Robotergesteuerte Prozessautomatisierung kann Unternehmen helfen, Geschäftsbereiche, die sich als krisenanfällig erwiesen haben, zu optimieren.
RPA steht nicht für „Recovery from Pandemic Aftermath“, was so viel heißt wie „Erholung von den Folgen der Pandemie“, aber angesichts des derzeitigen wirtschaftlichen Abschwungs wäre das durchaus eine passende Bezeichnung.
Tatsächlich steht RPA für „robotergesteuerte Prozessautomatisierung“. Laut IDC ist das eine Klasse von Software, die mit erheblichem manuellem Aufwand verbundene Routineaufgaben automatisiert oder erweitert. RPA ahmt Interaktionen zwischen Mensch und Computer mithilfe von Software-Skripten oder -Robotern nach.
Obwohl RPA keine neue Technologie ist, erhielt sie aufgrund der COVID-19-Pandemie und den sichtbar gewordenen Schwächen von Geschäftsprozessen, ganz neue Aufmerksamkeit: „Unternehmen müssen sich immer schneller auf neue Gegebenheiten einstellen und dabei versuchen, den Betrieb am Laufen zu halten“, erklärt Sebastian Schrötel, Vice President of Machine Learning & Intelligent Robotic Process Automation bei der SAP. „RPA bietet eine Möglichkeit, Bedarfsspitzen aufzufangen, Kosten einzusparen und Mitarbeiter zu entlasten, damit sie sich auf wichtigere Aufgaben konzentrieren können.“
Wie sich RPA während der Pandemie nutzen lässt, zeigt auch das Beispiel des Schweizer Kantons Zürich, wo eine Lösung zur Bewältigung einer Flut von Anträgen auf Kurzarbeit implementiert wurde. Die Zahl dieser Anträge war in die Höhe geschossen: von rund zehn auf 30.000 pro Monat. Nach der Einführung einer RPA-Lösung verkürzte sich die Bearbeitungszeit pro Antrag von 25 Minuten auf 20 Sekunden.
Auch abseits der COVID-19-Krise wird RPA von einigen Analysten als Mittel betrachtet, dem durchgängigen weltweiten Rückgang der Produktivitätszuwächse über die letzten 10 Jahre zu begegnen. Laut David Vellante, Chief Analyst beim Analystenhaus Wikibon, werden globale Herausforderungen wie Klimawandel, globaler Wettbewerb, alternde Bevölkerungen und veraltende Infrastruktur, Defizite, Masseneinwanderung, die Erschließung nachhaltiger Lebensmittelquellen und die Gesundheitsversorgung allesamt erhebliche Investitionen in die Automatisierung erforderlich machen. RPA wird dabei eine Rolle spielen.
RPA widersteht Kürzungen der IT-Budgets
Obwohl für 2020 geringere Gesamtausgaben für Technologie prognostiziert werden, ist Vellante bei RPA für dieses Jahr und die Zeit danach optimistisch. „Lösungen für die robotergesteuerte Prozessautomatisierung werden eine der attraktivsten Investitionen für Käufer von Geschäftstechnologie bleiben“, schrieb Vallente kürzlich. Und im Vergleich zu anderen Technologieinvestitionen ist RPA ihm zufolge „der Sektor im Bereich der Unternehmenssoftware, in dem die Ausgabendynamik am höchsten ist – gleichauf mit maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz und mit einem Vorsprung vor Containern und sogar Cloud Computing.“
Auch IDC hat RPA kürzlich im Worldwide Digital Transformation Spending Guide (Mai 2020) als die wichtigste Technologie ausgemacht, in die für die wirtschaftlichen Erholung von der COVID-19-Pandemie investiert werden dürfte. Ein Bereich, in dem die Investitionen in RPA besonders steigen werden, ist die Schadensabwicklung im Versicherungswesen.
Anbieter von Unternehmenssoftware gehen ebenfalls davon aus, dass die Nachfrage nach neuen RPA-Projekten anzieht. Laut der Unternehmensberatung Grand View Research aus San Francisco wurden 2019 mit RPA Erträge in Höhe von 1,4 Mrd. USD erzielt. Für die kommenden fünf bis sieben Jahre geht das Unternehmen von einer Steigerung um 29 bis 41 Prozent aus.
„Die Corona-Pandemie hat die Nachfrage nach RPA angekurbelt“, erzählt Al Hilwa, Senior Director AI/ML/Platform Technology Research bei der SAP. „Viele der Neuinvestitionen werden getätigt, weil jetzt maschinelles Lernen in RPA integriert ist“, meint Hilwa, der auch eine Verlagerung von RPA in die Cloud voraussieht, da das Augenmerk immer mehr auf „unbeaufsichtigte“ RPA gerichtet wird, bei der Roboter eigenständig und vorausschauend arbeiten und nur von Menschen überwacht werden.
RPA wird immer weniger als eigenständige Lösung eingesetzt und zunehmend als Teil eines Spektrums von Tools für die Prozessautomatisierung betrachtet, die am besten zusammen genutzt werden. Zum Beispiel könnte RPA mit Business Process Management (BPM) und Process Mining eingesetzt werden. „Die SAP beobachtet derzeit, dass eine Kombination von RPA und intelligenten Geschäftsprozesstools immer beliebter wird“, berichtet Flat Chen, Head of SAP Intelligent Enterprise Solutions in der Region APAC und Leiter des RPA-Programms der SAP in China. „Das sind zwei Seiten einer Medaille“, erläutert Chen, „denn RPA ergänzt BPM dadurch, dass Kunden Interaktionen zwischen Systemen und zwischen Menschen und Systemen in einem einzigen ausführbaren Workflow kombinieren können.“
„Die intelligente Dokumentenverarbeitung ist eine Schicht, die die meisten RPA-Anbieter mittlerweile anbieten, da sie Funktionen zur Unterstützung von Anwendungsfällen in künstlicher Intelligenz erweitern“, sagt Maureen Fleming, Program Vice President, Integration and Process Automation, IDC. „Die SAP hat einen Service zur Dokumentenverarbeitung, der mit iRPA arbeitet und auch per Workflow, Formular oder eine Integrationskomponente aufrufbar ist – und er funktioniert sehr gut für Geschäftsdokumente, die von SAP-Anwendungen verwaltet werden“, erläutert die Branchenanalystin. Sie untersucht die Produkte und Prozesse, die für die Entwicklung, Integration und Implementierung von Anwendungen in erweiterten Unternehmenssystemen verwendet werden.
RPA lässt sich auch mit Technologien für dialogorientierte künstliche Intelligenz kombinieren, mit denen Absichten in natürlicher Sprache kommuniziert und nachgelagerte Aktionen ausgelöst werden. Angesichts der COVID-19-Regeln, die Unternehmen die persönliche Interaktion erschweren, ist es ungleich wichtiger geworden, Kundeninteraktion und Service zu digitalisieren.
RPA und Cloud ERP – Co-Innovation in China
Für die SAP ist RPA eine sehr wichtige Technologie, um ihr Ziel zu erreichen, ihren Kunden die Leistungsfähigkeit des intelligenten Unternehmens zu erschließen. In weiser Voraussicht rief Jan Gilg, Leiter der Entwicklung für SAP S/4HANA, das ERP-System der nächsten Generation, 2019 die Entwicklungsteams auf, die Entwicklung von Bots zur Priorität zu machen. SAP-Mitarbeiter in China stellen sich der Herausforderung und ernteten kürzlich die Früchte ihrer Arbeit, als REHAU Polymer China im Juni einen RPA-Bot und maschinelles Lernen einführte. Die Anwendung hat die Rechnungsbearbeitung automatisiert und die Prozesse bei REHAU effizienter gemacht.
REHAU ist der erste Kunde in der Region Greater China, der SAP S/4HANA Cloud nutzt, und auch der erste Referenzkunde für SAP Intelligent RPA und die intelligenten Technologiepakete der SAP, die Funktionen für maschinelles Lernen, Verstehen natürlicher Sprache oder auch komplexe Analysen umfassen. Am Co-Innovationsprojekt mit REHAU waren Teams aus drei SAP-Vorstandsbereichen beteiligt: SAP S/4HANA Finance&Risk (SAP Product Engineering), New Ventures & Technologies (Technology and Innovation) und Intelligent Delivery Group Greater China (Customer Success).
Die Mitglieder des Projektteams trainierten ein Modell für maschinelles Lernen, das darauf abzielte, den operativen Finanzprozess in SAP S/4HANA Cloud zu optimieren und zu automatisieren. Dieses Modell erreichte zusammen mit dem RPA-Bot eine größere Genauigkeit als der Bot allein.
Ein Modell für maschinelles Lernen ist nur so gut wie die Daten, mit denen es trainiert wird. Dabei hat jede Trainingsmethode – ob isoliert, zentralisiert oder föderiert – ihre Vor- und Nachteile. Bestimmte Arten von Daten, wie Transaktionsdaten, sind hochsensibel und dürfen in der Regel das Unternehmensnetzwerk nicht für die Entwicklung eines Modells verlassen. Dies macht es schwierig, künstliche Intelligenz für RPA-Lösungen zu nutzen.
„Es ist uns gelungen, beim Trainieren des Modells sensible Daten im Kundensystem zu halten. Wir aggregierten sie in anonymisierter Form, um eine Datenföderation zu erzielen. Mit dieser Methode konnten wir eine höhere Vorhersagegenauigkeit bei dem Modell erreichen“, erzählt Voga Li, Data Scientist bei SAP Labs China.
Das REHAU-Projekt unter Federführung der SAP hat gezeigt, dass föderiertes Training für ERP-Datenbestände geeignet ist und isolierten und zentralisierten Trainingsmodellen bei der Performance in nichts nachsteht, ja, ihnen sogar überlegen ist. „Momentan testen wir ein sofort einsatzbereites ML-Modell für föderiertes Lernen, das wir gemeinsam mit den Kunden, mit denen wir an Innovationen arbeiten, auswerten“, so Li. Seiner Meinung nach ist der Erfolg des Co-Innovationsprojekts der starken Führungsposition von Labs China und der offenen Umgebung, die dort geschaffen wird, zu verdanken.
REHAU nutzt SAP Intelligent RPA seit Januar 2020 produktiv und hat bereits zwei manuelle Prozesse durch die Kombination von KI und RPA ersetzt. Früher brauchte das Unternehmen für die manuelle Bearbeitung von rund 1.000 Buchhaltungsbelegen vier Tage im Monat. Mit einer der Lösungen konnte es diese Zeit auf zehn Minuten reduzieren. In der anderen Lösung liest ein Bot, der SAP Intelligent RPA und maschinelles Lernen in sich vereint, Rechnungen, extrahiert die Informationen daraus und generiert dann automatisch Verbindlichkeiten in SAP S/4HANA Cloud. Momentan kann der Bot 3.000 Rechnungen für Produkte in rund zwei Minuten verarbeiten.
Chengbo Yu, CIO der Region Asien-Pazifik bei REHAU Polymer China, war mit dem Ergebnis zufrieden. „Wir setzten SAP Intelligent RPA ein, um Anwendungsfälle zu automatisieren, die mit viel manuellem Aufwand und Doppelarbeit verbunden waren. Dadurch sparen wir Zeit und vermeiden menschliche Fehler. Und unsere Mitarbeiter haben mehr Zeit für innovative Arbeit“, betont Yu.