Corona hat Deutschland kalt erwischt. Unterstützt von SAP University Alliances haben Hochschuldozenten die Krise aber auch als Chance genutzt, neue digitale Lernformate auszuprobieren.
Von einem Tag auf den anderen war alles anders.
Am 12. März 2020 befand sich Prof. Dr. Helmut Krcmar, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik an der Technischen Universität München (TUM), in Heilbronn, wo die TUM einen neuen Campus aufbaut. Gegen 17:30 Uhr erreichte ihn dort die Nachricht, dass ab dem folgenden Tag in Bayern kein Präsenzunterricht an Hochschulen mehr stattfinden dürfe.
„In Baden-Württemberg dauerte es dann noch bis in die späte Nacht, bis die Pressemeldung online war“, erinnert sich Krcmar später auf der SAP Academic Community Conference an der TU München. „Ab sofort durfte nicht mehr in Präsenz unterrichtet werden. Nur waren da auch alle sofort zu erreichen.“
Der „Testfall Corona“ hat Deutschland in vielen Bereichen kalt erwischt. Deutsche Medien berichteten im Sommer 2020, Deutschland sei weltweites Schlusslicht bei der Umstellung auf digitalen Schulunterricht. Auch für Hochschulen war und ist es eine Herausforderung, lokale Ressourcen und Gegebenheiten in virtuelle Umgebungen zu überführen und dabei die gewohnt hohe Lehrqualität zu gewährleisten.
SAP unterstützt Hochschulen bei der Digitalisierung
SAP stand den Hochschulen bei der Digitalisierung bereits vor der Pandemie zur Seite. Zwei University Competence Centers, die SAP-Lösungen für die Lehre an nahezu 700 Hochschulen hosten, gibt es in Deutschland – eines an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, eines an der TUM. Mit SAP Enable Now steht den Lehrenden ein kostenloses Tool zur Verfügung, um Unterrichtsmaterialien für die virtuelle Lehre zu erstellen. Auch die SAP-Zertifizierung von Studierenden konnte während der Coronakrise viel Zulauf verzeichnen, nicht zuletzt, weil viele Dozenten dieses Angebot in ihren Unterricht eingebettet haben. Mit der SAP New Learning Initiative haben sich über 10.000 Studierende für die offizielle SAP Zertifizierung angemeldet (Blog).
Auf der SAP Academic Community Conference im September zog Krcmar Bilanz: „90 Prozent der UCC-Angebote sind bereits online verfügbar. Die Möglichkeit, diese virtuell zu nutzen, hat die Nachfrage sogar verstärkt.“ Die Krise habe man natürlich nicht vorhersehen können, aber: „Wir waren vorbereitet. Wenn man von einem Standort aus so viele Dozenten versorgt, dann nicht durch Reisen, sondern durch Nutzung digitaler Technologie.“
Wie man mit der veränderten Situation konstruktiv umgeht, musste jeder Dozent für sich beantworten. „Ich wollte Planungssicherheit für meine Studierenden und mich“, sagt Dr. Anke Schüll vom Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Siegen, „aber ich habe die Pandemie auch als Chance begriffen, Dinge einmal anders anpacken zu können“.
So hat Anke Schüll zunächst eine IT-Controlling-Vorlesung binnen vier Wochen digitalisiert. Dazu führte sie keine neuen, zusätzlichen Tools ein, sondern arbeitete mit den technischen Mitteln, die an der Universität Siegen bereits vorhanden waren. „Gemeinsam mit den Studierenden wurde der Weg erarbeitet“, sagt sie. „Ich glaube, wir alle haben das Semester positiv wahrgenommen.
Schnell wurde jedoch klar, dass sich beispielweise Kompaktseminare von achtstündiger Dauer nicht einfach online abhalten ließen, sondern neue Ansätze gebraucht wurden. Für einen solch neuen – die Gamifizierung einer Veranstaltung, die Studierende mit dem SAP ERP-System vertraut macht – wurde Anke Schüll auf der SAP Academic Community Conference ausgezeichnet.
„Der Gamification-Ansatz war und ist ein Experiment“, betont sie. „Die Veranstaltung wäre in jedem Fall als Präsenz gehalten worden. So blieben gerade einmal vier Wochen, um die Inhalte digital zu verpacken.“
Ursprünglich wurde diese ERP-Veranstaltung für Präsenzunterricht in einem Rechenzentrum entwickelt, wo Tutoren bei Bedarf unmittelbar Hilfestellungen geben können. Bei der digitalen Veranstaltung wird zunächst auf Hilfe zur Selbsthilfe gesetzt. Mittels eines Trouble-Shooting-Portals erarbeiten die Studierenden selbst Problemlösungskompetenzen.
Fehler sind dabei nicht nur möglich, sondern als Teil des Lernprozesses einkalkuliert. Anke Schüll sagt: „Ich stelle immer wieder fest, dass Studierende, die Fehler machen, hinterher mehr über das ERP wissen als solche, die auf Anhieb durch die Übung gekommen gekommen sind“, erklärt sie. „Um Souveränität im Umgang mit dem ERP-System zu erlangen, muss man auch Hürden überwunden haben. Hier in der Ausbildung kann man sich nämlich noch leisten, Fehler zu machen und lernt auch, sie zu beheben.“
Auch Thomas Saueressig, Mitglied des Vorstands der SAP SE für SAP Product Engineering, adressierte dieses Thema in seiner gemeinsamen Keynote mit Eva Zauke, SVP, Global Head of SAP Enterprise Adoption, auf der SAP Academic Community Conference: „Aus Misserfolgen kann man sehr viel mitnehmen und entsprechend daraus lernen.“ Gerade in Deutschland werde zu wenig Wert darauf gelegt, dass auch Fehler zum kontinuierlichen Lernen gehören.
Saueressig, der bei SAP die komplette Produktentwicklung aller Geschäftsanwendungen verantwortet, plädierte für eine Kultur, in der es möglich sei, Dinge auszuprobieren, damit auch mal fehlzuschlagen und daraus zu lernen. „In großen Organisationen ist es umso wichtiger, diese Kultur zu schaffen, damit man nicht jeden Fehler zweimal macht.“
Um eine derartige Fehlerkultur zu stärken, hat die SAP unlängst Screw-up-Nights eingeführt, bei denen SAP-Mitarbeiter offen über ihre Fehler berichten und was sie daraus gelernt haben.
Gamification in der digitalen Lehre
Da setzt auch der Gamification-Ansatz von Anke Schüll an: Der Weg führt nicht selbstverständlich zum Ziel, es muss möglich sein zu straucheln. „Es geht darum, ein Gefühl von Kontrolle herzustellen“, sagt sie. Wenn die Studierenden Probleme selbst gelöst bekommen, ohne einen unmittelbaren Ansprechpartner, stärkt das ihre Eigeninitiative und ihr Durchhaltevermögen. Später im Unternehmen wird ihnen auch nicht immer sofort jemand mit Rat und Tat zur Seite stehen. Sie müssen eigene Problemlöse-Kompetenzen entwickeln.“
Saueressig verwies in seiner Keynote auch auf die Bedeutung von sozialen Kompetenzen für einen erfolgreichen Werdegang. „Wissen verändert sich so schnell“, sagte er. „Wir müssen Kompetenzen fördern, gerade solche, die die Grundlage für Innovation bilden. Die Geschwindigkeit des technologischen Fortschritts verlangt lebenslanges Lernen.“
Eine Milliarde Menschen müsse laut dem World Economic Forum innerhalb des nächsten Jahrzehnts weltweit um- oder weiterqualifiziert werden. „In den G20-Ländern könnte ein Versagen bei der Deckung des Qualifikationsbedarfs nach Schätzungen von Accenture ein potenzielles Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 11,5 Billionen Dollar im nächsten Jahrzehnt gefährden“, erklärte Saueressig. „Deshalb ist das Thema digitales Lernen so wichtig.“
Der „Testfall Corona“ hat sicherlich die Schwächen Deutschlands bei der Digitalisierung aufgezeigt, aber auch eine Vielzahl neuer Möglichkeiten geschaffen, wie Prof. Krcmar betonte: „Never waste a good crisis.“