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Die ägyptische Post arbeitete lange Zeit nicht rentabel. Durch Digitalisierung auf Basis einer E-Commerce-Plattform konnte die Behörde das Mitarbeiterengagement verbessern und Gewinn erwirtschaften.

Wenn Mitarbeiter dazu motiviert werden sollen, Verhaltensweisen zu ändern, die sich über Jahrzehnte eingeschliffen haben, dann ist es naheliegend, sie am Gewinn zu beteiligen.

Als Essam El Saghir 2016 den Vorstandsvorsitz der Egypt National Post Organization (ENPO) übernahm, wurden alle Arbeitsschritte noch manuell erledigt. Am ersten Tag in seiner neuen Funktion beschloss er, sich in einer Postfiliale ein Bild von den Abläufen zu machen.

Er sah, wie Kunden zum Schalter kamen und der Beamte, der dahinter saß, beugte sich jedes Mal vor, um einen Brief mit einer Marke zu versehen, die er von einem kurzen Band um seinen Hals abriss. Diese Bewegung wiederholte er unzählige Male jeden Tag.

El Saghir fragte den Mitarbeiter, warum er die Briefmarken nicht an einem längeren Band befestigte, um sich nicht über jeden Brief beugen zu müssen, sondern die Briefe in einer bequemeren Position frankieren zu können. Der Schalterbeamte erklärte ihm, dass er seine Arbeit schon seit 15 Jahren so mache.

„In dem Moment wurde mir klar, dass meine erste Aufgabe darin bestehen würde, alles zu automatisieren“, erinnert sich El Saghir mit einem leisen Lachen. Zwar ist er Experte in Sachen Automatisierung, doch hatte er durchaus Respekt vor dieser Aufgabe, wie er zugibt. Ohne finanzielle Unterstützung von der Regierung musste er in der Lage sein, zu beweisen, dass die Post rentabel arbeiten konnte.

Employee Experience: Motivation der Mitarbeiter durch Gewinnbeteiligung

„Wir beschlossen, den Mitarbeitern der Filialen, die einen Ertrag erwirtschaften, zehn Prozent des Gewinns auszuzahlen“, erzählt er. „Daraufhin gingen die Mitarbeiter hinaus auf die Straße, um Kunden in die Filiale zu locken.“

Innerhalb von drei Monaten steigerte die Behörde ihren Umsatz um 258 Millionen ägyptische Pfund (rund 14,5 Millionen Euro). Im nächsten Schritt machten sich El Saghir und sein Team daran, die Kosten zu senken. Wieder gingen zehn Prozent der Einsparungen an die Mitarbeiter von Filialen, die ihre Kosten erfolgreich verringerten. „Plötzlich achteten die Mitarbeiter darauf, das Licht auszuschalten, Papier zu sparen und ihre Computer abends herunterzufahren“, erinnert er sich. Innerhalb von drei Monaten sparte die Behörde 165 Millionen ägyptische Pfund (rund neun Millionen Euro) ein.

Mit dem erwirtschafteten Gewinn und dem eingesparten Geld nahmen El Saghir und sein Team die nächste Phase in Angriff: eine umfassende Digitalisierung, um den traditionellen Postdienstleister in ein papierloses, multifunktionales Service-Center ohne Kassenschalter zu verwandeln, das Bürgerservices und Finanzdienstleistungen anbietet.

Heute kann man in allen Postfilialen des Landes Rechnungen begleichen, Zugfahrkarten kaufen und nahezu alle Behördengänge erledigen – von der Verlängerung der Fahrerlaubnis bis zur Beantragung einer Geburtsurkunde. Und da inzwischen auch eine mobile App und Serviceterminals an Tankstellen und Bahnhöfen bereitgestellt wurden, können Kunden all dies erledigen, während sie tanken oder auf den Zug warten.

Ägyptische Postfiliale baut auf E-Commerce-Plattform von SAP
Ägyptische Postfiliale (Foto via Egypt National Post Organization)

Mit Unterstützung von SAP führt die Egypt National Post nun eine umfassende E-Identity-Lösung ein, mit der von jedem Gerät aus auf alle Services zugegriffen werden kann.

„Wir ermöglichen es Flüchtlingen ohne Papiere, ihre UNICEF-Hilfen durch die Identifizierung per Iriserkennung zu erhalten“, berichtet El Saghir stolz. „Ältere Menschen müssen sich nicht mehr mit dem mühsamen Lesen und Ausfüllen von Formularen auseinandersetzen. Wir benötigen lediglich ihren Fingerabdruck, um Transaktionen zu autorisieren.“

Heute beschäftigt die Egypt Post 55.000 Mitarbeiter und zählt über 23 Millionen Kunden. Mit rund 4.000 Filialen ist sie außerdem der größte Finanzdienstleister des Landes. Sie ermöglicht damit auch Menschen in besonders abgelegenen Regionen den Zugang zu dringend benötigten Finanzdienstleistungen. Nach wie vor haben 84 % der 100 Millionen Einwohner Ägyptens kein Bankkonto.

SAP-Plattform für E-Commerce: Grundstein für eine erfolgreiche Zukunft

Nachdem das nötige Fundament geschaffen ist, kann El Saghir sich nun auf wirklich grundlegende Veränderungen konzentrieren. Mit seinem nächsten Projekt möchte er einen Marktplatz einrichten, der auf einer SAP-Plattform basiert. Darüber sollen Klein- und Kleinstunternehmen ihre Produkte gebührenfrei anbieten können.

Die einmalige Lage Ägyptens an der Schnittstelle zwischen Europa, dem Nahen Osten und Afrika zu nutzen, ist absolut naheliegend.

„Mit unseren neuen E-Commerce-Services möchten wir es unseren Kunden ermöglichen, auf lokaler oder internationaler Ebene Handel zu betreiben“, erklärt er. Wir bieten ihnen neue Möglichkeiten, über ihre Debitkarten der Egypt Post weltweit Geschäfte abzuwickeln.“

Die Geschäftsleute der Region sind auf innovative Lösungen angewiesen. Ein großes Problem sind die hohen Lieferkosten. Es ist teurer, ein Produkt auszuliefern als es herzustellen. Und in vielen afrikanischen Ländern fehlt die nötige Infrastruktur für den Onlinehandel oder die Paketzustellung. Essam El Saghir plant deshalb die Einrichtung eines Zentrums in den USA, an dem zwölf Länder ihre Pakete in einen gemeinsamen Container verladen und so ihre Transportkosten verringern können. Bei der Ankunft des Containers an der zweiten Anlaufstelle in Ägypten werden die Pakete sortiert und an die jeweiligen Zielorte auf dem afrikanischen Kontinent ausgeliefert.

Für El Saghir, der sich bereits als Kind für Abläufe und ihre Details begeisterte und lange Zeit im Ausland gearbeitet hat, ist es entscheidend, die Mitarbeiter zu motivieren und einzubeziehen.

„Ich war schockiert, wie gering die Motivation war, aber ich war nicht wirklich überrascht“, sinniert er, als er einige Fotos auf seinem Smartphone ansieht. Vor der Transformation der Egypt National Post wurden die Briefe in heruntergekommenen Gebäuden sortiert. Kaputte Möbel prägten das Bild in den Büros und Wartebereichen. Es gab kaum Chancen auf Beförderungen oder Gehaltserhöhungen.

„Man kann die Menschen nicht zwingen, sich zu ändern“, resümiert er. „Man kann ihnen lediglich Anreize bieten.“


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