wollen Kennzahlen, die Auskunft über automatisierte Prozesse geben, damit unsere Teams sich auf andere Aktivitäten konzentrieren können“, erläutert er. „Außerdem wollen wir On-Demand-Analysen realisieren, die in Geschäftsprozesse integriert sind, sodass wir hier und jetzt die richtigen Maßnahmen ergreifen können. Mehr Erkennen und Reagieren, weniger Diskutieren und Planen.“

Klein heißt klein

Das ist eine tragfähige Vision – doch zuerst musste Continental das neue Fertigungssteuerungs­system voranbringen. Continental entschied sich für die Einführung einer Fertigungssteuerungs­anwendung.

Neumann beschloss, die Implementierung von SAP Manufacturing Execution (SAP ME) auf die fünf Standorte zu beschränken, die den Großteil der Produktion bewerkstelligen. Hierzu gehören die Standorte Hannover und Hamburg sowie Werke in Mexiko, Ungarn und der Türkei. Wenn „klein anfangen“ der Leitgedanke für die Implementierung war, dann war Neumanns Team genau auf Kurs. „Zuerst konzentrierten wir uns auf eine einzige Maschine in einem einzigen Produktionsbereich in unserem Werk in Hannover“, erinnert sich Neumann. „Von dort aus gingen wir iterativ vor, indem wir Schritt für Schritt auf erfolgreichen Produktivstarts aufbauten.“

Schließlich war das System auf zahlreichen Maschinen im Einsatz, die einen vollständigen Produktionsprozess für Luftfedern im Werk Hannover überspannten. „Auf der Grundlage unserer Projekterfahrung in Hannover“, so Neumann, „entwickelten wir eine Vorlage für die Implemen­tierung an anderen Standorten.“

In den Werken der Luftfeder-Sparte von Continental werden eine Vielzahl verschiedener Fertigungsprozesse ausgeführt. Deshalb gehen Neumann und sein Team nicht Standort für Standort, sondern Prozess für Prozess vor. „Wenn ein Produktionsbereich auf das neue System umgestellt ist, replizieren wir ihn in den anderen Werken“, erklärt Neumann.

Vorrang für Konfiguration

Ein wichtiges Ziel besteht für Continental darin, die Standard-Codebasis soweit wie möglich beizubehalten. Das trägt zur Vereinfachung bei und ermöglicht die flexible Implementierung von zukünftigen Innovationen, die auf dem Standard basieren.

Wenn es also darum geht, individuellen Anforderungen für einzelne Werke gerecht zu werden (Anforderungen, die etwa mit der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften oder den Besonderheiten von Nischenmärkten zusammenhängen), gibt Continental ganz klar der Konfiguration Vorrang vor dem Customizing.

„Wir haben festgestellt, dass wir in der überwiegenden Mehrheit der Fälle in der Lage sind, den Prozess in der Software zu modellieren“, meint Neumann. „In den seltenen Fällen, in denen wir maßgeschneiderten Code entwickeln mussten, haben wir das nach einer standardisierten Vorgehensweise getan, sodass wir die gleichen Anpassungen in mehreren Werken wieder­verwenden können.“

Standardisierung und Transparenz

Während der Rollout des neuen Fertigungssteuerungssystems noch im Gange ist, wird bei Continental schon die Vision für Industrie 4.0 stärker in den Mittelpunkt gerückt. Die Digitalisierung der Produktion wird nun konsequent vorangetrieben. „IoT-Sensoren vernetzen jetzt unsere Maschinen mit unseren Systemen und Prozessen“, sagt Neumann. „Und das Fundament, auf dem alles aufbaut, sind Standardisierung und Transparenz.“

Standardisierung kann als Synonym für Einfachheit gesehen werden. Durch die Vereinheitlichung von Prozessen an allen Betriebsstätten und Standorten vereinfacht das neue Fertigungs­steuerungs­system komplexe Vorgänge. Somit hilft es, Kosten zu senken. Fertigungslasten können nun einfacher zu anderen Werken verlagert werde. Die Produktivität der Mitarbeiter lässt sich steigern, da diese jetzt rasch und ohne großen Schulungsaufwand zwischen Prozessen (z. B. für Schienenfahrzeuge, Lkw, Busse, Industriemaschinen) wechseln können.

Auch der System-Rollout wurde standardisiert. Dank des auf Vorlagen basierenden Ansatzes wird die Implementierung beschleunigt, da Standardfunktionen in allen Werken eingeführt werden. Individuelle Anforderungen können weiterhin durch flexible Konfiguration berücksichtigt werden. „Unsere Vorlagen sind wie Lego-Steine“, stellt Neumann fest. „Wir entwickeln den Prozess ein einziges Mal und implementieren ihn dann in Bausteinen. Wenn ein Baustein hinzugefügt werden muss, um lokale Anforderungen zu erfüllen – was selten vorkommt – weichen wir dennoch kaum von unserer Linie ab.“

Transparenz kann als Synonym für Einblicke in Daten gesehen werden. Bei Continental spiegelt sich dies in Funktionen für globale Nachverfolgung bis hinunter zum einzelnen Produkt wider. „Wir versehen alle Teile mit gummierten Etiketten“, erklärt Neumann. „Ich kann Ihnen genau sagen, wann das Teil hergestellt wurde, in welchem Werk, aus welchen Materialien und vieles mehr.“

Fertigungssteuerungssysteme versus Tabellenkalkulation

Auch vereinheitlichte Daten tragen zur Transparenz bei. Auf Grundlage einer einzigen, zentralen Datenquelle für die Fertigung kann Continental Daten aus Kennzahlen visualisieren, um Echtzeit-Einblicke in die Vorgänge im Produktionsbereich zu gewinnen. Außerdem können standardisierte Berichte generiert werden – alles direkt im Fertigungssteuerungssystem, ohne das Wirrwarr von Tabellenkalkulationen.

„Tabellenkalkulationen sind wahrscheinlich die Nummer 1 der Fertigungssteuerungssysteme weltweit“, witzelt Neumann, „aber damit werden wir niemals in der Ära der Industrie 4.0 ankommen. Wir haben heute eine zentrale Datenquelle für die Fertigung, anhand der wir Werk für Werk miteinander vergleichen und genau erkennen können, wo wir stehen.“

Nächster Halt Industrie 4.0

Alles in allem ein guter Start in Richtung Industrie 4.0, aber welche Schritte stehen als nächstes für Continental an? Ganz oben auf der Liste: vorausschauendes Qualitätsmanagement. „Mit Funktionen auf Basis von maschinellem Lernen können wir Qualitätsprobleme entdecken, bevor sie sich auf die Produktion auswirken“, bekräftigt Neumann. „Dadurch können wir enorme Mengen an Ressourcen einsparen – und gleichzeitig die Zufriedenheit unserer Kunden mit unseren Produkten steigern.“

Mit solchen Maßnahmen wird Continental auf dem Weg zum intelligenten Unternehmen in der Industrie 4.0 weiterhin in großen Schritten vorankommen. Wenn Sie mehr erfahren möchten, laden Sie die IDC-Studie „Leveraging your intelligent digital supply chain“ herunter und folgen Sie mir unter @howellsrichard.