Vor drei Jahren hat SAP den Fintech-Anbieter Taulia aus dem Silicon Valley übernommen. Heute bietet SAP Taulia Kunden riesiges Einsparpotenzial durch bessere Liquidität. SAP-Experte Thomas Mehlkopf erklärt, wie das funktioniert.

Seit Anfang 2022 ist die Akquisition des Fintech-Unternehmens Taulia abgeschlossen. Es bietet Lösungen für Working Capital Management (WCM) und Supply Chain Financing (SCF) sowie ein Netzwerk für Käufer, Lieferanten und Finanzinstitute an (Details dazu siehe Kasten unten). Seit kurzem firmiert das Unternehmen als SAP Taulia.
Thomas Mehlkopf ist Global Chief Revenue Officer Treasury and Working Capital Management bei SAP. Seine Hauptaufgabe besteht darin, die Lösungen in diesen Bereichen erfolgreich an die Kunden zu vermarkten und einzuführen.
Vor gut drei Jahren wurde angekündigt, die Taulia-Produkte in das SAP-Lösungsportfolio zu integrieren. Wie weit sind wir hier?
Seit der Akquisition haben wir drei große Themen gemäß der SAP Business Suite vorangetrieben: Erstens die Integration von Taulia ins SAP Business Network. Dies bedeutet, Lieferanten und Kunden, die beide SAP Taulia-Kunden sind, können frühzeitig Zahlungen erhalten und ihre eigenen Kundenrechnungen über das SAP Business Network finanzieren.
Zweitens haben wir an der Integration in die SAP S/4HANA Public Cloud gearbeitet. Taulia ist seit Februar 2025 sowohl für Receivables Financing als auch für Payables Financing in die Public Cloud integriert. Dies ist besonders relevant für mittelständische Unternehmen, die wachsen möchten und dafür frühzeitig Liquidität benötigen. Der Fokus liegt derzeit auf den Märkten USA, Kanada, UK, DACH und Singapur, mit dem Ziel, diese Funktionalität zeitnah auch in weiteren Ländern bereitzustellen.
Drittens ist SAP Taulia mit der Virtual-Card-Lösung in SAP Ariba eingebettet, was es Kunden ermöglicht, Lieferanten frühzeitig zu bezahlen, sogar bevor sie eine Rechnung gestellt haben, was als „Pay on Purchase Order“ bezeichnet wird. Das stellt die Liquidität der Lieferanten und damit die Ausführung des Auftrags sicher.
Ihr hattet damals betont, dass Taulia Wachstumschancen für SAP und die Kunden bietet. Wie erfolgreich ist SAP Taulia?
SAP Taulia hat bereits einige Kunden, die über die Plattform Milliarden-Beträge finanzieren, und somit ihre eigene Liquidität als auch die Liquidität ihrer Lieferanten verbessern. Das Ziel meines Teams ist es, deren Anzahl zu erhöhen und weiter zu skalieren. Hier sind wir auf einem guten Weg. Innerhalb der letzten drei Jahre ist das Volumen, das wir über die Plattform finanzieren können, von 500 Milliarden auf 800 Milliarden Euro jährlich gewachsen.
Davon profitieren die Kunden: Ein großes Unternehmen aus der Öl- und Gasindustrie hat innerhalb eines Monats nach dem Go-Live fast 700.000 Euro eingespart. Wenn wir das hochrechnen auf zwölf Monate, sind wir bei fast 8 Millionen Euro Einsparung pro Jahr für dieses Unternehmen. Der Business Case für die Kunden ist also definitiv vorhanden.
Auf der Kundenkonferenz Sapphire wurde ein erster KI-Anwendungsfall vorgestellt. Können Sie den Nutzen für Unternehmen erläutern?
Der AI-Use Case bezieht sich auf unseren Ansatz „Insight to Action“. Er hilft dabei, die Liquidität zu planen und zu verbessern. Taulia nutzt schon länger künstliche Intelligenz, um das Verhalten von Lieferanten in Bezug auf frühzeitige Zahlungen vorherzusagen.
Es gibt eine App auf der SAP Business Technology Platform, die Transparenz über den freien Kapitalfluss ermöglicht. Basierend auf dieser Transparenz gibt der KI-Anwendungsfall dem Kunden zukünftig Tipps, wie er seinen Free Cash Flow weiter verbessern kann und spielt verschiedene Szenarien durch, um seinen Einfluss auf diesen zu zeigen. Dies ist insbesondere für Finanzvorstände ein großes Thema, gerade in unsicheren Zeiten.
Welche weiteren Neuheiten gibt es?
Neben der oben erwähnten Neuerung ist eine weitere wichtige, dass SAP Taulia nun Teil der Transformation Packages ist, sowohl in der Public Cloud (Finance Base und Finance Premium) als auch in dem Cloud ERP Package. Dies ermöglicht es uns, den Kunden rasch den positiven Business Case für ihre Transformation zu zeigen, indem sie SAP Taulia nutzen, um den Cashflow zu verbessern und Einsparungen zu generieren.
Krisen, Zölle, unsichere Lieferketten: Warum sind die Lösungen von SAP Taulia gerade jetzt so wichtig für die Liquidität von Unternehmen?
Cash ist weiterhin King, gerade in Krisenzeiten. Ein Artikel im Handelsblatt berichtete kürzlich, dass die Nettoschulden der 40 DAX-Konzerne um 8 Prozent auf 227 Milliarden Euro gestiegen sind. Dies zeigt, dass Finanzierung ein großes Thema ist, besonders da die Zinsen seit Corona deutlich gestiegen sind.
Viele Unternehmen haben sich während der Niedrigzinsphase finanziert und müssen sich nun zu höheren Zinsen refinanzieren, was enormen Druck auf die Finanzabteilungen ausübt. Hier kann SAP Taulia helfen, indem wir Unternehmen finanzieren.
Das Thema Zölle hat Auswirkungen auf die Lieferketten. In diesem Zusammenhang ist Liquiditäts- und Szenarioplanung enorm wichtig. Unternehmen müssen sich fragen, wo sie in Zukunft produzieren, welche Auswirkungen das auf den Umsatz hat und wie sie SAP Taulia nutzen können, um ihre Liquidität zu verbessern.
Welche Referenzkunden profitieren schon davon?
Taulias Kunden umfassen Henkel, Airbus, Nissan, AstraZeneca, Kimberly-Clark und Bridgestone. Ein Kunde hat seit Beginn des Programms frühzeitige Zahlungen an Lieferanten in Höhe von über 5 Milliarden Euro ermöglicht, was zu einer Verbesserung des Cashflows von über 1 Milliarde Euro in diesem Zeitraum geführt hat.
Euer Versprechen ist „to create the future of finance together”. Was bedeutet das?
Es bedeutet, dass SAP und SAP Taulia gemeinsam mit ihren Partnern und Kunden die Zukunft des Finanzwesens gestalten wollen. Dies umfasst die Zusammenarbeit mit Banken und Implementierungspartnern sowie die Integration von SAP Taulia in verschiedene SAP-Lösungen. Wir bieten den Kunden ein umfassendes Portfolio von Treasury- und Working-Capital-Lösungen, das von Payments über Cash Management bis hin zu Finanzrisikomanagement reicht.
Ein wichtiger Aspekt auf unserer Roadmap ist unser Treasury- und Payment-Portfolio, das Themen wie Digital Currencies und Future of Payments umfasst. Wir arbeiten daran, neue Technologien wie Blockchain und digitale Währungen zu integrieren, um unseren Kunden innovative Zahlungs- und Finanzlösungen anzubieten.
SAP Taulia im Überblick
Die SAP hat am 9. März 2022 die Akquisition von Taulia abgeschlossen, einem marktführenden Fintech-Unternehmen in den Bereichen Working Capital Management (WCM) und Supply Chain Financing (SCF). Es bietet ein Netzwerk für Käufer, Lieferanten und Finanzinstitute.
Working Capital Management zielt darauf ab, die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens zu sichern und zu optimieren. Es hilft ihnen, ihr Umlaufvermögen effektiv zu nutzen und einen ausreichenden Cashflow aufrechtzuerhalten, um so kurzfristige Ziele und Verpflichtungen zu erfüllen.
Durch ein effektives Management des Betriebskapitals (Working Capital) können Unternehmen Barmittel freisetzen, die sonst in ihren Bilanzen gebunden wären. So können sie den Bedarf an externen Krediten verringern, ihr Geschäft ausweiten, Fusionen oder Übernahmen finanzieren oder in Forschung und Entwicklung investieren.
Im Vergleich zu anderen Methoden der Liquiditätsbeschaffung ist das Working Capital Management für Unternehmen besonders vorteilhaft, da es direkt mit den Forderungen beziehungsweise Verbindlichkeiten zwischen Käufern und Lieferanten verbunden ist. Insbesondere kleinere Lieferanten profitieren von attraktiven Zinskonditionen, um eine Finanzierungslücke zu verhindern. Partnerbanken, die dem Lieferanten Kredite zu den Konditionen des Großunternehmens zur Verfügung stellen, ermöglichen dies. Das stärkt die Käufer-Lieferanten-Beziehung und generiert finanzielle Vorteile für beide Partner.



