Experten aus unterschiedlichsten Bereichen haben sich zusammengeschlossen, um gemeinsam eines der größten Umweltprobleme unseres Planeten anzugehen: die Verschmutzung der Ozeane durch Plastikmüll.
„Mit meiner Musik möchte ich den gegenwärtigen Zustand unserer Weltmeere zum Ausdruck bringen“, erklärt Garth Stevenson. Der kanadischer Filmkomponist nahm kürzlich am Ocean Plastics Leadership Summit im Nordatlantik teil. „Die Musik soll die Zerstörung und die Dringlichkeit unterstreichen. Der Öffentlichkeit und den Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, jedoch ein Gefühl der Hoffnung vermitteln, dass wir Lösungen finden werden, damit wir zukünftigen Generationen gesündere Ozeane hinterlassen können.“
Für Stevenson als Musiker ist vor allem eine Fähigkeit wichtig: Musikern, mit denen man zusammenarbeitet, genau zuzuhören. Ein Musiker, der auf seinem Instrument ein Virtuose ist, jedoch anderen nicht gut zuhören kann, ist nur sehr eingeschränkt in der Lage, sich weiterzuentwickeln und neue Ideen umzusetzen.
Im Mai versammelten sich Führungskräfte und hochkarätige Experten, allesamt echte Virtuosen in ihrem Bereich, an Bord eines Schiffes beim Ocean Plastics Leadership Summit.
An Bord des Ocean Plastics Leadership Summit
An Bord des Expeditionsschiffes waren Führungskräfte von Unternehmen wie HPE, GE und Colgate-Palmoliv. Außerdem drei der fünf größten Konsumgüterhersteller der Welt: Nestlé (Nr. 1), Procter & Gamble (Nr. 2) und Coca-Cola (Nr. 4). Mit Berry Global, Sealed Air und Novolex waren auch drei der weltweit größten Verpackungshersteller vertreten. Letztere erzielen allein ein Gesamtjahresumsatz von 15 Mrd. US-Dollar.
John Hocevar, Ocean Campaign Director bei Greenpeace, berichtet: „Die Menschen auf diesem Schiff vertreten Unternehmen, die für einen sehr großen Teil des Plastikabdrucks auf dieser Erde verantwortlich sind. Wir haben also die Leute hier versammelt, die das Problem wirklich lösen können.“ Seine zentrale Frage zum Problem mit dem Kunststoff ist, ob Unternehmen und Regierungen erkennen, dass wir es nicht allein durch Recycling lösen können. Es müsste ernsthaft Plastikmüll vermieden werden. „Wir können nicht weiter jedes Jahr Billionen von Gegenständen herstellen, die wir einmal benutzen und dann wegwerfen – aus Material, das ewig hält“, betont er.
Die Vertreter führender Unternehmen setzten sich also gemeinsam mit Wissenschaftlern, Visionären, Vordenkern und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zusammen um Lösungen zu entwickeln. Während der viertägigen Expedition wurde schnell klar: Das Problem mit dem Plastikmüll lässt sich nicht im Alleingang aus der Welt schaffen. Eine Lösung erfordert Partnerschaften und gemeinsame Anstrengungen, bei denen viele unterschiedliche Sichtweisen berücksichtigt werden. „Am meisten hat mich an dieser Gruppe beeindruckt, dass sie einander so intensiv zuhörten wie professionelle Musiker“, erklärt Stevenson.
Plastikmüll aus sieben Flüssen
Deshalb gibt es durchaus Hoffnung, dass sich das Ausmaß der Plastikverschmutzung in den Ozeanen innerhalb von zehn Jahren auf das Niveau der 1990er-Jahre reduzieren lässt. Ein Großteil des Plastikmülls gelangt über sieben Flüsse in Asien in die Meere und sammelt sich auf seiner Reise um die Welt in fünf riesigen Ozeanwirbeln. Würde man das Material, das in diese Flüsse gelangt, nur um 20 Prozent jährlich verringern, wäre damit ein großer Schritt getan.
Ein Lösungsansatz besteht darin, den Anwohnern dieser Flüsse die nötige Infrastruktur für die Sammlung und den Verkauf des Plastiks zur Verfügung zu stellen, damit es wiederverwertet und den Lieferketten der Hersteller zugeführt werden kann. So ließe sich der Plastikanteil in den Weltmeeren um 80 Prozent verringern.
Alle Akteure auf einem Schiff versammelt
Der Ocean Plastics Leadership Summit ist eine Logistikketten-Kooperation, die aus einer Idee von Dave Ford, CEO und Gründer von SoulBuffalo, entstanden ist. SoulBuffalo bringt Führungskräfte, Visionäre und Innovatoren zusammen, um gemeinsam Lösungen für die großen Umweltprobleme unseres Planeten zu entwickeln.
„Partnerschaften haben entscheidend zur Verwirklichung des Projekts beigetragen“, erklärt Dave Ford. Mithilfe von SAP und Dow Chemicals wurde die Expedition realisiert. Hierbei kamen die Mediensponsoren National Geographic und Outside Magazine, Entwicklerteams von Hatch, Ideo, dem Meridian Institute und Resilience in Action zusammen. Außerdem nahmen Regierungsvertreter von Bermuda und wissenschaftliche Einrichtungen wie One Ocean und 5 Gyres mit Nichtregierungsorganisationen und Managern teil.
Die Idee, eine gesamte Wertschöpfungskette zusammenzubringen, um ein Problem wie die Plastikverschmutzung der Ozeane gemeinschaftlich zu lösen, kam Dave Ford bei einem Gespräch mit Jim Sullivan, Leiter des Global Sustainability Innovation Accelerator bei SAP, und Jeff Wooster, Global Sustainability Director bei Dow Chemicals. Sie waren der Ansicht, dass sich Veränderungen in großem Maßstab schneller anstoßen lassen, wenn sich alle Akteure an einen Tisch setzen. Als ein Schiff namens Resolute für die Expedition zur Verfügung stand, konnte es losgehen.
„Ryan Holidays ,Das Hindernis ist der Weg‘ wurde zu meinem Lieblingsbuch“, erzählt Dave Ford in Anspielung auf den immensen Aufwand, der nötig war, um den Summit zu realisieren. „Die 20 weltgrößten Abnehmer und Hersteller von Plastik waren mit an Bord. Allerdings erteilten uns auch mehr als 50 Fortune-500-Unternehmen aus unterschiedlichsten Gründen eine Absage.“
Manche Unternehmen scheuten das Risiko, mit einer Veranstaltung, wie es sie bislang noch nie gegeben hatte, in Verbindung gebracht zu werden. Anderen war die Medienpräsenz an Bord zu viel, und wieder andere hatten aufgrund der Teilnahme von Aktivistengruppen wie Greenpeace Bedenken.
Greenpeace mit an Board
„Viele Unternehmen lehnten ab, als sie erfuhren, dass auch Greenpeace dabei sein würde; andere hingegen machten gerade wegen der Teilnahme von Aktivisten von Nichtregierungsorganisationen mit“, so Dave Ford. „Wir glauben, dass der Summit durch die Mitwirkung dieser Aktivisten an Authentizität gewonnen hat. Damit die Expedition wirklich authentisch wird, mussten alle Sichtweisen vertreten sein – von der Industrie bis hin zum Umweltschutz.“
Das schwimmende Design-Lab hatte ein umfangreiches Programm zu absolvieren. Am ersten Tag befassten sich die Teilnehmer mit der aktuellen Situation in der Plastik-Lieferkette, um sich ein Bild von den Zusammenhängen zu machen. Tags darauf ging es darum, durch Partnerschaften und neue Verbindungen Zielvorgaben festzulegen. Der Dritte und letzte Tag wurde genutzt um den weiteren Kurs, mit wichtigen Maßnahmen sowie persönlichen und unternehmerischen Verpflichtungen, zu definieren.
In Teams arbeiteten die Teilnehmer an zentralen Konzepten. Hierzu gehörten beispielsweise die Entwicklung einer Datenbank, in der Daten zum branchenübergreifenden Einsatz von Plastik erfasst werden, die Vermeidung nicht notwendiger Einwegprodukte aus Plastik, die Reduzierung von Plastikverpackungen, Abfallvermeidung im Einzelhandel, chemisches Recycling, die Wiederverwertung von Kleinverpackungen, das Management von Materialkreisläufen, die kommunale Abfallverwertung und neue Märkte für Plastik.
Die verschiedenen Akteure hörten einander zu und diskutierten rege.
Konkrete Lösungsvorschläge, um Plastikmüll zu vermeiden
Der Summit schloss mit wichtigen Zusagen, die zum Teil erhebliche Auswirkungen haben könnten:
- Einige der größten Plastikhersteller und ‑händler verpflichteten sich, bis spätestens 2030 in ihren Produkten 50 Prozent recycelten Kunststoff zu verwenden.
- Führende Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen bildeten eine Koalition, um auch Einzelhändler dazu zu bewegen, einen Beitrag zur Vermeidung von Abfall durch Plastikverpackungen zu leisten.
- Eine Gruppe aus 20 Unternehmen, Herstellern, Recyclingfirmen und Nichtregierungsorganisationen, darunter auch die Weltbank, befasst sich mit der Entwicklung einer Wirtschaftspolitik, die Anreize für die Verwendung von Altplastik schafft.
- Müllsammler-Organisationen schließen sich auf weltweiter Ebene zusammen.
Auch Dow Chemicals und SAP engagieren sich im Kampf gegen Plastikmüll. Dow Chemicals führt eine weltweite Allianz an, die 1 Mrd. US-Dollar für die Bekämpfung der Umweltverschmutzung durch Plastikmüll bereitstellt. SAP hat sich das mutige Ziel gesetzt, die Verschmutzung der Meere mit Plastik bis zum Jahr 2030 zu beenden. Den Anstoß dazu gab das im letzten Jahr auf dem London Design Festival ins Leben gerufene Projekt Plastics Cloud.
Das Abfallmanagement hinkt hinterher
Stephen Jamieson verantwortet bei SAP den Bereich Sustainable Business Innovation für die Region EMEA Nord. Er sieht das Problem in der fehlenden Infrastruktur für das Abfallmanagement in Schwellenländern und in mangelnden Investitionen begründet. Dies wiederum hängt mit der nicht funktionierende Angebots- und Nachfragewirtschaft für Sekundärstoffe in den diesen Ländern zusammen. Unternehmen benötigen Recyclingmaterial, haben aber keinen Zugang zu entsprechenden Anbietern. Sie verfügen deshalb nicht über die nötigen Prozesse, um unter Einhaltung ethischer Grundsätze und rechtlicher Vorschriften mit den Müllsammlern zusammenzuarbeiten.
Tools wie die Plastics Cloud können auf verschiedene Weise zur Lösung dieser Probleme beitragen.
Erstens kann sie einen neuen Marktplatz für recyceltes Plastik schaffen und große Unternehmen und Abfallsammler ethisch und konsistent über das Ariba Network mit seinen 3,8 Millionen Teilnehmern verbinden. Zweitens kann sie die Entwicklung von Best Practices für eine verantwortungsvolle Produktion und deren Verbreitung von Nordeuropa in alle Teile der Welt vorantreiben. Drittens kann sie Start-ups und Investoren zusammenbringen und ihnen helfen, die Marktchancen zu verstehen und in die Märkte zu gehen, die eine entsprechende Infrastruktur am meisten brauchen. Und nicht zuletzt kann sie die Präferenzen der Verbraucher in Richtung nachhaltige Produkte lenken und die Nachfrage nach recycelten Inhaltsstoffen in Produkten fördern.
Die Zeit drängt
Ob Musiker, Führungskräfte, Künstler oder Banker: Sie alle reagieren mit demselben Entsetzen, wenn ihnen das wahre Ausmaß des Plastikproblems bewusst wird.
Ovie Mughelli, ehemaliger Champion der National Football League (NFL), umweltpolitischer Sprecher und Gründer der Ovie Mughelli Foundation, bringt es auf den Punkt: „Ich engagiere mich, weil ich wie jeder, der Kinder hat, die bestmögliche Zukunft für sie möchte.“
Umkehr noch möglich?
Die Verschmutzung der Weltmeere durch Plastik ist so massiv, dass wir als Gesellschaft gemeinsam so handeln müssen, als würde unser Haus brennen. Andernfalls werden unsere Kinder das Wunder sauberer Ozeane und einer gesunden Tier- und Pflanzenwelt in unseren Meeren nicht mehr kennenlernen.
Die Teilnehmer des Ocean Plastics Leadership Summit, die sich auf der Resolute an die Lösung dieses dringenden Problems gemacht haben, wollen mit den Maßnahmen messbare Ergebnisse erzielen. Mit Hilfe eines gemeinem entwickelten Aktionsrahmens sollen Maßnahmen koordiniert, negative Auswirkungen gemindert und neue Möglichkeiten aufgedeckt werden. Ihr Einsatz sorgt für ein wenig Hoffnung in einer Situation. Diese ist nicht nur besorgniserregend, sondern bedroht auch unsere Existenz und die Zukunft unseres Planeten.
Experten wie Dave Ford und andere Teilnehmer der Expedition fürchten, dass es bald zu spät sein könnte, die negativen Auswirkungen der Plastikverschmutzung der Weltmeere und des Klimawandels umzukehren. Doch zugleich hoffen sie auch, dass die Dynamik und die Ergebnisse des Summit zeigen, dass sich durch gemeinsames Handeln Änderungen schneller herbeiführen lassen.
Lesen Sie hier den vollständigen Bericht vom Ocean Plastics Leadership Summit.