Politik und Wirtschaft müssen die Digitalisierung gemeinsam vorantreiben, so der Tenor der Veranstaltung zu Industrie 4.0 in Walldorf.
Prominentester Gast des SAP-Industrie-4.0-Gipfels war Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, der nach einer Führung durch das neue Rechenzentrum (WDF 51) der SAP ausdrücklich dafür dankte, dass sie hier in Deutschland „modernste Technologie zur Verfügung stellt“. Gerade im Wettbewerb mit Unternehmen in China und Nordamerika benötigten Deutschland und Europa starke Player, die bei Themen wie Cloud und Dateninfrastruktur an der Spitze mitmarschierten.
In seiner vieldiskutierten „Nationalen Industriestrategie 2030“, die das Bundeswirtschaftsministerium im Februar dieses Jahres vorgestellt hat, fordert Altmaier unter anderem technologische Souveränität, „damit unser Datenschutzrecht auch umgesetzt werden kann“, so der Minister in Walldorf. SAP-Vorstandsmitglied Christian Klein (Leiter Intelligent Enterprise Group und Chief Operating Officer) bestätigte in seiner Rede einen steigenden Bedarf von Unternehmen, Daten und Prozesse in die Cloud zu verlagern. Mit dem neuen Rechenzentrum in Deutschland wolle die SAP den Kunden anbieten, ihre Daten – falls gewünscht – hier zu speichern und zu verwalten. Diese Flexibilität sei „ein klarer Vorteil gegenüber asiatischen und amerikanischen Wettbewerbern“.
IoT bringt IT und Maschinen zusammen
Der Besuch des Bundeswirtschaftsministers war schon lange geplant, ließ sich aber erst jetzt realisieren. Zusammen mit weiteren Unternehmen arbeitet die SAP in der Initiative „Plattform Industrie 4.0“ mit der Regierung zusammen.
Industrie 4.0 bringe IT und Maschinen zusammen, so der Bundeswirtschaftsminister in seinem Vortrag. Beispielsweise könne ein „handgenähtes“ Qualitätsoberhemd bald von einem Roboter produziert werden – und das ohne Qualitätsverlust. „Massenproduktion in Losgröße 1“ sei kein Problem mehr. Selbst das Ikea-Regal „Billy“ könne man in naher Zukunft in vielen Größen und Farben erhalten, meinte Altmaier scherzhaft.
Als Fachminister für Wirtschaftsfragen treibt ihn die Frage um, in welchen Schlüsselbranchen Deutschland und Europa künftig noch vertreten sein werden. Im Augenblick betrage der Anteil der industriellen Wertschöpfung in Deutschland etwa 23 Prozent. Und morgen? Zwar seien deutsche Forscher bei Themen wie Künstliche Intelligenz (KI) stark gefragt – doch wer bringt welche Innovationen in Zukunft wo auf die Straße? Man dürfe solche Entwicklungen nicht verschlafen, damit man nicht zur „verlängerten Werkbank der Anderen werde“, hatte Altmaier bereits im Februar gesagt.
Er habe mit seiner Strategievorlage Denkanstöße geben und eine Diskussion um Wirtschaftspolitik anregen wollen, meinte der Wirtschaftsminister. Zwar habe Deutschland mit seinem Ingenieurs-Knowhow und als starke Exportnation eine gute Ausgangsposition; Altmaier betonte in Walldorf aber auch: „Wir leben auf einem hohen Niveau, aber ein Stück weit auch von der Substanz.“
Industrie 4.0: eine Standortbestimmung
Wie es um das Innovationsniveau in Deutschlands Industrie augenblicklich bestellt ist, konnten Medienvertreter und geladene Gäste in einer anschließenden Podiumsdiskussion erfahren. Unter der Leitung von SAP-Kommunikationschefin Nicola Leske diskutierten Spitzenmanager deutscher Technologieunternehmen (Produktvorstand Dr. Frank Melzer – Festo, CEO Dr. Gunther Kegel – Pepperl+Fuchs, COO Johann Soder – SEW-Eurodrive, CEO Peter Mohnen – KUKA) zusammen mit Christian Klein die „Technologielage“ der Nation.
Die Kernbotschaften:
- Auf dem Weg zur Industrie 4.0 müssen Unternehmen ihre Mitarbeiter mitnehmen und in deren Weiterbildung investieren.
- In den Schulen und Universitäten muss mehr getan werden, um den IT-Fachkräftemangel erfolgreich entgegenzuwirken.
- Unternehmen brauchen Mut zur Veränderung; sie müssen Risiken eingehen und sich manchmal sogar neu erfinden. Führungskräfte müssen diese Kultur vorleben.
- Um im Rahmen der Industrie 4.0 eine globale Interoperabilität zu erreichen, braucht es gemeinsame Standards und eine einheitliche Semantik.
- Deutschland ist bei Industrie 4.0 konzeptionell führend, in der Umsetzung aber nicht schnell genug. Das gilt insbesondere für Bereiche wie KI und Robotics.
- Industrie 4.0 kann helfen, nachhaltiger zu produzieren.
Es liegt also noch viel Arbeit vor uns, aber es besteht kein Grund zu Panik. Angesichts der Aufbauleistung der Deutschen nach dem zweiten Weltkrieg, ihrer Reformfähigkeit und der gut ausgebildeten Arbeitnehmerschaft – so Altmaier – ist der Bundeswirtschaftsminister optimistisch. An die Adresse der SAP und ihrer Gäste gerichtet, sagte er: „Dieses Land muss sich vor den Veränderungen weniger fürchten als andere. Wir müssen nur handeln. Und das Richtige tun. (…) Deshalb brauchen wir Sie.“
Industrie 4.0 live
In einem gemeinsamen Auftritt mit KUKA-Manager Reinhold Stammeier (Chief Digital Officer) stellte Hala Zeine (President Digital Supply Chain, SAP) vor, wie der Augsburger Roboterhersteller modulare Komponenten verschiedener Lieferanten nutzt, um eine digitale Fertigung zu realisieren. Dabei kooperiert KUKA mit Partnern der „Open Industry 4.0 Alliance“, die auf der diesjährigen Hannover-Messe angekündigt wurde.