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Zusammen mit acht weiteren Firmen hat sich die SAP mit dem German Agile Auditing Network (GAAN) auf die Mission begeben, Branchenstandards in Agilität zu setzen und agile Verfahren in der Revision, sogenanntes Agile Auditing, zu etablieren.

Corporate Audit? Was war das nochmal gleich? Jede Aktiengesellschaft hat sie, die unabhängige und objektive Stabstelle – also eine Audit-Abteilung, die Prüfungen und Beratungen über alle Unternehmensbereiche hinweg durchführt um dabei die Effektivität, Effizienz und Compliance von Geschäftsprozessen und Projekten oder auch die Erreichung strategischer Ziele zu bewerten. Damit dies alles in Zukunft besser und flexibler geht, haben die Audit-Abteilungen von SAP und der Commerzbank das German Agile Auditing Network (GAAN) gegründet. Zusammen mit acht anderen deutschen Konzernen sind sie Vorreiter in der Anwendung von Agile Auditing und haben große Pläne.

Auditieren ist ohne Frage eine schwierige Aufgabe, denn die Konsequenzen für die wirtschaftliche Lage und den Ruf des Unternehmens können verheerend sein, wenn Missstände nicht rechtzeitig aufgedeckt und behoben werden. Ein Mitarbeiter, der sich von Kunden mit großen Geldgeschenken bestechen lässt, Vetternwirtschaft oder teure Investitionen, die sich nicht auszahlen und Strategieziele, die nicht erreicht werden – all das kann schwerwiegende finanzielle oder rechtliche Folgen nach sich ziehen. Die Audit-Abteilung überprüft daher die Einhaltung von (gesetzlichen) Vorgaben und Unternehmenszielen, prüft und verbessert die Effektivität von Business-Strategien, verhindert Reputationsschäden, Strafzahlungen oder strafrechtliche Vorwürfe.

„Business Agility“ ist das neue Schlagwort – und es war wert, dass wir 2017 den Weg in das agile Auditieren gefunden haben. Um aber das Momentum im Markt als auch die Erfahrung anderer Unternehmen mit agilen Verfahren zu bündeln, ist GAAN genau der richtige Ansatz. So schaffen wir „Good Practices“ im Austausch untereinander und ganz nebenbei auch einen neuen Lernansatz für unsere Mitarbeiter. Unsere Vision ist die Etablierung von agilen Standardverfahren für die Audit-Industrie weltweit.

Evelyn Taylor leitet das SAP Corporate Audit Operations Team und führt das erfolgreiche Mitarbeiter-Entwicklungsprogramm „Talent Rotation Program“.

Auditing ist nicht gleich Auditing – agil muss es sein

Eine solch verantwortungsvolle Aufgabe verlangt nach einer gut organisierten Arbeitsweise und so ist die branchenübliche Auditing-Praxis bisher geprägt von hierarchischen Strukturen und einer strengen Projekt-Taktung. Das bedeutet aber auch: Einzelarbeit verhindert vernetztes Arbeiten und starre Prozesse blockieren die Flexibilität. Doch wie beugt man vor, dass Themen durch eine mangelnde Abstimmung in verschiedenen Teams bearbeitet werden, weil Unterthemen zwar auf bestimmte Auditoren verteilt sind, aber einzelne Punkte vermeintlich zu mehreren Unterthemen gehören und dann unwissentlich mehrfach evaluiert werden?  Auch unflexible Prozesse können der Effizienz im Weg stehen , wie der unerwartete Ausfall eines Mitarbeiters, dessen bisheriger Arbeitsstand von allen anderen Auditoren nicht überschaubar ist und somit viel Zeit vergeht bis daran angeknüpft werden kann. Wie können solche Hindernisse überwunden werden? Wie kann man verhindern, dass ein Prüfprogramm und daraus bereits geleistete Arbeit völlig für die Tonne ist, weil sich das Umfeld verändert? Mit mehr Schwung!

Julia Schleicher, Corporate Audit Agile Coach bei SAP, erklärt, woher die Idee zu einer neuen Arbeitsmethode und der Gründung des Networks kam: „Agilität ist derzeit nicht nur ein Thema in der Entwicklung, sondern soll mit Agile Auditing auch in der Revision eingeführt werden. Die Idee dahinter ist einfach: Bereits erprobte agile Methoden aus der Softwareentwicklung oder der Automobilproduktion werden auf den Revisionskontext übertragen. Bislang gibt es allerdings nur theoretische Konzepte dazu, eine konkrete Anleitung wie Scrum, Kanban & Co. in einer Revisionsabteilung angewandt werden können, gibt es noch nicht. Aus diesem Grund sind derzeit Revisionsabteilungen dabei, genau diesen anfangs sehr aufwändigen Transfer für sich selbst zu leisten. Schleicher erläutert: „Wir haben das ebenfalls für die Audit-Abteilung der SAP gemacht und wollen nun unsere sowie die Erfahrungen anderer Revisionsabteilungen zusammenbringen. Das Rad muss ja nicht in jeder Revisionsabteilung, die agil werden möchte, neu erfunden werden.“

German Agile Auditing Network: Branchenstandards für die Revision entwickeln

Die Audit-Abteilungen der Commerzbank und der SAP haben sich daher für das Projekt German Agile Auditing Network (GAAN) entschieden. 2018 gegründet, hat das Netzwerk zum Ziel in Zusammenarbeit mit vorerst acht anderen in Deutschland ansässigen Firmen neue Branchenstandards zu setzen und Agile Auditing zu etablieren. Dabei handelt es sich nicht nur um die Befolgung einer bestimmten Abfolge verschiedener Tätigkeiten, sondern vielmehr um das Mindset, das nötig ist um Agilität leben zu können. Mit dabei sind außer den beiden Gründern, unter anderem, die Audit-Abteilungen von Allianz, Deloitte, Fiducia & GAD und ProSiebenSat.1.

Alle beteiligten Firmen haben vor nicht allzu langer Zeit Agile Auditing eingeführt und tauschen sich untereinander regelmäßig über ihre Erfahrungswerte aus:  Was funktioniert gut, aus welchen Situationen ergeben sich Probleme, wie können Prozesse noch für die Revisionsarbeit angepasst werden? Die jeweilige Organisationsstruktur eines Unternehmens und seiner Revision spielt eine tragende Rolle bei dem Wandel zu Agile Auditing. Aus diesem Grund bleibt es innerhalb des Netzwerks nicht nur ausschließlich beim reinen Erfahrungsaustausch. Einzelne Techniken/Maßnahmen werden unter den Mitgliedern verprobt. Denn was bei dem einen prima funktioniert, kann sich bei dem anderen als Herausforderung gestalten. Gegenseitig profitieren alle Network-Mitglieder vom Lernprozess der Anderen und formulieren so auch zusammen schrittweise Standards aus Prozessen und Verhalten, die sich als bewährt erwiesen haben. Denn ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess ist grundlegend für agiles Arbeiten.

Die „Kanban“-Methode bei SAP Corporate Audit

„Kanban“ nennt sich die agile Methode des Projektmanagements, die von der Audit-Abteilung bei SAP angewandt wird. Ursprünglich aus der Automobilbranche stammend, hat sich die Methode bereits in der Softwareentwicklung etabliert. Bei SAP Corporate Audit steht ein Wandboard im Mittelpunkt, das von jedem Team individuell ihren Bedürfnissen entsprechend gestaltet wird und alle nötigen Schritte bis zur Fertigstellung des Audits sowie Verantwortlichkeiten abbildet und Ausgangspunkt für dies tägliche Abstimmung im „Daily“  ist.

Das „Kanban“-Board sorgt für Transparenz unabhängig vom täglichen Austausch, klare Verantwortlichkeiten und unterstützt die Zusammenarbeit unter den Auditoren.

Torsten Wichmann, Auditor im Team Information Technology & Security Audit, sagt zur neuen Arbeitsmethode: „Wir sind im Auditteam schon immer nach einem vorher festgelegten Programm vorgegangen und haben Status und Ablauf regelmäßig besprochen. Aber die Kanban-Methode zwingt einen noch mehr zu strukturierter Vorgehensweise und täglicher Abstimmung. Dadurch bleibt der aktuelle Status zu parallel laufenden Tätigkeiten im Audit transparenter für das gesamte Auditteam. Das Kanban-Board dient als verlässliche Rückkontrolle der bereits erledigten und noch offenen Aufgaben.“

Martin Sacher, Auditor im Team Operational & Compliance Audit EMEA erläutert weitere Vorteile des Agilen Auditierens: „Eine regelmäßige Meetingstruktur stellt eine ausreichende Abstimmung innerhalb des Auditteams sicher. Die obligatorischen täglichen Statusmeetings erhöhen insbesondere bei Auditteams, die auf mehrere Standorte verteilt sind, die Transparenz und beugen Doppelarbeit und Unklarheiten bei der Ausführung des Audits vor.“

Ersten Treffen der GAAN-Mitglieder

Diese Erkenntnisse möchten die SAP-Auditoren mit den anderen Teilnehmern des GAAN-Verbunds besprechen, die Ideen weiterentwickeln und gemeinsam Konzepte erstellen. Das Setzen der Branchenstandards in Agilität und die Etablierung des Agile Auditings dabei eine Mission, auf die die Mitglieder sich begeben um ihre Vision „über Transparenz Mehrwerte im Unternehmen zu schaffen“ zu verwirklichen. Aus diesem Grund laden die Gründer des Netzwerks, die Revisionen von Commerzbank und SAP, die Mitglieder am 20. Februar zum Kick-Off bei der Commerzbank in Frankfurt ein.

Dieses Treffen wird das Fundament für die weitere Arbeit zur Erfüllung der Vision bilden. Denn anders als branchenüblich geschieht die Zusammenarbeit nicht im Rahmen eines Arbeitskreises, sondern als eigenständiges auf drei Jahre angesetztes Projekt. Das Kick-Off dient neben dem persönlichen Kennenlernen der Teilnehmer vor allem der gemeinsamen Definition zum weiteren Vorgehen: es werden zu erarbeitende Themenbereiche identifiziert und priorisiert, sowie der Modus Operandi zur Bearbeitung festgelegt.

Wie von den Agilisten der Softwareentwicklung vorgelebt, steht auch die Einigung auf Grundprinzipien, beispielsweise zur Sicherung des Informationsflusses und erfolgreichen Zusammenarbeit auf der Tagesordnung. Das Resultat wird in einem Manifest, als Grundstein für die Branchenstandards im Agile Auditing festgehalten und von den GAAN Mitgliedern unterzeichnet.