Die Research-Abteilung der Förderbank KfW hat untersucht, wie Deutschland und seine Unternehmen beim Thema KI aufgestellt sind. Ergebnis: Auf der Anbieterseite haben wir Nachholbedarf, dafür gibt es in Deutschland spannende KI-Anwender. Und die machen den Standort interessant für Investoren.
Vor allem der durchschlagende Erfolg von ChatGPT hat der Welt seit 2023 die ungeahnten Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz vor Augen geführt und eine breite Diskussion über die Qualitäten dieses Gamechangers ausgelöst. Vieles verändern kann und wird KI vor allem deshalb, weil sie als Querschnittstechnologie in fast allen Branchen einsetzbar ist und so das Potential hat, die „aggregierte Wohlfahrt“ insgesamt zu steigern – wie die Forscher von KfW Research in ihrer Studie „Künstliche Intelligenz in Deutschland: aktueller Stand, Chancen und Handlungsoptionen der Wirtschaftspolitik“ schreiben.
Darin geht es um die Frage, welche Rolle KI in und für Deutschland spielt und wie unser Land dabei im Vergleich zu anderen dasteht. Um sie zu beantworten, haben die Autoren eine ganze Reihe von deutschen, europaweiten und US-Amerikanischen Untersuchungen ausgewertet.
Sieben Prozent mehr Wachstum durch KI
Die enormen Möglichkeiten und Wirkungen der Technologie sind unstrittig, betonen die KfW-Experten zu Beginn. Unternehmen, die Künstliche Intelligenz nutzen, seien Innovativer als andere. Zudem gingen die meisten Marktbeobachter von enormen Zuwächsen durch KI in den kommenden Jahren aus. Goldmann Sachs zum Beispiel erwarte ein durch Künstliche Intelligenz ausgelöstes zusätzliches globales Wachstum von etwa sieben Prozent und ein jährliches Produktivitätswachstum von 1,5 Prozent in der nächsten Dekade.
Stellt sich die Frage, ob und wie Deutschland in den kommenden Jahren erfolgreicher Teil dieser Erfolgsgeschichte werden kann. Die Antwort darauf ergibt ein gemischtes Bild. Deutschland war – so KfW Research – auf der einen Seite bei digitalen Technologien in den zurückliegenden Jahren keineswegs ein Vorreiter. So liege unser Land bei einer Vielzahl der Indikatoren des von der EU-Kommission entwickelten „DESI 2023 – Dashboard fort he Digital Decade“ lediglich im europäischen Mittelfeld. Das gilt zum Beispiel für die Nutzung von ERP-Systemen oder für die elektronische Rechnungsstellung, reicht über Social Media- und Cloud-Nutzung bis zum Online-Handel.
Auch die Entwicklung digitaler Technologien – und von KI-Lösungen – ist insgesamt bisher keine Stärke der deutschen Volkswirtschaft. Beim Anteil am weltweiten Aufkommen an KI-Patenten liegt Deutschland weit hinter auf diesem Gebiet führenden Ländern wie China oder den USA – so KfW-Research. Und für unseren Außenhandel spiele KI ebenfalls bisher nur eine untergeordnete Rolle.
Viele ausländische KI-Talente zieht es an deutsche Hochschulen
Deutschlands Rückstände sind allerdings aus Sicht der KfW wie gesagt nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen zeigt sich erstens unsere Stärke bei der Erforschung von KI. Dabei sei zwar nicht unbedingt die Anzahl der Publikationen erstklassig, dafür aber ihre Qualität. Was auch daran liege, dass die deutsche Wissenschaft international stark vernetzt sei und viele Spitzenkräfte auf dem Gebiet von KI beheimate. Unter den globalen Top-50-Wissenschaftseinrichtungen für Künstliche Intelligenz befänden sich mehrere deutsche, die TUs in Darmstadt und München gehörten zum Beispiel dazu, das KIT in Karlsruhe oder die Universität Bonn. Ausländische KI-Talente – besonders aus Asien – ziehe es als Studenten und Doktoranden häufig an deutsche Universitäten.
Deutschland hat mehr KI-Anwender als viele andere Länder
Mindestens genauso wichtig und Anlass zur Hoffnung ist die Tatsache, dass KI in hiesigen Unternehmen bereits weit verbreitet ist. Deutschland liege bei diesem Kriterium deutlich vor anderen großen EU-Ländern wie Frankreich, Italien, Spanien, Schweden oder Irland.
Ursächlich dafür ist, dass unsere Unternehmen insgesamt einen hohen Digitalisierungsgrad aufweisen und damit die wichtigste Voraussetzung für den wirklich gewinnbringenden Einsatz von KI erfüllen.
Die hohe KI-Anwenderdichte war auch ein zentraler Grund für eine von Microsoft vor einem Jahr verkündete Mega-Investition. Das Unternehmen wird 3,2 Milliarden in die Hand nehmen, um seine deutschen Rechenzentren für Cloud- und KI-Anwendungen auszubauen und um bis Ende 2025 hierzulande mehr als 1,2 Millionen Menschen im Bereich digitale Kompetenzen weiterzubilden.
Ein Gutteil dieses Geldes fließt nach Nordrhein-Westfalen, ein Bundesland, dass im öffentlichen Bewusstsein nach wie vor mehr mit Strukturproblemen in Verbindung gebracht wird als mit der wichtigsten Technologie des 21. Jahrhunderts. Zu Unrecht: Laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft weist NRW bei generativer KI das höchste Wertschöpfungspotential alles Bundesländer auf.
NRW will zur führenden KI-Region werden
„Von der Kohle zur KI“, so lautete passend dazu der ambitionierte Titel einer „Zukunftskonferenz“ in der Berliner Landesvertretung von NRW am 13. Februar. „Nordrhein-Westfalen geht voran“, so verkündete Ministerpräsident Hendrik Wüst selbstbewusst zur Eröffnung des Events, sein Bundesland habe den Anspruch, „zur führenden Digital- und Quantenregion zu werden.“
Vom Erfolg dieser Bemühungen würde das ganze Land profitieren. KI biete ungeahnte Chancen auf Produktivitätssteigerungen und zusätzliches Wachstum, so noch einmal die Forscher von KfW Research. Außerdem helfe KI Deutschland dabei, seine traditionellen Stärken trotz digitaler Transformation zu behaupten, die Folgen der demografischen Entwicklung zu bewältigen und die Klimaziele zu erreichen. Unterm Strich gibt es aus Sicht der Autoren also fast keinen Bereich unserer Lebenswelt, der sich mithilfe künstlicher Intelligenz nicht (positiv) verändern ließe.