Bei der SAP-Podiumsdiskussion „Lay the Foundation for Your Enterprise with Intelligent ERP“ berichteten kürzlich zwei SAP-Kunden, die Döhler GmbH und die Goodyear Tire and Rubber Company, von ihrer Transformation zum intelligenten Unternehmen.
Im Anschluss daran erläuterten Harald Muley, Head of Corporate Functions IT bei Döhler, und Horst Ebert, Vice President of Global IT bei Goodyear, im Interview die Details ihrer digitalen Transformation auf Basis von SAP S/4HANA.
Erzählen Sie uns zunächst ein wenig über Ihr Unternehmen und Ihre jeweilige Funktion.
Horst Ebert: Goodyear ist einer der weltgrößten Reifenhersteller. Wir beschäftigen rund 64.000 Mitarbeiter und unterhalten 47 Fertigungseinrichtungen in 21 Ländern. Ich bin für sämtliche SAP-Aktivitäten von Goodyear weltweit verantwortlich. Meine Schwerpunkte sind insbesondere unsere SAP-Supportstruktur, die Harmonisierung unserer Anwendungsarchitektur in den verschiedenen Regionen und die Zusammenarbeit mit SAP bei der Definition von strategischen Roadmaps für unsere Weiterentwicklung zum intelligenten Unternehmen.
Harald Muley: Döhler ist ein weltweiter Hersteller, Vermarkter und Anbieter technologiebasierter natürlicher Ingredients, Ingredient Systems und integrierter Lösungen für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Unser Unternehmen hat mehr als 7.000 Mitarbeiter weltweit und betreibt 45 Produktionsstätten, über die wir Kunden in über 130 Ländern beliefern. In meiner Funktion als Head of Corporate Functions IT bin ich für sämtliche IT-Aspekte in den Bereichen Finanzwesen, Controlling und Personalwirtschaft verantwortlich.
Einführung von SAP S/4HANA als digitalen Kern
Ihre Unternehmen sind beide langjährige SAP-ERP-Kunden und haben sich für einen Umstieg auf SAP S/4HANA entschieden, um damit hochgradig komplexe Systemlandschaften zu unterstützen. Welcher Aspekt war ausschlaggebend für die Einführung von SAP S/4HANA als digitalen Kern?
Harald Muley: Döhler stützt seinen Geschäftsbetrieb seit 1993 auf die Anwendung SAP ERP. Daraus ist ein in hohem Maße angepasstes und spezialisiertes System mit über 33.000 kundenspezifischen Objekten und rund 3,7 Millionen Zeilen Code entstanden. Um das Wachstum zu beschleunigen, musste unser Unternehmen sein ERP-System aktualisieren. Für uns war es eine strategische Entscheidung, auf SAP S/4HANA umzusteigen. Wir sehen darin die Zukunft von SAP und haben deshalb in die Suite investiert.
Horst Ebert: Goodyear betreibt separate ERP-Systeme zur Unterstützung unserer Geschäftsbereiche in den Regionen Nordamerika, EMEA, Asien-Pazifik und Lateinamerika. Für unseren Umstieg auf SAP S/4HANA gab es verschiedene entscheidende Faktoren. Erstens möchten wir die neuesten SAP-Technologien wie maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz (KI) nutzen. Zweitens wollten wir unsere Anwendungsarchitektur harmonisieren und die Standardisierung und Vereinfachung vorantreiben, damit wir neue geschäftliche Anforderungen schneller unterstützen können. Drittens schließlich ist SAP S/4HANA der Kern der SAP-Architektur, auf dem zahlreiche Cloud-Lösungen basieren. Wir müssen deshalb sicherstellen, dass wir innerhalb der Wartungsfenster bleiben.
Viele interessiert, wie Sie bei Ihrem Umstieg auf SAP S/4HANA vorgegangen sind. Können Sie diesen Prozess für uns beschreiben und erläutern, an welchem Punkt Sie sich derzeit befinden?
Harald Muley: Wir hatten zuvor SAP ERP Central Component mit SAP MaxDB eingesetzt. Unser erster Schritt bestand in der Einführung von SAP HANA im Rahmen eines technischen Upgrades. Anschließend haben wir das System auf SAP S/4HANA 1610 umgestellt und dabei die Konvertierung unserer eigenen Entwicklungen zu 90 Prozent automatisiert. Unser zentrales SAP-S/4HANA-1809-System ist derzeit in 17 unserer Unternehmen im Einsatz. Mit jährlichen Upgrades sorgen wir dafür, dass wir stets die neuesten Technologien von SAP S/4HANA nutzen können.
Horst Ebert: Unser Umstieg begann mit der Ankündigung von SAP, die Wartung für SAP ERP Central Component 2025 einzustellen. Wir haben zunächst unsere Finanzprozesse auf SAP S/4HANA umgestellt, indem wir letztes Jahr die technische Grundlage implementiert haben. Nun kommen laufend weitere Geschäftsprozesse und Innovationen hinzu. Für uns ist der Umstieg auf SAP S/4HANA kein isolierter Prozess, sondern Teil der digitalen Transformation unseres Unternehmens. Dabei verfolgen wir die Strategie, möglichst viele Cloud-Lösungen einzusetzen.
ERP-Roadmap für die Umstellung auf SAP S/4HANA
Wie kam Ihre Entscheidung für die Vorgehensweise bei der Implementierung zustande?
Harald Muley: Wir hatten uns für eine Systemumstellung entschieden, da ein Greenfield-Projekt für unsere von schnellem Wandel geprägte Branche zu lange gedauert hätte. Wir beschlossen deshalb, unsere Prozesse auf der Grundlage des neuen Datenmodells von SAP S/4HANA umzugestalten. Auf diese Weise konnten wir außerdem wertvolle Eigenentwicklungen weiterverwenden.
Horst Ebert: Wir verfolgen einen hybriden Ansatz, da wir mehrere ERP-Systeme im Einsatz haben. Zunächst haben wir eine Neuimplementierung von Funktionen durchgeführt, die wir globalisieren und standardisieren wollten. Hierzu gehört beispielsweise das Finanzwesen. Da wir jedoch nicht alle Geschäftsprozesse auf eine einzige Instanz umstellen möchten, werden wir unsere ERP-Systeme einzeln konvertieren. Unsere Prozesse hängen von den Anforderungen des jeweiligen Marktes ab und können sich von Region zu Region unterscheiden. Diese Entscheidung treffen wir in enger Abstimmung mit unseren Geschäftsbereichen.
Welche Aspekte waren für Sie bei der Entscheidung zwischen On-Premise- und Cloud-Umgebung ausschlaggebend?
Harald Muley: Wir haben uns entschieden, unsere Daten in der On-Premise-Umgebung zu lassen, da unser eigenes Rechenzentrum sehr effizient ist. Dadurch sind wir in der Lage, unsere Finanzdaten und wertvolles geistiges Eigentum wie Rezepturentwicklungen auf unserer On-Premise-Instanz von SAP S/4HANA zu belassen.
Horst Ebert: Wir sind noch nicht bereit für die Nutzung von SAP S/4HANA in der Public Cloud, implementieren jedoch SAP S/4HANA in der SAP HANA Enterprise Cloud. So können wir unsere eigenen Kapazitäten für die Optimierung unserer Kernprozesse nutzen und Innovationen voranbringen, während sich entsprechend unserer Hosting-Strategie SAP um die Bereitstellung und Verwaltung von SAP S/4HANA kümmert. In der Region APJ steht SAP HANA Enterprise Cloud ausschließlich über ein Rechenzentrum in Japan zur Verfügung. Da wir auf einen Standort in größerer Nähe zu unseren Märkten in Australien und Neuseeland angewiesen sind, haben wir uns für eine Bereitstellung über Amazon Web Services in Singapur entschieden.
Was war für Sie die größte Herausforderung?
Harald Muley: Da wir zum damaligen Zeitpunkt einer der ersten Anwender waren, standen wir vor gewaltigen Herausforderungen. Wir konnten SAP-Tools wie SAP Readiness Check nicht nutzen, es gab noch keine Dokumentation, und es mangelte an Beratern, die sich mit SAP S/4HANA auskannten. Auch wurde SAP S/4HANA nur unzureichend von Drittanbieter-Add-ons und Lösungen von Consulting-Unternehmen unterstützt, da manche noch nicht bereit für die Umstellung waren. Dennoch haben wir den Umstieg fristgerecht innerhalb von sechs Monaten bewältigt, einschließlich der aufgrund von parallelen Projekten erforderlichen Nachrüstungen, zwei FPS-Upgrades für SAP S/4HANA und rund 230 implementierten OSS-Hinweisen.
Horst Ebert: SAP investiert weiter in SAP S/4HANA, sodass es jährlich umfangreiche Release-Upgrades gibt. Wenn wir unsere Nutzung des Systems ausweiten, müssen wir auch diese jährlichen Upgrades mit einplanen.
Welche positiven Erfahrungen haben Sie bei der Implementierung gemacht?
Harald Muley: Eine positive Erfahrung war definitiv die Zusammenarbeit mit SAP während des Projekts. Das Engagement des beteiligten Teams war herausragend – von unserem Kundenbetreuer bis hin zum Support-Berater, der sich am Wochenende, an dem wir das Produktionssystem umstellten, um ein unerwartet aufgetretenes größeres Problem bei der Migration kümmerte. Alle haben sich sehr für eine erfolgreiche Umstellung unserer Systeme eingesetzt. Es war ein großer Erfolg für das Team von Döhler und SAP.
Horst Ebert: Die Stabilität der Anwendung ist wirklich beeindruckend. Wir haben fünf Milliarden Hauptbuch-Datensätze in SAP S/4HANA repliziert und hatten keinerlei Rundungsdifferenzen.
Jährliche Upgrades bieten Innovationen
Welche Strategie verfolgen Sie bei Döhler im Hinblick auf die jährlichen Upgrades von SAP S/4HANA?
Harald Muley: Es gibt jedes Mal so viele neue Funktionen, etwa das integrierte SAP Extended Warehouse Management, die Integration von SAP Transportation Management, die uns zum Upgrade auf Version 1709 motiviert hat, die verbesserte Stammdatenqualität in Version 1809 oder auch das Konzernberichtswesen in Version 1909. Angesichts zahlreicher Innovationen wie maschinelles Lernen mit SAP Leonardo, die erweiterten Funktionen für SAP Cash Application in Version 1809 und die WE-/RE-Überwachung haben wir beschlossen, die Upgrades für SAP S/4HANA jedes Jahr zu implementieren. Unsere Upgrades sind außerdem mit den Enhancement Packages für SAP ERP Central Component vergleichbar. Wir versuchen nun, das nächste Upgrade auf Version 1909 innerhalb von fünf Wochen durchzuführen. Je schneller wir damit anfangen, desto besser wird es, lautet unsere Devise!
Welche Funktionen von SAP S/4HANA setzen Sie derzeit ein, und an welche anderen Lösungen haben Sie das System angebunden?
Horst Ebert: Derzeit nutzen wir die Funktionen für das Finanzwesen und planen, 2020 auch die Funktionen für die zentrale Beschaffung einzuführen. Mit SAP Analytics Cloud stehen uns Funktionen für Echtzeitanalysen und letztlich auch für die Planung zur Verfügung. Außerdem integrieren wir SAP S/4HANA in SAP-SuccessFactors-, SAP-Concur- und SAP-Fieldglass-Lösungen. Die Funktionen für digitale Logistikketten werden derzeit evaluiert.
Harald Muley: Wir nutzen alle klassischen SAP-S/4HANA-Module für Finanzwesen, Lieferkette, Bestandsführung usw., haben aber auch den SAP Financial Closing Cockpit und die integrierten Funktionen von SAP Extended Warehouse Management und SAP Transportation Management implementiert. Wir integrieren SAP S/4HANA in die Preisoption von SAP Data Maintenance by Vistex für SAP S/4HANA, in SAP Sales Cloud und in die SAP-Ariba-Software. Vor Kurzem haben wir außerdem SAP Integrated Business Planning for Supply Chain gekauft, um SAP S/4HANA auch verstärkt in unserer Lieferkette zu nutzen. Zudem implementieren wir die Funktionen von SAP Analytics Cloud für Echtzeitberichte.
Vorteile des intelligenten ERP
Sie haben bei Goodyear das Finanzwesen als entscheidenden Faktor für den Umstieg auf SAP S/4HANA angeführt. Können Sie kurz berichten, wie die Erfahrungen Ihrer Anwender sind und von welchen Vorteilen sie profitieren?
Horst Ebert: Wir profitieren von einer beispiellosen Verfügbarkeit von Informationen. Erstmals in der Geschichte unseres Unternehmens können wir weltweit vergleichbare Daten bereitstellen und Transparenz bis ins kleinste Detail bieten. Unsere Finanzexperten müssen ihre Entscheidungen nicht mehr auf der Grundlage von Berichten treffen, die am Tag zuvor oder in der vorigen Woche erstellt wurden. Ihnen stehen jetzt Echtzeitdaten zur Verfügung, die Aufschluss darüber geben, was gerade im Unternehmen passiert. Das alles trägt dazu bei, dass sie bessere, fundierte Entscheidungen treffen können.
Welche Vorteile bringt SAP S/4HANA mit sich?
Harald Muley: Wir hatten nicht so sehr die Kennzahlen vor und nach der Implementierung oder die prozentuale Steigerung der Produktivität im Blick. Doch mit dem Umstieg auf SAP HANA konnten wir die Performance definitiv bereits um mehr als 30 Prozent verbessern. Mit SAP Cash Application konnten wir außerdem mindestens 30 Prozent der Buchungen automatisieren, sodass unsere Finanzabteilung sich verstärkt um strategische Aufgaben statt lediglich um die Buchung von Posten kümmern kann. Insgesamt bietet uns SAP S/4HANA eine Grundlage für die Ausführung neuer Geschäftsprozesse und die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle, mit denen wir Mehrwert für unsere Partner und Kunden schaffen können.
Horst Ebert: Wir haben schnell Möglichkeiten und Vorteile für unser Finanzwesen identifiziert. Wir hatten davor keinen globalen Kontenplan oder eine globale Kostenstellenstruktur, deshalb war der Umstieg die ideale Gelegenheit, globale Standards einzuführen und Echtzeiteinblick in unsere Finanzdaten zu erhalten.
Was würden Sie anderen Kunden raten, die eine Implementierung von SAP S/4HANA planen?
Horst Ebert: Sie sollten sich Zeit für die Implementierung von SAP S/4HANA nehmen und genau evaluieren, welches Potenzial die Lösung in Kombination mit anderen Anwendungen wie SAP Analytics Cloud bietet. Sie sollten außerdem sicherstellen, dass das interne Supportteam das nötige Know-how aufbaut, und sich mit all den neuen Funktionen vertraut machen.
Harald Muley: Ein Konvertierungsprojekt lässt sich schnell durchführen, und je früher man damit beginnt, desto geringer sind die Unterschiede zwischen SAP ERP Central Component und SAP S/4HANA. Wie bei jedem Release gibt es neue Vereinfachungen, die die Konvertierung komplizierter machen, wenn der Ausgangspunkt SAP ERP Central Component ist. Und man sollte sich auf alle Eventualitäten vorbereiten.
Von unseren Kunden hören wir immer wieder, wie wichtig das Change Management ist. Wie sind Sie dabei vorgegangen – sowohl aus Sicht der Anwender als auch aus Sicht der IT-Experten?
Harald Muley: Unser Ansatz bestand darin, nur die obligatorischen Anpassungen für die Systemumstellung vorzunehmen, etwa die Implementierung von SAP Business Partner Screening for SAP S/4HANA oder von Funktionen für die Rabattabrechnung. Wir nutzen außerdem weiter SAP GUI als Frontend für unsere Anwender, sodass anfangs kein besonderes Change Management erforderlich war.
Horst Ebert: Am wichtigsten ist die Unterstützung durch die Geschäftsführung. Außerdem müssen den Anwendern die Möglichkeiten aufgezeigt werden, statt ihnen lediglich die Lösung zur Verfügung zu stellen. Und schließlich müssen die internen IT-Mitarbeiter geschult und für neue Technologien begeistert werden.
Weitere Informationen:
Machen auch Sie den ersten Schritt auf Ihrem Weg zum intelligenten Unternehmen, und informieren Sie sich hier über SAP S/4HANA.